Augsburger Allgemeine (Land West)
Eine gefährliche Diät
Ernährung Kein Brot, keine Nudeln, kein Zucker, dafür aber viel Fett – eine ketogene Lebensweise ist mit Vorsicht zu genießen. Ihr Einsatz gegen Krebs ist zweifelhaft. Wo sie hilft
Augsburg
Eier mit Speck, Avocado mit Crème fraîche, Hähnchen mit Käsekruste: Gerichte wie diese könnten bei einer ketogenen Diät auf dem Plan stehen. Klingt lecker? Zunächst vielleicht. Doch nach ein paar Tagen haben die meisten Menschen genug von derart fetthaltigen Speisen. „Die Keto-Diät ist so extrem, dass sie sich nur schwer umsetzen und durchhalten lässt“, sagt Nicole Erickson, Ernährungswissenschaftlerin und Diätassistentin am Krebszentrum der Universität München. Man nimmt dabei nämlich sehr viel Fett, aber nur wenige Kohlenhydrate zu sich. Bei manchen Stoffwechselkrankheiten sowie bei Epilepsie kann sie sehr nützlich sein. Ob die Ernährungsweise aber auch bei anderen Krankheiten, etwa Alzheimer, Multiple Sklerose oder Krebs hilft, ist unklar.
Seit ein paar Jahren ist die ketogene Diät nicht nur unter Ernährungswissenschaftlern ein viel diskutiertes Thema. „In den USA gibt es derzeit einen richtigen Hype um die ketogene Diät“, sagt der Ernährungswissenschaftler Tobias Fischer von der FH Münster. „Sie soll rundum gesund sein und bei allen möglichen Ernährung langsam umzustellen und auch zum Beispiel die Blutwerte zu messen.“Die Patienten müssen regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel nehmen, um einen Vitaminoder Mineralstoffmangel zu vermeiden. Aber auch nach einer gelungenen Umstellung brauchen Familien sehr viel Disziplin. Der Neurologe Elger betont: „Schon ein Müsliriegel bedeutet eine Therapieunterbrechung und kann schwere Anfälle nach sich ziehen.“Warum die Ernährungsweise die Zahl der Anfälle oft verringert, ist unklar. Wahrscheinlich spielen mehrere Mechanismen eine Rolle. Unter anderem gehen Forscher davon aus, dass die Ketone selbst eine krampfhemmende Wirkung im Gehirn entfalten, indem sie die Übererregbarkeit der Nervenzellen drosseln.
Unbestritten ist die Wirksamkeit der Keto-Diät außerdem bei seltenen Stoffwechselstörungen wie der Glukosetransporter-Störung. Dabei führt ein defekter Zuckertransporter dazu, dass eine Art Energiekrise im Gehirn entsteht, die unter anderem zu Krampfanfällen führt. Dieser Zustand lässt sich vermeiden, wenn man den Glukosestoffwechsel mithilfe der ketogenen Ernährung umgeht. „Hier ist die Keto-Diät die Therapie der Wahl“, betont Elger.
Vielleicht hat die Ernährungsweise noch mehr Potenzial. Ermutigt von der positiven Wirkung bei Epilepsie untersuchen Wissenschaftler derzeit, ob die Diät auch bei anderen neurologischen Krankheiten, etwa Alzheimer, Multiple Sklerose oder Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) helfen kann. „Wirklich erwiesen ist aber nichts“, betont Ernährungswissenschaftler Fischer.
Auch darüber, wie sich die Ernährungsweise bei Krebs-Patienten auswirkt, weiß man wenig. Anhänger der Keto-Diät gehen davon aus, dass sich Tumorzellen von Zucker ernähren. Eine kohlenhydratarme Ernährung soll sie „aushungern“. Doch das sei eine Hypothese, die sich nur auf Tier- und Laborversuche beziehe, erklärt die Münchner Ernährungsexpertin Erickson. Krebspatienten droht dagegen bei Selbstversuchen Mangelernährung und Gewichtsabnahme. Das sei für die Patienten fatal: „Dadurch verschlechtert sich ihre Prognose.“