Augsburger Allgemeine (Land West)
Vom Umgang mit Bettlern
Debatte An vielen Orten in der Innenstadt bitten gerade vor Weihnachten Bettler um Geld. Manche sind offensichtlich Mitglieder von Banden, andere sind schlicht in Not. Was tun?
Das Thema ist alt. Schlägt man im Stadtlexikon nach, hat der „Bettler“einen eigenen Eintrag. Seit Jahrhunderten bitten Menschen um Almosen, ebenso lange ringen die Stadt und ihre Einwohner um den richtigen Umgang. Während Augsburg damals den einheimischen Bettlern mit „Armenpflege“helfen wollte, sah man Bettler von auswärts ungern. Im 15. Jahrhundert durften sie erst nur noch drei Tage in der Stadt bleiben, 1541, so das Lexikon, durften sie gar nicht mehr in die Stadt oder sie wurden hinausgejagt. Das habe nicht allen Bürgern gefallen.
Knapp 500 Jahre später wird niemand mehr von den „Gassenknechten“ergriffen. Doch auch im Jahr 2017 gehören Bettler zum Stadtbild. Und wie damals stellt sich für Stadt und Polizei die Frage: Wie geht man mit ihnen um? Und jeder ganz persönlich muss mit sich ausmachen: Was mache ich? Wegschauen? Hinschauen? Geld geben?
In einigen Fällen ist die Antwort einfach. Wenn Betteln bedeutet, dass eine Familie andere Menschen bedrängt und ein Mann einen Buben am Hals packt, um Geld zu verlangen, ist das schlicht ein Fall für die Polizei. Sie ist am Königsplatz eingeschritten. Ein 36 Jahre alter Rumäne steht im Verdacht, zusammen mit Frau und Kind dem Neunjährigen das Geld geraubt zu haben. Stadt und Polizei haben zu Recht ein Auge darauf, wenn Bettler in Gruppen auftreten, aggressiv um Geld bitten oder Kinder nutzen, um Mitleid zu erregen. All das ist in Augsburg zu Recht verboten. Und es gibt auch den nachvollziehbaren Ratschlag gerade von der Polizei, den Mitgliedern von in der Regel osteuropäischen Bettlergruppen kein Geld zu geben. Warum? Sie müssen das gesammelte Geld häufig weitgehend an die Hintermänner abgeben. Ihnen selbst bleibt nichts oder wenig. Zweiter Gedanke: Wenn die Einnahmen nicht stimmen – und der Kontrolldruck groß ist, ziehen die Gruppen schnell weiter. Das klingt logisch. Man sollte sich – vor allem, wenn Kinder auf die Straße geschickt werden, zweimal überlegen, ob man das unterstützen will. Und dennoch bleibt eine Frage offen.
Wie geht man persönlich mit Armut um? Betteln ist seit jeher ein Bild dafür, dass es Menschen schlecht geht. Jeder Bettler auf den Straßen ist eine Erinnerung daran. Man könnte einwenden: In Deutschland gibt es ein so gutes soziales Netz, dass niemand durchfällt. Es passiert leider trotzdem, sonst bräuchte man keine Hilfsorganisationen. Mancher mag auch selbst schuld daran sein – es ändert nichts an der Not. Es kostet auch Überwindung, Betteln zu gehen. Und wenn man weiter denkt: Ginge es den Menschen in Rumänien besser, würden sie auch nicht in Deutschland betteln gehen. Natürlich können wir nicht jedes dieser Probleme lösen. Eine harte Haltung birgt dennoch eine Gefahr. Wer nur noch wegschaut, übersieht womöglich auch die Menschen, die tatsächlich in Not sind. Die still an der Straßenecke sitzen und um etwas Unterstützung bitten.
Auch hier gibt es den Ratschlag, lieber Hilfsorganisationen zu unterstützen als den einzelnen Bettler, weil der Euro nichts an der grundlegenden Situation ändert. Doch ist das nicht zu hart?
Ein kleines Kind hat neulich indirekt eine gute Antwort gegeben. Weil gerade die Geschichte von St. Martin aktuell ist, der seinen Mantel mit einem armen Mann geteilt hat, möchte es jedem bedürftigen Menschen etwas abgeben. Seine Mama gibt ein paar Cent. Und ein Mann hat neulich in der Fußgängerzone auch eine Antwort gegeben. Er hat einer Frau, vermutlich aus Osteuropa, etwas gegeben. Kein Geld, sondern eine gefüllte Tüte vom Bäcker. Dazu sagte er: „Hier, das hilft Ihnen mehr!“Eine gute und menschliche Geste.