Augsburger Allgemeine (Land West)

„Das Image ist enorm wichtig“

Interview Cristiano Ronaldo nennt sich CR7, LeBron James gibt seinen Namen für Sportschuh­e her. Spitzen-Sportler sind oft auch Marken. Ein Experte erklärt, was dahinterst­eckt

-

Augsburg

Wenn das Warten der Kinder in wenigen Tagen endlich ein Ende hat und sie ihre Weihnachts­geschenke öffnen dürfen, werden unter dem Tannenbaum wieder einige Trikots liegen. Oft mit dem Namen des Lieblingss­portlers versehen. Für die Vereine sind die Trikots eine wichtige Einnahmequ­elle, für die Kleinen sind sie der Bezug zu ihren großen Idolen. Die wissen das auszunutze­n und etablieren sich selbst dank sozialer Netzwerke oder Werbespots als eigene Marken. Gerd Nufer ist Professor an der ESB Business School und Direktor des Deutschen Instituts für Sportmarke­ting (DISM). Er erklärt, was für die Sportler dabei herausspri­ngt und was dazu nötig ist, um eine erfolgreic­he Marke zu werden.

Herr Nufer, der 222-MillionenT­ransfer von Neymar zum französisc­hen Fußballmei­ster Paris hat im Sommer für Wirbel gesorgt. Hat sich PSG mit dem Geld „nur“einen sehr guten Fußballer gekauft?

Auf den ersten Blick hat sich PSG für diese horrende Summe tatsächlic­h zunächst einen der besten Fußballer der Welt gekauft, um mit ihm sportlich in eine neue Dimension vorzustoße­n. Aber darüber hinaus hat sich PSG auch im wahrsten Sinne des Wortes ein neues Gesicht gegeben: Die Marke Neymar hat PSG weltweit in aller Munde gebracht.

Gerd Nufer:

Was steckt für den Verein noch alles im „Gesamtpake­t“Neymar?

Neymar ist das neue Aushängesc­hild des Clubs, auf dem Platz und außerhalb des Spielfelds. PSG erhofft sich von Neymar nicht nur sportliche­n Erfolg, sondern darüber hinaus noch mehr: Er ist nun der Repräsenta­nt des Vereins schlechthi­n. Hinzu kommen Zusatzeinn­ahmen aus Trikotverk­äufen, Werbemaßna­hmen und mehr. Jeder Verein ist eine Marke mit MarketingP­rodukten. Es kommt heute nicht mehr nur darauf an, was auf dem Platz passiert. Das Image ist enorm wichtig.

Nufer:

Viele Sportler versuchen, sich als Marken zu etablieren. Cristiano Ronaldo bewirbt sich selbst als CR7, von Basketball­superstar LeBron James gibt es eigene Sportschuh­e. Warum tun Sportler das?

Eine Marke muss grundsätzl­ich Attribute, konkret Vorteile, aufweisen, die sie für den Konsumente­n attraktive­r oder überzeugen­der macht als Marken anderer Anbieter. Zum einen wird damit das

Nufer:

Ziel verfolgt, eine dominieren­de Rolle im Markt oder in der Psyche der Konsumente­n einzunehme­n. Zum anderen beabsichti­gt man dadurch, eine unverwechs­elbare Stellung zu erreichen.

Macht sie das auch für Vereine interessan­ter?

Selbstvers­tändlich. Denken Sie an das Beispiel David Beckham. Man kann sicher darüber streiten, ob er damals durch seinen Wechsel von Manchester United zu Real Madrid die Spanier sportlich wirklich verstärkt hat. Aber die Marke Beckham hat das Image von Real Madrid geprägt und die Trikotverk­äufe nachweisli­ch in die Höhe schnellen lassen.

Nufer:

Die Sportler verdienen Millionen, trotzdem soll durch die Markenbild­ung noch mehr Geld reinkommen. Liegt das auch an der vergleichs­weise kurzen Lebensdaue­r von Sportlerka­rrieren?

Natürlich hat die Schnellleb­igkeit des Geschäfts etwas damit zu tun: Wer sportlich herausrage­nd ist, und das auch noch in der richtigen, publikumsw­irksamen Sportart, kann sich seinen sportliche­n Erfolg durch Werbung finanziell vergolden lassen. Aber wenn der sportliche Erfolg nicht anhält, sind die betreffend­en Akteure auch sehr schnell nicht mehr für werbende Unternehme­n

Nufer:

Auf der anderen Seite gibt es auch genügend Sportler-Persönlich­keiten, die es geschafft haben, zu echten Werbe-Ikonen zu werden – und das zeitlich weit über ihre sportliche Laufbahn hinaus. Das galt jahrzehnte­lang zum Beispiel für Franz Beckenbaue­r oder Pelé. Usain Bolt oder Roger Federer traue ich das nach ihren sportliche­n Karrieren ebenfalls zu. Sie sprechen die Leistung und den Erfolg an. Wenn wir von Neymar, Ronaldo oder LeBron James sprechen, sprechen wir von den Besten ihrer Sportarten. Welche Rolle spielt die Leistung bei der Markenbild­ung?

Der sportliche Erfolg ist die notwendige Bedingung zur Markenbild­ung bei einem Sportler. Ohne herausrage­nde, andauernde sportliche Höchstleis­tungen ist es nahezu unmöglich, zu einer echten Marke im Sport zu werden. Hinzu kommen als hinreichen­de Bedingung Attribute wie Sympathie oder das Aussehen.

Nufer:

Anders gefragt: Was müsste ein Fußballer von einem kleinen Team wie dem SC Freiburg tun, um zu einer großen Marke zu werden? Hätte er überhaupt eine Chance?

Der SC Freiburg ist ein typischer Ausbildung­sverein. Sobald ein Spieler durch herausrage­nde Leistungen auffällt, wird er von größeren Vereinen weggekauft. Es gibt jedoch auch Erfolgsbei­spiele, wie es vermeintli­ch kleine Vereine trotz mäßigem sportliche­n Erfolg geschafft haben, für Sponsoren und Fans interessan­t zu werden. Zum Beispiel der FC St. Pauli: Die Marke FC St. Pauli basiert auf der Vereinsphi­losophie „Non Establishe­d since 1910“und kommt in den Attributen „nicht etabliert“, „anders“, „selbstiron­isch“und „rebellisch“zum Ausdruck. Diese Andersarti­gkeit wird vom Verein gelebt und in kreativen Marketing-Ideen umgesetzt. Dadurch wird die Marke FC St. Pauli für Sponsoren und Fans „sexy“.

Nufer:

Ein Beispiel dafür, wie eine Marke kaputtgehe­n kann, ist sicherlich Mario Götze. Im Frühjahr 2016 präsentier­te er sein eigenes Markenlogo, ein G in Pfeilform. Heute sieht man es praktisch nirgends mehr. Warum hat das nicht funktionie­rt?

Mario Götze war seither überwiegen­d verletzt beziehungs­interessan­t.

Nufer:

weise krank – und konnte damit in dieser Zeit zwangsläuf­ig sportlich nicht glänzen. Ich weiß nicht, ob es Fußball-Fans gut gefunden hätten, wenn er gerade in diesen Zeiten durch gezielte Eigen-MarketingM­aßnahmen in die Schlagzeil­en geraten wäre. Ich glaube, da will man als Fan lieber sehen, dass er mit aller Macht an seinem sportliche­n Comeback arbeitet, was ja auch gelungen ist.

Bleiben wir bei Götze. Bei seiner Vorstellun­g bei Bayern München trug er ein T-Shirt vom privaten Ausrüster Nike, die Bayern werden von Adidas eingekleid­et. Witzig fanden das die Bayernboss­e nicht. Was dachten Sie sich damals?

Dieser Vorfall gehört zu einem meiner Forschungs­schwerpunk­te: Ambush Marketing (zu Deutsch: Schmarotze­rmarketing, Anm. d. Red.). Es handelte sich hierbei konkret um einen Fall von destruktiv-aggressive­m Ambush Marketing. Solche konkurrenz­orientiert­en Maßnahmen haben das Ziel, die Wirkung offizielle­r Sponsorshi­ps durch zerstöreri­sches Vorgehen zu vermindern. Ich habe mich damals schon sehr gewundert, dass dieser Angriff aus dem Hinterhalt im Vorfeld der Götze-Vorstellun­g keinem Bayern-Verantwort­lichen aufgefalle­n ist. Er wäre relativ leicht zu verhindern gewesen.

Nufer:

Um die Sponsoren der Teams gibt es immer wieder Streit, weil sie den Spielern Vorgaben aufzwingen. Viele Mannschaft­en haben beispielsw­eise Autoherste­ller als Sponsoren. Wenn dann mal eine andere Automarke vor dem Trainingsg­elände steht, kann es Stress geben. Nutzen manche Marken die Sportler aus?

Um darauf zu antworten, möchte ich gerne beim Fall von Mario Götze bleiben. Auf die Idee, bei seiner Bayern-Vorstellun­g im NikeShirt aufzutauch­en, ist er sicher nicht selbst gekommen. Es darf auch vermutet werden, dass ihm die Aktion eine satte Sonderpräm­ie von Nike eingebrach­t hat. So betrachtet hat die Marke Nike den Sportler Götze tatsächlic­h ausgenutzt. Aber er hätte sich ja nicht ausnutzen lassen müssen.

Nufer:

Interview: Gideon Ötinger

Prof. Dr. Gerd Nufer

ist Direktor des Deutschen Instituts für Sportmarke­ting in Reutlingen. Er lehrt Betriebswi­rtschaftsl­ehre.

 ?? Foto: Juan Carlos Hidalgo, dpa ?? Wirkt neben seinem Image als Werbefigur winzig: Fußballer Cristiano Ronaldo vermarktet sich als CR7. Das bringt ihm einige Millionen extra und macht ihn gleichzeit­ig für Fußballtea­ms noch viel interessan­ter.
Foto: Juan Carlos Hidalgo, dpa Wirkt neben seinem Image als Werbefigur winzig: Fußballer Cristiano Ronaldo vermarktet sich als CR7. Das bringt ihm einige Millionen extra und macht ihn gleichzeit­ig für Fußballtea­ms noch viel interessan­ter.
 ?? Foto: afp ?? Idol der Massen: 222 Millionen Euro Mann Neymar.
Foto: afp Idol der Massen: 222 Millionen Euro Mann Neymar.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany