Augsburger Allgemeine (Land West)

Als das Opfer aussagte, kam die Wende

Gericht Warum vier junge Männer, denen schwerer Raub vorgeworfe­n worden war, mit Bewährung davonkomme­n

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Seit über acht Monaten sitzen drei junge Augsburger in Untersuchu­ngshaft, weil sie einen mutmaßlich­en Drogenhänd­ler mit Hilfe einer Gaspistole beraubt haben sollen. Das sagte der Beraubte damals gegenüber der Polizei. Als er jetzt als Zeuge vor der Jugendkamm­er des Augsburger Landgerich­tes aussagte, hörte sich das deutlich anders an. Resultat: Danach ging es in dem Prozess zügig voran, noch am Abend sprach das Gericht das Ur- teil: Die vier Angeklagte­n erhielten Haftstrafe­n auf Bewährung.

Schweren Raub warf die Staatsanwa­ltschaft vier jungen Männern im Alter zwischen 18 und 22 Jahren vor. Drei der vier sollen vergangene­n Herbst im Gögginger Hessingpar­k nach Vermittlun­g des vierten einen 26-Jährigen überfallen haben, von dem sie zu wissen glaubten, dass er mit Marihuana handelt. Das Quartett hatte sich die Droge für den Eigenbedar­f holen wollen, der mutmaßlich­e Besitzer hatte aber nichts bei sich. Jetzt stand dieser 26-Jährige als Zeuge vor Richter Lenart Hoesch, wo er mit zahlreiche­n „dazu sage ich nichts“und gepflegtem Piano in der Stimme aufwartete. Und mit der Aussage, dass es so, wie er das mit der Waffe bei der Polizei gesagt hatte, nicht gewesen sein muss. Ja, er sei von den drei Jungs überfallen, gestoßen und in den Schwitzkas­ten genommen worden. Und er könne sich noch gut daran erinnern, dass ihm einer der Räuber erklärt hatte, dass man nach drei Schüssen aus der Gaspistole auch tot sei. Aber wirklich gesehen und an die Stirn gedrückt bekommen, so wie er es noch bei der Polizei ausgesagt hatte, habe er die Pistole nicht. Auch sonst verärgerte der Zeuge die Rechtsanwä­lte der Angeklagte­n mit Nicht-Wissen und Erinnerung­slücken. Unmittelba­r nach seiner Vernehmung beantragte Rechtsanwa­lt Peter Witting, den Haftbefehl gegen seinen Mandanten umgehend aufzuheben. Eine Gaspistole, so Witting noch während der Beweisaufn­ahme, habe es nie gegeben, ansonsten sei es empörend, wie der Zeuge aufgetrete­n sei.

Auch die Verteidige­r der anderen drei Angeklagte­n sahen nach der Aussage des 26-Jährigen andere Vorzeichen für ihre Mandanten. Marco Müller und Hansjörg Schmid baten um ein Rechtsgesp­räch, das das Gericht gewährte. Und dann ging es zügig zur Sache. Obwohl bereits zwei weitere Termine für Zeugenvern­ehmungen anberaumt waren, zog Richter Hoesch das Verfahren durch und ließ am zweiten Verhandlun­gstag noch plädieren, bevor er das Urteil sprach. Weil die Waffe nach Ansicht des Gerichts nicht da war, wurde aus dem schweren ein versuchter Raub in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung. Dafür erhielten die drei Angeklagte­n Haftstrafe­n von einem Jahr und zehn Monaten, einem Jahr und acht Monaten sowie einem Jahr und drei Monaten.

Die Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt, sodass die drei Angeklagte­n nach dem Urteilsspr­uch nach Hause gehen konnten. Der vierte junge Mann, der an dem Überfall nicht beteiligt war, erhielt einen dreiwöchig­en Dauerarres­t.

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