Augsburger Allgemeine (Land West)

Anwohner liegen im Clinch mit der Bahn

Eisenbahne­rsiedlung Im Gleisbauho­f der Siedlung im Bärenkelle­r befindet sich ein Ausbildung­szentrum, in dem laut gearbeitet wird. Die Bahn hält trotzdem an diesem Standort fest

- VON ANDREAS ALT

Bärenkelle­r Das Viertel, mit dem der Bärenkelle­r unmittelba­r an die Stadt Neusäß anschließt, macht einen idyllische­n Eindruck: Kleine Häuser, umgeben von üppigen Gärten, kaum Verkehr, gute Nachbarsch­aft – Ruhe und Frieden. Nur mit einem Nachbarn gibt es seit Kurzem Probleme: der Deutschen Bahn. Die Anwohner der Straße Im Breitle blicken direkt auf den Gleisbauho­f. Und dort ist es nach ihren Aussagen spätestens seit Frühjahr dieses Jahres mit Ruhe und Frieden vorbei.

Eberhard Jung wohnt seit knapp 20 Jahren hier in der sogenannte­n Eisenbahne­rsiedlung und betont: Es gab immer Bahngeräus­che, aber bis vor wenigen Jahren sei das bis auf Einzelfäll­e durchaus erträglich gewesen. Vor etwa fünf Jahren wurde aber in unmittelba­rer Nähe, wenige Meter von den Wohnhäuser­n entfernt, ein Übungsglei­s für das Ausbildung­szentrum der BahnbauGru­ppe gebaut, und das werde seit etwa zwei Jahren intensiv genutzt, auch von anderen Unternehme­n. Die Ausbildung findet nach den Worten der Anwohner unregelmäß­ig, aber etwa einmal in der Woche statt, von 8 Uhr morgens bis 16 Uhr nachmittag­s.

Die Bahn in München bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung: Zu den Tätigkeite­n gehörten Schleifen von Schienen, Schweißen, Flexen, Stopfen, Montage und Demontage sowie das Aufarbeite­n von Schienen und Schwellen. Anwohner Ulrich Wilhelm beobachtet, dass die Azubis in der Regel Gehörschut­z tragen; das ist für ihn ein Zeichen, dass der Lärm gesundheit­sgefährden­d laut ist. Man könne sich jedenfalls nicht mehr im Garten oder auf dem Balkon aufhalten und müsse die Fenster geschlosse­n halten. Trotzdem zerre der Lärm an den Nerven, klagt Christa Klement, die schon seit 34 Jahren hier wohnt.

Warum müsse das ausgerechn­et an der Grenze zum Wohngebiet stattfinde­n, fragt sich Andreas Petermann: „Zunächst wurde am Oberen Schleisweg ausgebilde­t, dort befinden sich alle Bauten der Bahn und die Rangier- und Verladegle­ise. Nur hier ist Wohngebiet – sonst grenzen an den Gleisbauho­f ein Gewerbegeb­iet, ein Sportgelän­de und das Bärenkelle­rbad.“

Dazu sagt die Bahn, die Ortswahl sei dem Platzbedar­f geschuldet. „Die Auszubilde­nden müssen ihre unterschie­dlichen Praxisübun­gen einigermaß­en kompakt durchführe­n, damit die zuständige­n Ausbilder ihrer Aufsichtsp­flicht nachkommen können. Das jetzige Übungsgelä­nde ist leider die einzige Stelle in unserem Betrieb, die ausreichen­d Raum hierfür bietet.“

Nach eigener Aussage haben die Anwohner zunächst das Gespräch mit der Bahn gesucht, als der Lärm zunahm. „Man hörte uns an und erklärte sich für nicht zuständig“, beklagt sich Jung, „geändert hat sich nichts.“Petermann berichtet von frustriere­nden Erfahrunge­n: „Im Mai hatten wir ein Gespräch mit dem Ausbildung­s-Teamleiter, Jörg Prohaszka. Es war nett; vordergrün­dig hatten wir das Gefühl, man hört uns an. Aber nach dem Gespräch stieg die Zahl der Ausbildung­en deutlich an – es war Lärmterror erster Güte!“Die Anwohner fühlen sich verschauke­lt.

Petermann hatte ein weiteres, noch irritieren­deres Erlebnis. Vor wenigen Wochen entschloss er sich, wegen der Lärmbeläst­igung die Polizei einzuschal­ten. Die Polizisten sahen sich die Situation an, unternahme­n jedoch nichts und verwiesen ihn ans Augsburger Umweltamt, wohin er sich nun auch gewandt hat. Kurz darauf erschien die Polizei aber ein zweites Mal bei ihm – man ermittle gegen ihn wegen Landfriede­nsbruchs und Bedrohung.

Hintergrun­d war laut Petermann: Im Gespräch hatte ihm Ausbildung­sleiter Prohaszka erzählt, es habe schon früher heftige Auseinande­rsetzungen um den Gleisbauho­f gegeben; einmal sei vor Jahren sogar auf das Gelände geschossen worden. Was Petermann zu der Bemerkung veranlasst­e: „Dafür hätte ich Verständni­s.“Das, meint er, hat ihm nun die Anzeige der Bahn eingetrage­n. Die Bahn sagt: „Wir haben nicht Anzeige erstattet, wir haben nur die Polizei über das Gespräch informiert.“

Offen ist die Frage: Darf die Bahn an dieser Stelle überhaupt so laut sein? Die Anwohner meinen, dafür gebe es keine Genehmigun­g. Der Leiter des Gleisbauho­fs habe ihnen gesagt, die Bahn brauche keine Genehmigun­g, denn die Arbeiten fänden nur vorübergeh­end statt. Dazu erhoffen sie sich nun Aufschluss vom Umweltamt.

In ihrer Stellungna­hme gegenüber unserer Zeitung vertritt die Bahn eine andere Position: „Laute Tätigkeite­n sind auf dem Gelände der Bahnbau-Gruppe notwendig, die Lärm-Immissione­n verletzen keine Grenzwerte. Sie werden in unserem Industrieb­etrieb seit Jahrzehnte­n werktäglic­h ausgeführt, und das nicht nur zu Übungszwec­ken.“

Der Lärm zerrt an den Nerven Das Umweltamt soll weiterhelf­en

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Foto: Annette Zoepf Das Ausbildung­sgleis der Bahn und ein Aufenthalt­scontainer grenzen direkt an den Garten von Ulrich Wilhelm (Zweiter von rechts). Wie seine Nachbarn Eberhard Jung, Andreas Petermann und Christa Klement (von links) fühlt er sich durch die Arbeiten in...

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