Augsburger Allgemeine (Land West)
„Ein Weiter so kann es nicht geben“
Interview Wie die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr eine Große Koalition bewertet
Die SPD-Führung hat entschieden, für Gespräche bereitzustehen, um die Regierungskrise in Berlin zu lösen. Wie beurteilen Sie als Augsburger SPD-Bundestagsabgeordnete diese Entscheidung?
Für die SPD gilt immer der Satz von Willy Brandt „Erst kommt das Land, dann die Partei.“Es gehört zu unserer demokratischen Kultur, sich Gesprächen nicht zu verweigern, Respekt und Kompromissbereitschaft zu zeigen. Den Appell des Bundespräsidenten nehme auch ich sehr ernst. Ich unterstütze darum die Entscheidung, Gespräche zu führen, wie es nach dem Scheitern von Merkel und ihren Jamaika-Partnern weitergehen soll.
Ulrike Bahr:
Wie stehen Sie selbst zu einer möglichen Großen Koalition?
Wir werden nicht leichtfertig Neuwahlen anstreben, sondern sind uns unserer Verantwortung sehr bewusst. Aber angesichts des Wahlergebnisses vom 24. September kann ich mir eine bloße Fortführung der Großen Koalition nicht vorstellen.
Bahr:
Warum nicht?
Ein bloßes „Weiter so“kann es nicht geben. Die Große Koalition hat gut gearbeitet und wichtige sozialdemokratische Projekte umgesetzt, die Gemeinsamkeiten zwischen Union und SPD sind jetzt aber weitgehend aufgebraucht. Die Sondierungsschwerpunkte der Union zeigen ebenfalls wenig Schnittmengen zur SPD. Darum sehe ich da momentan keine gemeinsame Idee und Basis für vier weitere gemeinsame Jahre.
Bahr:
Parteichef Martin Schulz will die Mitglieder über eine Regierungsbeteiligung abstimmen lassen. Wie erleben Sie als Augsburger SPD-Vorsitzende derzeit die Rückmeldungen der Parteibasis?
Bahr:
Von der Basis erreichen mich unterschiedliche Stimmen. Nach einem langen Wahlkampf wünschen sich allerdings nicht viele Neuwahlen, ohne vorher sorgfältig sondiert und verhandelt zu haben. In der nächsten Woche werden wir uns treffen, um mit den Ortsvereinen die Lage zu besprechen.
Interview: Michael Hörmann