Augsburger Allgemeine (Land West)
Moschee bleibt vorerst ohne Minarett
Die Muslimgemeinde in Bobingen hat ihr neues Zentrum bezogen. Einst war die Höhe des Turms ein bundesweites Streitthema. Das ist längst vergessen. Er wird jetzt trotzdem nicht gebaut
Die Muslimgemeinde in Bobingen hat ihr neues Glaubenszentrum bezogen. Einst war die Höhe des Turms ein bundesweites Streitthema. Das ist zwar längst vergessen, aber das Minarett wird nun trotzdem nicht gebaut. Mehr über die Gründe und die neue Moschee lesen Sie auf
Ein Streit der örtlichen Muslimgemeinde mit der Stadt Bobingen war in den 1990er-Jahren bundesweit ein Thema in den Medien, beschäftigte hohe Verwaltungsebenen und Juristen. Ein ehemaliger Gasthof nahe der Sportplätze im Osten der Max-Fischer-Straße war um 1990 nur als Provisorium bezogen und seither als Gebetshaus sowie Kulturzentrum genutzt worden. Der wenig schmuckvolle Bau, der mit seinem steilen Dach eher an ein in die Jahre gekommenes Wohnhaus erinnert, blieb jedoch bis heuer die Moschee der Gemeinde. Streitfrage war damals, ob die Stadt den Bau eines Minaretts neben dem Gebetshaus erlaubt. Denn ein Minarett gehöre zu jeder Moschee, so der damalige Imam. Schon damals sollte auf jeden Muezzin-Ruf und auf Lautsprecher verzichtet werden. In den Debatten über den Bauantrag ging es vor allem um die Höhe des Minaretts. 25 Meter sah der Plan vor, höchstens 15 Meter wollte der Stadtrat zubilligen. Offizielle Begründung: Jedes Bauvorhaben müsse sich in die Umgebung einfügen. Also war die Höhe der Industriebauten das Maß der Dinge. Die Aufsichtsbehörden sahen das lockerer. Doch der Stadtrat blieb hart.
Inoffiziell wurde der Bauantrag in Bobingen als Grundsatzproblem gesehen. Damals war die türkische Gemeinde auf elf Prozent Bevölkerungsanteil Die Tendenz schien einst steigend. Angst vor Überfremdung wurde laut und vor einem neuen Ortsbild. Auch wenn selbst der hohe Kamin von Trevira längst zur Stadtsilhouette gehörte, sollte der Kirchturm von St. Felizitas keine Konkurrenz bekommen.
Längst haben sich diese Wogen gelegt. Die Debatten sind vergessen. Mit der türkischen Gemeinde gibt es ein friedliches Zusammenleben, viele ihrer Kinder sind in Bobingen groß geworden, leben und arbeiten hier, haben hier selbst schon Kinder aufgezogen.
Pläne für eine neue Moschee wurden mehrfach geschmiedet, zur Seite gelegt, verworfen und neu skizziert. Nun ist die neue Moschee tatsächlich nahezu fertig. 2014 hatten die Bauarbeiten begonnen, keine Streitfragen und keine Zwischenfälle haben die Bauarbeiten getrübt.
Architekt Alen Jasarevic hatte ein modernes Konzept entwickelt, welches viel Transparenz zeigt, Offen- heit nach innen und außen symbolisieren soll, Tageslicht auch in Räume im Inneren des winkelförmigen Bauwerks einfließen lässt. Kein Bau nach orientalischem Bilderbuch ist entstanden, sondern moderne Architektur wurde zum Blickfang zwischen Lagerhallen und Chemiefabrik.
Die Umsetzung hat lange gedauert. Wohl erst im kommenden Frühjahr werden auch die Außenanlagen fertig und die Inneneinrichtung komplett sein. Dann soll es ein Eröffnungsfest geben.
Dass alles seine Zeit braucht, hat nicht nur mit der Architektur zu tun, den vielen Bögen, den wenigen rechten Winken und den zahlreichen Lichtdurchlässen. Es ist auch eine Frage des Geldes. Senol Isci, der Vorsitzende der türkische-islamischen Gemeinde, hatte mit mehr Spendengeldern in kürzerer Zeit gerechnet. Immerhin: 60 Prozent der Kosten seien inzwischen gedeckt. Doch 40 Prozent müssten die Mitangewachsen. glieder noch aufbringen. Das bedeute 40 Prozent von rund 1,5 Millionen Euro. Senol Isci: „Nein, aus der Türkei haben wir keinen Cent bekommen, auch von der Zentrale in Köln keinen Cent. Wir bringen das ganze Geld selbst auf.“Mit der Zentrale meint er den Dachverband Ditib der türkisch-islamischen Gemeinden in Deutschland, welche vom türkischen Staat Vorbeter geschickt bekommen.
Ein Minarett würde die Gemeinde weitere 70 000 Euro kosten. Die Pläne dafür wurden daher vorerst zwei Jahre zurückgestellt. Sie sehen eine 18 Meter hohe Säule auf dem Vorplatz an der Max-Fischer-Straße vor. Auch dafür hat sich Architekt Alen Jasarevic eine moderne Gestaltung einfallen lassen: Da kein Gebetsruf nach außen erschallen soll, schlingt sich dieser auf dem Modell als arabischer Schriftzug um den Turm, der nachts von innen leuchten sollte. Doch vorerst bleiben die großen, markanten Fenster das Kennzeichen der neuen Moschee. Die Gruppenräume für Hausaufgabenbetreuung, Frauentreffen und Familienfeste würden schon genutzt, ebenso der große Gebetsraum, so Senol Isci. Zum Freitagsgebet kämen 200 bis 300 Menschen. Zu den fünf Gebeten pro Tag seien es ansonsten nur 20 bis 30, berichtet er – „vor allem Rentner“. Insgesamt zähle die Gemeinde 600 Familien mit zusammen knapp 2000 Menschen aus den Gebieten um Bobingen und Schwabmünchen als Mitglieder. Königsbrunn hat eine eigene Gemeinde. Parkplatznot kennt die Moschee in Bobingen dennoch nicht. 40 Stellplätze gibt es auf dem Freigelände. Wenn das nicht reicht, wird der Vorplatz genutzt.