Augsburger Allgemeine (Land West)
Backspätzle nach dem Rezept der Oma
Unser Essen Ingrid Keiß fertigt in Bonstetten acht bis zehn Kilogramm Backspätzle pro Woche. Was sie von den Backerbsen aus dem Supermarkt unterscheidet. Serie, Teil 22
Ingrid Keiß steht an ihrem freien Tag oft einige Stunden in der Küche. Dort verarbeitet sie alles, was in der Landwirtschaft ihres Bruders so anfällt. Die Produktvielfalt umfasst das, was in vielen Hofläden zu finden ist: Nudeln, Marmelade, Eingemachtes, Likör. Doch ein Produkt ist eine kleine Besonderheit: Ingrid Keiß fertigt auch Backspätzle in Eigenregie an. Schnell nach der Eröffnung des Hofladens im Jahr 2003 nahmen sie und ihr Bruder Georg Keiß die Backspätzle mit ins Sortiment. Was sie von den klassischen Backspätzle – den Backerbsen aus dem Supermarktregal – unterscheidet, ist der Teig: Die Bonstetter Backspätzle sind auch Spätzleteig.
„Bereits meine Oma hat Backspätzle so gemacht. Bei meiner Mutter habe ich auch regelmäßig zugesehen“, erinnert sich die 50-Jährige. Im Vergleich zum Brandteig, aus dem Backspätzle normalerweise hergestellt werden, haben die Bonstetter Backspätzle einen entscheidenden Vorteil: Sie weichen nicht gleich auf, wenn sie in die Suppe fallen, sondern sind deutlich länger knusprig. Das wissen auch die Kunden zu schätzen. „Es gibt sogar Kunden, die ein Päckchen zum Knabbern vor dem Fernseher kaufen und ein weiteres als Suppeneinlage“, berichtet Georg Keiß von den Gesprächen mit Kunden im Hofladen oder auf Märkten.
Der Hofladen ist am Freitagnachmittag und am Samstagvormittag geöffnet. Dort ist meist der 62-Jährige selbst anzutreffen. Die Arbeit mit den Hühnern, die Kartoffelernte, das Früchtebrocken sowie das Verpacken und Etikettieren der selbst hergestellten Produkte – das sind die Aufgaben von Georg Keiß. So fordert Ingrid Keiß ihren Bruder nicht selten am Sonntagnachmittag nach dem Kaffee dazu auf, die fertig getrockneten Nudeln abzupacken.
Im Gegensatz zu den Nudeln müssen die Backspätzle nicht lange Zeit trocknen, sondern nur abkühlen. Am Backspätzle-Tag fertigt Ingrid Keiß aus Mehl, Eiern, Milch und Salz den Spätzleteig. Ihre Küche befindet sich im Keller ihrer Schwägerin und ihres zweiten Bruders und ist ausgerüstet wie jede reguläre Küche auch. Nur der Trocknungswagen mit Nudeln lässt ver- muten, dass hiervon mehr als nur eine Familie mit Teigwaren versorgt wird. Am Spätzletag wird also zunächst der Teig hergestellt. Im Winter, zur klassischen Suppensaison, fertigt Ingrid Keiß acht bis zehn Kilogramm Backspätzle am Tag. Den Teig rührt sie nach Augen- und Tassenmaß an. Zehn Tassen Mehl, etwas Salz, etwa zehn bis zwölf Eier und Milch ergeben eine Teigportion, die die Küchenmaschine gut stemmen kann. Die Haushaltsmaschine mischt die Zutaten zusammen, und Ingrid Keiß kontrolliert die Konsistenz des Teiges. Der Kochlöffeltest zeigt: Der Teig ist leicht zäh – perfekt für die SpätzleProduktion.
Den Spätzlehobel platziert Ingrid Keiß nun auf der vorgeheizten Fritteuse. Damit der Hobel hält, hat ein Bekannter ihr extra eine Spezialvorrichtung gebaut, um den Hobel einzuhängen. Nun wird der Spätzleteig direkt ins Fett gehobelt. Die Backspätzle schwimmen darin, werden regelmäßig mit einer Kelle gewendet und zusehends brauner. „Zu braun dürfen sie nicht werden“, warnt Georg Keiß. Denn wenn sie erst aus der Fritteuse genommen werden, dunkeln sie noch einmal nach. Ist der gewünschte Bräunungsgrad erreicht, holt Ingrid Keiß die Backspätzle mit der Kelle aus dem Fett. In einer Schale tropfen sie ab. In einem Korb kühlen sie aus. Bis sie ganz ausgekühlt sind und in Tüten mit je 180 Gramm Füllung abgepackt werden können, kann Ingrid Keiß sich eine kleine Pause gönnen. Nach einer Tasse Kaffee sind die Backspätzle kalt genug, um abgepackt und etikettiert zu werden.
Jetzt sind die Tüten bereit für den Hofladen. Diesen hat das Geschwisterpaar Keiß aus zwei ganz pragmatischen Gründen eröffnet: Zum einen gab es außer einem Bäcker keine Einkaufsmöglichkeit im Ort. Zum anderen gab es in der Anfangszeit des Hofladens keinen Nachfolger für die eigene Landwirtschaft. Dies ist heute anders, denn der Neffe des Geschwisterpaars wird Landwirtschaft und Hofladen im Nebenerwerb fortführen. Stück für Stück soll der Viehbestand auslaufen, die bewirtschaftete Fläche bleibt hingegen bestehen. In der aktuellen Größe der Landwirtschaft könne man keine Familie von den Erträgen ernähren, erklärt der 62-Jährige. Ein Investment in einen größeren Stall sei ohne Zukunftsperspektive nicht sinnvoll.
Und so entschieden sich Georg und Ingrid Keiß dazu, mit dem Hofladen eine andere Einkommensquelle zu erschließen. An Ideen mangelt es ihnen nicht. Neben traditionellen Rezepten wie den Backspätzle nach dem Rezept der Oma gibt es Nudeln in ganz verschiedenen Geschmacksrichtungen, von Kräuter bis Chili. Auch mit einem Rotwein-Nudelteig haben sie schon experimentiert. Die Knoblauch-Variante, die einst ein Kunde angefragt hat, geht Georg Keiß ebenfalls nicht mehr aus dem Sinn.