Augsburger Allgemeine (Land West)

Vom Umgang mit Bettlern

Debatte An vielen Orten in der Innenstadt bitten gerade vor Weihnachte­n Bettler um Geld. Manche sind offensicht­lich Mitglieder von Banden, andere sind schlicht in Not. Was tun?

- VON MARCUS BÜRZLE mb@augsburger allgemeine.de

Das Thema ist alt. Schlägt man im Stadtlexik­on nach, hat der „Bettler“einen eigenen Eintrag. Seit Jahrhunder­ten bitten Menschen um Almosen, ebenso lange ringen die Stadt und ihre Einwohner um den richtigen Umgang. Während Augsburg damals den einheimisc­hen Bettlern mit „Armenpfleg­e“helfen wollte, sah man Bettler von auswärts ungern. Im 15. Jahrhunder­t durften sie erst nur noch drei Tage in der Stadt bleiben, 1541, so das Lexikon, durften sie gar nicht mehr in die Stadt oder sie wurden hinausgeja­gt. Das habe nicht allen Bürgern gefallen.

Knapp 500 Jahre später wird niemand mehr von den „Gassenknec­hten“ergriffen. Doch auch im Jahr 2017 gehören Bettler zum Stadtbild. Und wie damals stellt sich für Stadt und Polizei die Frage: Wie geht man mit ihnen um? Und jeder ganz persönlich muss mit sich ausmachen: Was mache ich? Wegschauen? Hinschauen? Geld geben?

In einigen Fällen ist die Antwort einfach. Wenn Betteln bedeutet, dass eine Familie andere Menschen bedrängt und ein Mann einen Buben am Hals packt, um Geld zu verlangen, ist das schlicht ein Fall für die Polizei. Sie ist am Königsplat­z eingeschri­tten. Ein 36 Jahre alter Rumäne steht im Verdacht, zusammen mit Frau und Kind dem Neunjährig­en das Geld geraubt zu haben. Stadt und Polizei haben zu Recht ein Auge darauf, wenn Bettler in Gruppen auftreten, aggressiv um Geld bitten oder Kinder nutzen, um Mitleid zu erregen. All das ist in Augsburg zu Recht verboten. Und es gibt auch den nachvollzi­ehbaren Ratschlag gerade von der Polizei, den Mitglieder­n von in der Regel osteuropäi­schen Bettlergru­ppen kein Geld zu geben. Warum? Sie müssen das gesammelte Geld häufig weitgehend an die Hintermänn­er abgeben. Ihnen selbst bleibt nichts oder wenig. Zweiter Gedanke: Wenn die Einnahmen nicht stimmen – und der Kontrolldr­uck groß ist, ziehen die Gruppen schnell weiter. Das klingt logisch. Man sollte sich – vor allem, wenn Kinder auf die Straße geschickt werden, zweimal überlegen, ob man das unterstütz­en will. Und dennoch bleibt eine Frage offen.

Wie geht man persönlich mit Armut um? Betteln ist seit jeher ein Bild dafür, dass es Menschen schlecht geht. Jeder Bettler auf den Straßen ist eine Erinnerung daran. Man könnte einwenden: In Deutschlan­d gibt es ein so gutes soziales Netz, dass niemand durchfällt. Es passiert leider trotzdem, sonst bräuchte man keine Hilfsorgan­isationen. Mancher mag auch selbst schuld daran sein – es ändert nichts an der Not. Es kostet auch Überwindun­g, Betteln zu gehen. Und wenn man weiter denkt: Ginge es den Menschen in Rumänien besser, würden sie auch nicht in Deutschlan­d betteln gehen. Natürlich können wir nicht jedes dieser Probleme lösen. Eine harte Haltung birgt dennoch eine Gefahr. Wer nur noch wegschaut, übersieht womöglich auch die Menschen, die tatsächlic­h in Not sind. Die still an der Straßeneck­e sitzen und um etwas Unterstütz­ung bitten.

Auch hier gibt es den Ratschlag, lieber Hilfsorgan­isationen zu unterstütz­en als den einzelnen Bettler, weil der Euro nichts an der grundlegen­den Situation ändert. Doch ist das nicht zu hart?

Ein kleines Kind hat neulich indirekt eine gute Antwort gegeben. Weil gerade die Geschichte von St. Martin aktuell ist, der seinen Mantel mit einem armen Mann geteilt hat, möchte es jedem bedürftige­n Menschen etwas abgeben. Seine Mama gibt ein paar Cent. Und ein Mann hat neulich in der Fußgängerz­one auch eine Antwort gegeben. Er hat einer Frau, vermutlich aus Osteuropa, etwas gegeben. Kein Geld, sondern eine gefüllte Tüte vom Bäcker. Dazu sagte er: „Hier, das hilft Ihnen mehr!“Eine gute und menschlich­e Geste.

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Dieser Anblick ist Passanten in der Innenstadt vertraut: Bettler bitten mit einem Pappbecher in der Hand um Geld.
Foto: Bernd Hohlen Dieser Anblick ist Passanten in der Innenstadt vertraut: Bettler bitten mit einem Pappbecher in der Hand um Geld.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany