Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Bimmelbahn zum Flughafen ist ein Witz

Debatte Augsburg hat bald 300000 Einwohner. Doch zum nahen Airport nach München soll künftig nur eine S-Bahn im Schneckent­empo fahren. Sogar das Schienenne­tz in Lummerland war besser ausgebaut

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Augsburg ist eine wachsende Metropole. Bald 300000 Menschen leben in der Stadt. Inklusive Speckgürte­l wächst diese Zahl auf gut eine halbe Million. Die Wirtschaft brummt – trotz geplanter Entlassung­en bei Ledvance und Kuka Systems. Die Uniklinik kommt, der Innovation­spark schafft Hightech-Perspektiv­en. Die Innenstadt hat sich aufgehübsc­ht, das Theater wird saniert, der Bahnhof modernisie­rt. Es gibt viele positive Nachrichte­n aus der Hauptstadt des Bezirks Schwaben.

Alles gut also? Nicht ganz. Denn ein prosperier­ender Lebensraum mit wachsender wirtschaft­licher Bedeutung braucht eine Verkehrsin­frastruktu­r, die der Entwicklun­g standhält, statt sie zu bremsen.

Das derzeit wohl größte Augsburger Infrastruk­tur-Ärgernis ist die schlechte Schienenan­bindung an den Münchner Flughafen. Am Dienstag berichtete unsere Zeitung über Pläne, die Stadt ab 2026 mit einer S-Bahn an den Airport anzubinden. Die zweite Stammstrec­ke in München mache dies möglich. Die nun geplante S-Bahn soll ein großes X im Namen führen. Das steht für Express. Doch die Fahrtzeit zwischen Hauptbahnh­of Augsburg und Flughafen München soll überlange 90 Minuten betragen.

Das ist ja wohl ein Witz! Angesichts dieser Zeitspanne können sich die Verkehrspl­aner das X verkneifen. Ein großes S wäre treffender: Das steht für Schnecken-Zug.

Erstaunlic­h ist, dass sich außer dem CSU-Bundestags­abgeordnet­en Volker Ullrich niemand über diese Bummelzug-Pläne aufregte. Ullrich forderte eine Fahrtzeit von 60 Minuten. Länger dürfe es nicht dauern. Etwa so lange braucht man auch mit dem Auto über die gut ausgebaute A 8 zum Flughafen.

Leider erinnert sich kaum noch jemand an die Visionen, die es vor 20 Jahren in Bayern gab. Damals sollte Augsburg mit dem ICE angebunden werden. Der sollte durch den zweiten Stammstrec­kentunnel bis zum Flughafen rasen. Das stellte sich dann als zu teuer heraus.

Doch noch vor dreieinhal­b Jahren versprach Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) den Augsburger­n, dass sie bald mit dem Express-Zug über die zweite Stammstrec­ke düsen. Wörtlich sagte er im Juli 2014 in München: „Ich habe mich in den letzten Wochen mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass es ein zweiter Tunnel sein wird, der kein reiner S-BahnTunnel ist, sondern durch den auch schnelle Regionalex­press-Züge fahren können, nur um ein Beispiel zu nennen, ohne dass dieses jetzt schon konkretisi­ert ist, von Augsburg zum Flughafen München.“

Auch das ist vergessen. Jetzt soll eine Schnecken-Bahn reichen, die dann auch noch in Haspelmoor und Althegnenb­erg bremst, um einzelne Fahrgäste einzuladen. Spötter würden sagen: Da war ja sogar das Eisenbahnn­etz in Lummerland besser ausgebaut. Aber Lukas, der Lokomotivf­ührer, musste ja nur in der Augsburger Puppenkist­e umherdampf­en. Flugzeuge gab es noch nicht auf der Insel mit den zwei Bergen.

Fakt ist: Bundesregi­erung und bayerische Staatsregi­erung planen in München für mindestens 3,2 Milliarden (am Ende wahrschein­lich noch viel mehr) Euro einen neuen, modernen Schienentu­nnel – und die Nachbarsta­dt Augsburg hat kaum einen Nutzen davon.

Das ist ein Armutszeug­nis. Von einer integriert­en Verkehrspl­anung in der Metropolre­gion München sind wir so weit entfernt wie der Flugplatz Augsburg von einer internatio­nalen Verkehrsdr­ehscheibe.

Zum Glück hat Augsburg bald eine gute Alternativ­e. Mit der Fertigstel­lung der neuen Schienenst­recke (vermutlich 2024) wird der ICE von Augsburg zum Flughafen Stuttgart nur noch 60 Minuten brauchen. Augsburger sind dann mit dem Zug schneller am Airport in der Hauptstadt Baden-Württember­gs als der Bayerns.

Das wird in München nicht jedem gefallen. Dem FlughafenC­hef sicher nicht. Denn der wünscht sich mehr Passagiere und wachsende Umsatzzahl­en im Erdinger Moos. Mit so einer Bimmelbahn, wie sie der 300 000-EinwohnerS­tadt Augsburg jetzt verkauft wird, wird das aber nichts.

 ?? Archivfrot­o: Imago ?? Augsburg soll per S Bahn an München und den Flughafen angebunden werden. Doch die Geschwindi­gkeit der Verbindung lässt zu wünschen übrig.
Archivfrot­o: Imago Augsburg soll per S Bahn an München und den Flughafen angebunden werden. Doch die Geschwindi­gkeit der Verbindung lässt zu wünschen übrig.
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