Augsburger Allgemeine (Land West)
Anwohner liegen im Clinch mit der Bahn
Eisenbahnersiedlung Im Gleisbauhof der Siedlung im Bärenkeller befindet sich ein Ausbildungszentrum, in dem laut gearbeitet wird. Die Bahn hält trotzdem an diesem Standort fest
Bärenkeller Das Viertel, mit dem der Bärenkeller unmittelbar an die Stadt Neusäß anschließt, macht einen idyllischen Eindruck: Kleine Häuser, umgeben von üppigen Gärten, kaum Verkehr, gute Nachbarschaft – Ruhe und Frieden. Nur mit einem Nachbarn gibt es seit Kurzem Probleme: der Deutschen Bahn. Die Anwohner der Straße Im Breitle blicken direkt auf den Gleisbauhof. Und dort ist es nach ihren Aussagen spätestens seit Frühjahr dieses Jahres mit Ruhe und Frieden vorbei.
Eberhard Jung wohnt seit knapp 20 Jahren hier in der sogenannten Eisenbahnersiedlung und betont: Es gab immer Bahngeräusche, aber bis vor wenigen Jahren sei das bis auf Einzelfälle durchaus erträglich gewesen. Vor etwa fünf Jahren wurde aber in unmittelbarer Nähe, wenige Meter von den Wohnhäusern entfernt, ein Übungsgleis für das Ausbildungszentrum der BahnbauGruppe gebaut, und das werde seit etwa zwei Jahren intensiv genutzt, auch von anderen Unternehmen. Die Ausbildung findet nach den Worten der Anwohner unregelmäßig, aber etwa einmal in der Woche statt, von 8 Uhr morgens bis 16 Uhr nachmittags.
Die Bahn in München bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung: Zu den Tätigkeiten gehörten Schleifen von Schienen, Schweißen, Flexen, Stopfen, Montage und Demontage sowie das Aufarbeiten von Schienen und Schwellen. Anwohner Ulrich Wilhelm beobachtet, dass die Azubis in der Regel Gehörschutz tragen; das ist für ihn ein Zeichen, dass der Lärm gesundheitsgefährdend laut ist. Man könne sich jedenfalls nicht mehr im Garten oder auf dem Balkon aufhalten und müsse die Fenster geschlossen halten. Trotzdem zerre der Lärm an den Nerven, klagt Christa Klement, die schon seit 34 Jahren hier wohnt.
Warum müsse das ausgerechnet an der Grenze zum Wohngebiet stattfinden, fragt sich Andreas Petermann: „Zunächst wurde am Oberen Schleisweg ausgebildet, dort befinden sich alle Bauten der Bahn und die Rangier- und Verladegleise. Nur hier ist Wohngebiet – sonst grenzen an den Gleisbauhof ein Gewerbegebiet, ein Sportgelände und das Bärenkellerbad.“
Dazu sagt die Bahn, die Ortswahl sei dem Platzbedarf geschuldet. „Die Auszubildenden müssen ihre unterschiedlichen Praxisübungen einigermaßen kompakt durchführen, damit die zuständigen Ausbilder ihrer Aufsichtspflicht nachkommen können. Das jetzige Übungsgelände ist leider die einzige Stelle in unserem Betrieb, die ausreichend Raum hierfür bietet.“
Nach eigener Aussage haben die Anwohner zunächst das Gespräch mit der Bahn gesucht, als der Lärm zunahm. „Man hörte uns an und erklärte sich für nicht zuständig“, beklagt sich Jung, „geändert hat sich nichts.“Petermann berichtet von frustrierenden Erfahrungen: „Im Mai hatten wir ein Gespräch mit dem Ausbildungs-Teamleiter, Jörg Prohaszka. Es war nett; vordergründig hatten wir das Gefühl, man hört uns an. Aber nach dem Gespräch stieg die Zahl der Ausbildungen deutlich an – es war Lärmterror erster Güte!“Die Anwohner fühlen sich verschaukelt.
Petermann hatte ein weiteres, noch irritierenderes Erlebnis. Vor wenigen Wochen entschloss er sich, wegen der Lärmbelästigung die Polizei einzuschalten. Die Polizisten sahen sich die Situation an, unternahmen jedoch nichts und verwiesen ihn ans Augsburger Umweltamt, wohin er sich nun auch gewandt hat. Kurz darauf erschien die Polizei aber ein zweites Mal bei ihm – man ermittle gegen ihn wegen Landfriedensbruchs und Bedrohung.
Hintergrund war laut Petermann: Im Gespräch hatte ihm Ausbildungsleiter Prohaszka erzählt, es habe schon früher heftige Auseinandersetzungen um den Gleisbauhof gegeben; einmal sei vor Jahren sogar auf das Gelände geschossen worden. Was Petermann zu der Bemerkung veranlasste: „Dafür hätte ich Verständnis.“Das, meint er, hat ihm nun die Anzeige der Bahn eingetragen. Die Bahn sagt: „Wir haben nicht Anzeige erstattet, wir haben nur die Polizei über das Gespräch informiert.“
Offen ist die Frage: Darf die Bahn an dieser Stelle überhaupt so laut sein? Die Anwohner meinen, dafür gebe es keine Genehmigung. Der Leiter des Gleisbauhofs habe ihnen gesagt, die Bahn brauche keine Genehmigung, denn die Arbeiten fänden nur vorübergehend statt. Dazu erhoffen sie sich nun Aufschluss vom Umweltamt.
In ihrer Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung vertritt die Bahn eine andere Position: „Laute Tätigkeiten sind auf dem Gelände der Bahnbau-Gruppe notwendig, die Lärm-Immissionen verletzen keine Grenzwerte. Sie werden in unserem Industriebetrieb seit Jahrzehnten werktäglich ausgeführt, und das nicht nur zu Übungszwecken.“
Der Lärm zerrt an den Nerven Das Umweltamt soll weiterhelfen