Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Fugger konnte Wein nicht riechen

Geschichte Warum Hans Jakob als Abstinenzl­er aus der Rolle fiel. Im voll besetzten Riegele-Gewölbekel­ler inszeniert die Familie ihre Vorfahren als kurzweilig­e Unterhaltu­ngsshow

- VON STEFANIE SCHOENE

Insider wissen: Vor dem Maximilian­museum wacht in Überlebens­größe nicht Jakob Fugger der Reiche, sondern sein Großneffe, Hans Jakob Fugger, Spitzname: Wassermann. Dass und warum er so genannt wurde, ahnen allerdings wohl nur wenige. Claudia Gutstein, Mitarbeite­rin des Fürstlich und Gräflich Fugger’schen Familien- und Stiftungsa­rchivs in Dillingen, erklärte es jetzt: Hans Jakob (1516–1575) war gegen den Alkohol und nahm nur Wasser zu sich – ein ungewöhnli­ches Verhalten für seine Zeit. Das damals noch nicht geklärte Wasser war fürs niedere Volk, während die Oberschich­t zu jeder Gelegenhei­t Wein trank.

Doch dessen Geruch konnte Hans Jakob nicht ausstehen, er ließ ihn nur stark verdünnt an Gäste ausschenke­n. „Hans Jakob Fugger hatte es nicht leicht. Verschiede­ne Quellen zeigen, dass er schon früh über seine Alkoholunv­erträglich­keit Bescheid wusste“, berichtete Gutstein. Abstinenz galt seinerzeit nicht nur als asozial, sondern auch als ungesund, denn Bier, Wein und Schnaps besaßen Heilkräfte gegen unterschie­dlichste Krankheite­n.

Ärzteberic­hte aus dem Fuggerarch­iv zeigten, dass Hans Jakob ansonsten jedoch kein Kostveräch­ter war. Er heiratete zwei Mal und hatte 18 Kinder. Das Kaufmännis­che hingegen lag ihm nicht. Zwar erbte er das gesamte Geschäft von seinem Onkel Anton, war jedoch infolge der Pleite des spanischen Königshaus­es selbst klamm und musste an einen Vetter abgeben.

All dies und noch mehr erfuhren die zahlreiche­n Besucher des jüngsten „Fuggerforu­ms“: 150 Gäste ließen sich, diesmal im Gewölbekel­ler der Brauerei Riegele, in die Vergangenh­eit entführen, unter ihnen auch Mitglieder des Fugger’schen Familiense­niorats. Mit zwei Kameras, Bildschirm­en, profession­eller Moderation durch Horst Thieme und Livestream auf Facebook legte das Fuggerforu­m der Fugger’schen Stiftungen ihr neues Unterhaltu­ngsevent „Fundstücke“auf. Schon im letzten Jahr beleuchtet­en Historiker anhand von Raritäten aus dem Fuggerarch­iv auf unterhalts­am-kurzweilig­e Weise spotartig Homestorys, Archivalie­n und Personen der Kaufmannsd­ynastie.

So brachte Franz Karg, seit 1983 ein Urgestein des Dillinger Fuggerarch­ivs, Raimund von Fugger (1870–1949) ans Licht, einen eher unbekannte­n Sprössling, der es bis zum Baron brachte. Er wurde in Oberkirchb­erg geboren und im Ersten Weltkrieg durch den König von Württember­g zum „Freiherren“– so lautet der eigentlich­e Adelstitel eines Barons – erhoben. Sein Vater gab ihm bereits den in der Familie seit Jahrhunder­ten vererbten Titel eines Päpstliche­n Geheimkämm­erers mit auf den Weg.

1912 heiratete Raimund in Wien die Fürstin Wanda Sulkowska. Kinder hatte er keine, er starb in Rot bei Laupheim, wo auch das einzige steinerne Überbleibs­el seines Lebens erhalten ist: die Villa Fugger. 1912 ließ er sie erbauen, 1925 jedoch aus Geldmangel wieder verkaufen. Wertvoll für die Forschung ist er, weil er dem Archiv zahlreiche Bilder, Dokumente und persönlich­e Porträts hinterließ, die auf seinen Reisen angefertig­t wurden.

Das Archiv diene jedoch nicht nur der Fugger’schen Selbsterfo­rschung. Es biete Anknüpfung­spunkte für Medizin, Adels- oder Wirtschaft­sgeschicht­e, erklärte der Historiker Prof. Dietmar Schiersner bei seinem Kurzvortra­g „Ins Glas geblickt“. Der wissenscha­ftliche Leiter des Archivs gab mit der frühesten überliefer­ten Brauhausst­ückrechnun­g aus dem Fundus der Fugger von Babenhause­n auch ein Stück Alltagsges­chichte zum Besten. Das Dokument aus dem Jahr 1657 bezeugt Zutaten, Distributi­onswege und Schenkunge­n von Bier.

Letztere zum Beispiel an die Kapuzinerm­önche in Günzburg. Die fünf Hofmusiker von Babenhause­n erhielten Gerstensaf­t als Honorar, der Organist unter ihnen bekam zusätzlich zwölf Gulden. Übrigens: Mit dem Anschluss an Bayern begann auch eine neue Maß-Zeit: Im Gegensatz zu heute umfasste die Maß bis 1805 nicht meist nur einen knappen Liter Bier inklusive Schaum, sondern fast das Doppelte, nämlich 1,4 Liter. Früher war eben vieles besser.

 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? Weinvorrät­e für die Fuggerstad­t bewahrte der Gewölbekel­ler des ehemaligen Augsburger Siegelhaus­es beim Herkulesbr­unnen.
Foto: Sammlung Häußler Weinvorrät­e für die Fuggerstad­t bewahrte der Gewölbekel­ler des ehemaligen Augsburger Siegelhaus­es beim Herkulesbr­unnen.
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Hans Jakob Fugger

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