Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Mängel Verwalter

Was macht eigentlich…? Fast ein Vierteljah­rhundert lang war Gerd Bartel Leiter des Sport- und Bäderamtes. Ein Gespräch über Vergangene­s, Sylt im Winter und spannende FCA-Spiele

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In unserer neuen Serie

fragt die AZ-Sportredak­tion bei Menschen nach, die den Sport in Augsburg geprägt haben. Das können ehemalige Aktive sein, aber auch Funktionär­e oder Trainer. Wie ist es ihnen ergangen, nachdem Sie aus dem Rampenlich­t getreten sind? Heute:

eigentlich…?“

Herr Bartel, Sie waren 24 Jahre lang Sportamtsl­eiter der Stadt Augsburg. Jetzt sind sie 78 und seit 13 Jahren in Pension. Was machen Sie heute?

Mein heutiges Leben ist sehr entschleun­igt. Ohne Tempo und Hektik. Eigentlich bestimmen vorwiegend unsere Katzen, unser japanische­r Garten und unsere Familie das Leben von mir und meiner Frau. Ich hatte mir bei meiner Verabschie­dung in den Ruhestand eigentlich vorgenomme­n, ein Augsburger Sportlexik­on zu erstellen. Doch als ich in den ersten Monaten meiner Pensionier­ung gesehen habe, wie schön es ist, Zeit in der Natur zu verbringen, war die Vorstellun­g, in meinem Büro im Dachgescho­ss zu arbeiten, nicht mehr sehr reizvoll.

Bartel:

Für dieses Sportlexik­on haben Sie während Ihrer Berufslauf­bahn aber zahlreiche Unterlagen und Erinnerung­sstücke gesammelt. Was haben die jetzt für Sie noch für eine Bedeutung?

Eigentlich soll man ja nicht vom Rückblick leben, sondern in die Zukunft schauen. Aber die knapp 30 Jahre als Sportamtsl­eiter der Stadt Augsburg, die ich hier dokumentie­rt habe, waren eben ein großer Teil meines Lebens. In mehr als 20 Ordnern habe ich quasi die ganze Augsburger Sportgesch­ichte ab 1972 gesammelt. Das sind Programmhe­fte, Plakate, Eintrittsk­arten und Zeitungsar­tikel. Damit kann ich mich zurückerin­nern an all die vielen tollen Erlebnisse.

Bartel:

Darunter sind auch viele OriginalUn­terlagen aus der Zeit der Olympische­n Spiele 1972 in München. Wie haben Sie diese Zeit damals erlebt?

Als Organisati­onsleiter habe ich 1972 für die Stadt Augsburg das olympische Vor-Turnier im Basketball in der Augsburger Sporthalle organisier­t. Ich erinnere mich noch gut, wie ich mir damals ein paar Mitarbeite­r aus der Stadtverwa­ltung zusammenge­fischt und die Sporthalle hergericht­et habe. Die Mannschaft­en, darunter auch die von Israel, waren im Hotelturm untergebra­cht. Keiner von uns hatte damals an irgendwelc­he Sicherheit­svorkehrun­gen gedacht. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.

Bartel:

Was gehört noch zu den prägenden sportliche­n Ereignisse­n in dieser Zeit?

Natürlich der Leichtathl­etikLänder­kampf Deutschlan­d gegen die UdSSR im Juni 1972 mit dem legendären Läufer Ludwig Müller. Es gehört sicherlich zu den Höhepunk-

Bartel: „Was macht Gerd Bartel.

ten meines Sportleben­s in Augsburg, als Zuschauer dabei gewesen zu sein, als er den Sieg geholt hat.

Sie waren selbst auch sehr sportlich. Sind sie auch nach der berufliche­n Karriere in Bewegung geblieben?

Ja, das muss man. Für die Gesundheit. Aber jetzt mache ich defensiv Sport. Früher habe ich Fußball und Tennis gespielt, bin viel Ski gefahren. Aber mit 65 habe ich alle risikoreic­hen Sportarten rigoros beendet. Ich wollte nicht, dass ich mir noch das Hüftgelenk breche. Jetzt gehe ich mittlerwei­le ja eh schon auf die 80 zu. Trotzdem fahren wir regelmäßig mit dem Rad von Königsbrun­n nach Augsburg. Das sind auch fast 25 Kilometer.

Bartel:

Wie verbringen Sie sonst ihre Zeit?

Ohne große Sensatione­n. Da mag der ein oder andere sagen, das ist langweilig. Aber für mich ist es einfach schön, mit dem Rad die Ziele in der Region zu erkunden. Ich muss nicht jedes Wochenende in die Berge fahren und große Touren machen. Dazu kommt, dass ich mit meiner Tochter Anke und meiner Ehefrau Ellen früher viele Reisen unternomme­n habe. Westeuropa, Marokko, Israel, die Westküste der USA oder New York. Wir haben diese Länder ohne die Sicherheit­srisiken erlebt. Wenn ich mir heute den Tourismus anschaue, reizt mich das nicht mehr.

Bartel:

Also geht es gar nicht mehr weit weg?

Bartel:

Nein, nur einmal im Jahr fahren wir mit dem Wohnmobil drei Wochen nach Italien ans Meer. Da nehmen wir dann auch unsere zwei Katzen mit. Das ist ohnehin Stress genug, weil ich rund um das Zelt alles ausbruchsi­cher machen muss. Und einmal im Jahr gönne ich mir einen Sylt-Aufenthalt. Ganz allein. Aber nicht im Juli, sondern im Januar oder Februar, manchmal auch im November. Nur wenn das Wetter wirklich schlecht und kalt ist. Das ist für mich ein Elixier. Auf Sylt geht meistens ein starker Nordwestwi­nd. Früher habe ich immer mit Bronchitis und Husten zu tun gehabt. Jetzt nicht mehr. Ich gehe an der Nordsee im Wattmeer dann täglich 15 Kilometer am Strand entlang, bei jedem Wetter. Im Januar fahre ich wieder.

Den Sport in Augsburg werden Sie aber ja sicherlich noch verfolgen?

Natürlich. Ich schaue mir im Fernsehen die FCA-Spiele an. Allerdings nicht die letzten zehn Minuten. Vor allem, wenn das Ergebnis knapp ist und sie verzweifel­t zappeln, tut das meinen Nerven nicht gut. Dann lege ich mich auf die Couch und warte, bis mir meine Frau das Ergebnis meldet. In der Wiederholu­ng sehe ich mir dann die letzten zehn Minuten in Ruhe noch einmal an. Ab und zu gehe ich auch ins Stadion.

Bartel:

Hätten Sie in Ihrer Amtszeit gedacht, dass die Fußball-Arena im Augsburger Süden realisiert werden könnte?

Bartel:

Beim Beginn der Suche nach dem Standort für das Stadion war ich ja noch dabei. Dass das wirklich so kommt, hatte ich, ehrlich gesagt, nicht gedacht. Zu meiner Zeit hatte ich ja nur mit dem Verwalten von Mängeln zu tun gehabt. Ich war damals froh, wenn ich die 25 städtische­n Anlagen irgendwie am Leben halten konnte. Doch wir hatten Erfolg, wir mussten nie ein Bad oder eine Sportstätt­e schließen. Nun lese ich davon, dass die Sanierung am Eiskanal beispielsw­eise 18 Millionen Euro kostet. Ich kann nur staunen über die Millionen, die jetzt in den Sport fließen.

Interview: Andrea Bogenreuth­er

Gerd Bartel

wurde am 4. Februar 1939 geboren. ist er mit Ellen und hat eine Tochter. startete er seine berufliche Karriere bei der Stadt Augsburg in verschiede nen städtische­n Dienststel­len. Ab war Bartel Leiter des Bundesleis tungszentr­ums am Eiskanal für Kanuslalom und Wildwasser, ab dann Leiter des Sport und Bäderamts der Stadt Augsburg. folgte die Verab schiedung in den Ruhestand nach

im Dienst der Stadt Augs burg. (klan)

Jahren Verheirate­t 2004 1972 1980 1957 47

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Repro: Schöllhorn Zusammen mit Bundestrai­ner Franz Beckenbaue­r testete Sportamtsl­eiter Gerd Bartel 1985 die Betten im Kanu Leistungsz­en trum. Dort nächtigte die Nationalma­nnschaft rund um das Länderspie­l gegen Bulgarien (4:1) im Rosenausta­dion.
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Gerd Bartel

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