Augsburger Allgemeine (Land West)
Baurecht für die riesige E Tankstelle
Marktrat Zusmarshausen stimmt endgültig zu. Es gibt noch mehr Großprojekte – und Kritik an den Marathonsitzungen
Zusmarshausen
Megaprojekte wie der nach Einschätzung von Experten modernste Kindergarten im westlichen Landkreis sowie eine der größten E-Ladestellen weltweit fordern anscheinend ihren Tribut. Denn die Sitzung des Zusmarshauser Marktrats am Donnerstagabend ist nicht nur mit einer langen Tagesordnung einhergegangen, sondern von einer heftigen Debatte um die Dauer solcher Zusammenkünfte begleitet worden. In der ersten öffentlichen Beratungsstunde nach bereits zwei Stunden im nichtöffentlichen Teil zuvor forderte Harry Juraschek (SPD) bei einem Antrag zur Geschäftsordnung eine Beendigung bis 22 Uhr. Weitere wichtige Themen dürften danach nicht mehr behandelt werden und sollten, so Juraschek, auf einen nächsten Sitzungstag verlegt werden. Damit eröffnete er eine neue Runde im schon seit Monaten schwelenden Streit um nächtliche „Marathonsitzungen“.
Wie berichtet, hatte es um die Länge der Ratsversammlungen bereits zu Jahresbeginn Kritik und Zweifel in allen Fraktionen gegeben, wurden nach Einschätzung von Juraschek bislang aber nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. Jetzt legte der streitbare Sozialdemokrat kräftig nach, indem er Bürgermeister Bernhard Uhl vor allem mit Statistiken anging. So habe es in der vorhergehenden Legislaturperiode insgesamt 85 Ratssitzungen gegeben, in der laufenden sei man bereits kurz nach der Halbzeit bei 65 angelangt. Mehr als die Hälfte der bisherigen Termine seien weit überzogen gewesen. Die Themenliste habe sich mit der Zeit verdoppelt.
Man habe bei der ersten Besprechung vor einigen Monaten Besserung gelobt, passiert sei aber kaum etwas. Juraschek: „Es geht mir nicht darum, früher nach Hause zu kommen, sondern vielmehr um den Umstand, dass wir zu später Nachtzeit dann noch über wichtige Sachen zu entscheiden haben.“Hintergrund: Viele am Tisch sind selbstständig und führen einen Betrieb, was dazu führt, dass sie nach einem langen Arbeitstag mit Beratungen bis um die Mitternachtszeit an Grenzen stoßen können.
Uhl, der dafür bekannt ist, E-Mail-Anfragen schon zur Zeit der ersten Hahnenschreie zu bearbeiten, war über die deutlichen Einlassungen dennoch wenig „amused“. Sicht- wie hörbar und unter der besonderen Aufmerksamkeit einiger Referenten und Besucher reagierte der Bürgermeister mit der Gegenfrage, ob man „Zusmarshausen voranbringen oder um zehn Uhr abends hier fertig sein möchte?“Beim Bau zum Beispiel könne man auch nicht einfach so aufhören.
Alfred Hegele (CSU) sprang Juraschek allerdings bei, indem er ihm Recht gab, aber: „Ich arbeite ohnehin schon am Limit, aber jetzt aufzuhören und eine weitere Sitzung am nächsten Tag dranzuhängen, geht nicht.“Kritisch zu den Vorschlägen gab sich Thomas Günther (FW), der vor den zusätzlichen Kosten durch weitere Beratungseinheiten warnte: „Ich weiß auch nicht, wie ich mir dann einen weiteren Tag aus der Rippe schneiden sollte“, gab er zu verstehen und erinnerte „an die wichtigen Projekte, die wir jetzt an der Backe haben“.
Dazu gehören unter anderem der fünfeinhalb Millionen teure Kindergarten, bei dem die Räte in Anwesenheit des Augsburger Architekten Hubert Blasi traditionsgemäß sehr ins Detail gingen. Das Haus in Massivbauweise für fast 160 Buben und Mädchen soll nach einer Mehrheitsentscheidung eine Fichtenaußenfassade mit deckendem Silikatanstrich für rund 36000 Euro erhalten. Der Rat sprach sich ebenso für eine umweltfreundliche Holzfaserdämmung aus, „ein natürliches Produkt“, für das zuvor Experte und Baubiologe Karl Sendlinger geworben hatte. Einig war sich die Runde bei der Anschaffung einer knapp 15000 Euro kostenden Photovoltaikanlage mit 33 PV-Modulen. Dabei machten sich Wolfgang Neff (CSU) und Richard Hegele (SPD) besonders Gedanken um mögliche Elektrosmogauswirkungen auf die Kleinen. Sie werden sich unter anderem an einer Hangrutschen-Vorrichtung für 5000 Euro austoben können, die ursprünglich eingespart werden sollte. Dafür verzichten die kostensensiblen Bürgervertreter auf eine aufwendige Sitztreppenreihe im Norden der Anlage, die 25000 Euro gekostet hätte.
In ganz anderen Dimensionen bewegt sich das Projekt des SortimoInnovationsparks zur Elektromobilität, das der Gemeinderat mit seinem Plan-Beschluss jetzt endgültig auf die Reise schickte. Für eine Investitionssumme im zweistelligen Millionenbereich sollen an der Autobahn unter anderem eine der weltgrößten Ladestationen und Forschungsbereiche entstehen. Der Investor verfügt mit der Entscheidung bei der „Marathonsitzung“(Ende 23.45 Uhr) nun über Baurecht für das Megavorhaben.