Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Fugger konnte Wein nicht riechen
Geschichte Warum Hans Jakob als Abstinenzler aus der Rolle fiel. Im voll besetzten Riegele-Gewölbekeller inszeniert die Familie ihre Vorfahren als kurzweilige Unterhaltungsshow
Insider wissen: Vor dem Maximilianmuseum wacht in Überlebensgröße nicht Jakob Fugger der Reiche, sondern sein Großneffe, Hans Jakob Fugger, Spitzname: Wassermann. Dass und warum er so genannt wurde, ahnen allerdings wohl nur wenige. Claudia Gutstein, Mitarbeiterin des Fürstlich und Gräflich Fugger’schen Familien- und Stiftungsarchivs in Dillingen, erklärte es jetzt: Hans Jakob (1516–1575) war gegen den Alkohol und nahm nur Wasser zu sich – ein ungewöhnliches Verhalten für seine Zeit. Das damals noch nicht geklärte Wasser war fürs niedere Volk, während die Oberschicht zu jeder Gelegenheit Wein trank.
Doch dessen Geruch konnte Hans Jakob nicht ausstehen, er ließ ihn nur stark verdünnt an Gäste ausschenken. „Hans Jakob Fugger hatte es nicht leicht. Verschiedene Quellen zeigen, dass er schon früh über seine Alkoholunverträglichkeit Bescheid wusste“, berichtete Gutstein. Abstinenz galt seinerzeit nicht nur als asozial, sondern auch als ungesund, denn Bier, Wein und Schnaps besaßen Heilkräfte gegen unterschiedlichste Krankheiten.
Ärzteberichte aus dem Fuggerarchiv zeigten, dass Hans Jakob ansonsten jedoch kein Kostverächter war. Er heiratete zwei Mal und hatte 18 Kinder. Das Kaufmännische hingegen lag ihm nicht. Zwar erbte er das gesamte Geschäft von seinem Onkel Anton, war jedoch infolge der Pleite des spanischen Königshauses selbst klamm und musste an einen Vetter abgeben.
All dies und noch mehr erfuhren die zahlreichen Besucher des jüngsten „Fuggerforums“: 150 Gäste ließen sich, diesmal im Gewölbekeller der Brauerei Riegele, in die Vergangenheit entführen, unter ihnen auch Mitglieder des Fugger’schen Familienseniorats. Mit zwei Kameras, Bildschirmen, professioneller Moderation durch Horst Thieme und Livestream auf Facebook legte das Fuggerforum der Fugger’schen Stiftungen ihr neues Unterhaltungsevent „Fundstücke“auf. Schon im letzten Jahr beleuchteten Historiker anhand von Raritäten aus dem Fuggerarchiv auf unterhaltsam-kurzweilige Weise spotartig Homestorys, Archivalien und Personen der Kaufmannsdynastie.
So brachte Franz Karg, seit 1983 ein Urgestein des Dillinger Fuggerarchivs, Raimund von Fugger (1870–1949) ans Licht, einen eher unbekannten Sprössling, der es bis zum Baron brachte. Er wurde in Oberkirchberg geboren und im Ersten Weltkrieg durch den König von Württemberg zum „Freiherren“– so lautet der eigentliche Adelstitel eines Barons – erhoben. Sein Vater gab ihm bereits den in der Familie seit Jahrhunderten vererbten Titel eines Päpstlichen Geheimkämmerers mit auf den Weg.
1912 heiratete Raimund in Wien die Fürstin Wanda Sulkowska. Kinder hatte er keine, er starb in Rot bei Laupheim, wo auch das einzige steinerne Überbleibsel seines Lebens erhalten ist: die Villa Fugger. 1912 ließ er sie erbauen, 1925 jedoch aus Geldmangel wieder verkaufen. Wertvoll für die Forschung ist er, weil er dem Archiv zahlreiche Bilder, Dokumente und persönliche Porträts hinterließ, die auf seinen Reisen angefertigt wurden.
Das Archiv diene jedoch nicht nur der Fugger’schen Selbsterforschung. Es biete Anknüpfungspunkte für Medizin, Adels- oder Wirtschaftsgeschichte, erklärte der Historiker Prof. Dietmar Schiersner bei seinem Kurzvortrag „Ins Glas geblickt“. Der wissenschaftliche Leiter des Archivs gab mit der frühesten überlieferten Brauhausstückrechnung aus dem Fundus der Fugger von Babenhausen auch ein Stück Alltagsgeschichte zum Besten. Das Dokument aus dem Jahr 1657 bezeugt Zutaten, Distributionswege und Schenkungen von Bier.
Letztere zum Beispiel an die Kapuzinermönche in Günzburg. Die fünf Hofmusiker von Babenhausen erhielten Gerstensaft als Honorar, der Organist unter ihnen bekam zusätzlich zwölf Gulden. Übrigens: Mit dem Anschluss an Bayern begann auch eine neue Maß-Zeit: Im Gegensatz zu heute umfasste die Maß bis 1805 nicht meist nur einen knappen Liter Bier inklusive Schaum, sondern fast das Doppelte, nämlich 1,4 Liter. Früher war eben vieles besser.