Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Trainerduo für den TSV Gersthofen
Silvesterlauf Geschichte(n) Von Gehern auf Abwegen, einem französischen Volkslauf-General und warum es zum zehnjährigen Jubiläum die erste Silvesterlaufsiegerin gab (Serie, Teil 2)
Gersthofen Seit dem dritten Silvesterlauf wird von Gersthofen als „Bayrisch Sao Paulo“gesprochen. Bei den Vorgesprächen zur Veranstaltung im Jahr 1969 wurde dieser Begriff von Stadionsprecher Ernst Wolff initiiert. „Dieser Ausspruch ist heute noch Bestandteil so manchen Zeitungsberichtes, und schlug sich auch in der Medaille zum 12. Silvesterlauf im Jahr 1978 nieder“, so Alfons Winklhofer, der die Chronik der vergangenen 50 Silvesterläufe zusammengetragen hat. Im zweiten Teil unserer Serie „Silvesterlauf-Geschichte(n)“geht es um verschiedene Fanfaren und eine grundlegende Neuerung bei der zehnten Jubiläumsveranstaltung.
2. Silvesterlauf 1968
An der zweiten Auflage nahmen schon fast doppelt so viele Sportlerinnen und Sportler teil. Insgesamt waren es 1363 aus Bayern, dem benachbarten Württemberg und Österreich, was natürlich neuen Teilnehmerrekord darstellte. Der Nachteil war, dass anreisende Teilnehmer von der Autobahn bis zum Stadion mehr Zeit brauchten, als später für den gesamten Lauf. Zweiter Silvesterlaufsieger wurde Siegfried Spreng (1860 München), als Zweiter kam Vorjahressieger Hans Munzinger (TSV Burgau) ins Ziel.
Die Einnahmen beliefen sich auf 9.411,50 DM, während die Ausgaben 9456,88 DM betrugen. Zu den Ausgaben gehörte unter anderem auch eine Leihgebühr der Stadt Augsburg für Fahnentücher (USA, Schweiz, Österreich, Jugoslawien, Bundesfahne) über 11,10 DM. Das Minus von 45,38 DM in der Kasse entstand jedoch auch dadurch, dass die Helfer diesmal mit je 3 DM beziehungsweise 5 DM entschädigt wurden.
3. Silvesterlauf 1969
Der Name der Gemeinde Gersthofen, die in diesem Jahr zur Stadt erhoben wurde, scheint auch bei den französischen Nachbarn Eindruck hinterlassen zu haben. Der stellvertretende Oberbefehlshaber der französischen Truppen in Deutschland (FFA), General Duchatelle, der auch als „Volkslauf-General“in Süddeutschland bekannt war, erließ einen Dienstbefehl, der den Einsatz der benötigten Transportmittel für die teilnehmenden Soldaten zum Wettkampfort ermöglichte. So traf aus der französischen Garnison Rastatt eine Gruppe von 21 Marschierern mit ihrem Hauptfeldwebel in Gersthofen ein.
Und selbst ein Beinamputierter war am Start. Der Mann aus Bünde (Westfalen) bewältigte die zehn Ki- lometer mit seinen Gehstützen in 84 Minuten.
Da für viele Marschierer die Streckenbewältigung innerhalb der vorgegebenen Sollzeit doch zu anstrengend war, wurde für „normale Wanderer“eine eigene Klasse ohne Sollzeit eingerichtet.
4. Silvesterlauf 1970
Mit Martin Mayr wird der Leichtathletik-Bezirksvorsitzende und Abteilungsleiter zum Organisationsleiter ernannt. Die Lauf-, Gehenund Marschstrecke betrug in diesem Jahr jetzt 10 km. Ein weiteres Zuckerl für alle Teilnehmer war eine Verlosung von drei Armbanduhren der Firma Omega aus der Schweiz, die noch am Veranstaltungstag vorgenommen wurde.
5. Silvesterlauf 1971
Mit einer Leuchtkugel aus der Pistole des Organisationsleiters Martin Mayr und den Fanfaren der Olympischen Spiele von 1936 wurden die Läufer auf die jetzt wieder nur 9,5 km lange Strecke geschickt. Hans Munzinger (TSV Burgau) übernahm sofort die Spitze und gab diese nicht wieder ab. Schnellste unter den Frauen, die sich im Läuferfeld eingeschmuggelt hatten, war Rosi Grashei (heute Lemberger) vom TSV Gersthofen.
Die 170 gestarteten Geher erlebten im Ziel eine böse Überraschung. Da anscheinend ein „lustiger“Wanderer ein Hinweisschild verkehrt umsteckte, wurden sie auf eine kürzere Strecke geschickt, wobei die gegangene Zeit somit im Ziel nicht werden konnte. Wie im Vorjahr nahm auch das Team der Mehrkampftruppe Fricktal (Schweiz) teil. Auch in diesem Jahr bekamen sie als Anerkennung einen frisch geschossenen Hasen. Durch Erfahrung gewarnt ließen sich die Eidgenossen eine Bescheinigung über die Herkunft dieses Tieres ausstellen, denn im letzten Jahr wollten die Schweizer Zöllner den Hasen nicht ins Land lassen.
6. Silvesterlauf 1972
Den Vorschlag von Rupprecht Straub wenige Minuten vor dem Start, die Läufer nach dem Startschuss doch vorab eine Stadionrunde laufen zulassen, quittierten die vielen Zuschauer das daraus entstandene herrliche und bunte Bild der Läufer mit lautstarkem Beifall. „Nach Aussage der teilnehmenden Sportler soll es der schöneste Silvesterlauf gewesen sein“, erzählt der Chronist. Zur Siegerehrung erklang nochmals die Olympiafanfare von München 1972.
Der Einsatz des BRK wurde erstmals vom Kolonnenarzt und TSVMitglied Dr. Hans Peter Wald geleitet, der noch immer im Einsatz ist.
7. Silvesterlauf 1973
Überwältigend war der Abschluss des Jahres bei dieser Veranstaltung, den die über 700 Wanderer auf der Strecke bildeten. Man sah ganze Familien, einschließlich der vierbeinigen Hausgenossen, die sich selbst bei Schneetreiben auf die Strecke machten. Die Läufer gingen unter den Fanfarenklängen einer Gruppe des Spielmannszuges auf die Stregewertet cke. „Gut Sport 1974“war auf deren Rücken als Neujahrswunsch zu lesen, was besonders die anwesenden Fernsehleute begeisterte.
8. Silvesterlauf 1974
Der Silvesterlauf war längst ein Medienereignis. Der bekannte Sportreporter Manfred Steffny (Olympiateilnehmer des Marathonlaufs 1972 in München) warb als Mitherausgeber der neuen Sportzeitung „Spiridon“dafür. Das Bayerische Fernsehen sendete einen Ausschnitt, den Hansheinz Köppendörfer launig kommentierte. Erstmals wurde Josef Lechner (Schwaben Augsburg) Silvesterlaufsieger. Lechner war in diesem Jahr bereits Zweiter der süddeutschen Meisterschaften über die 10.000 m Strecke geworden.
9. Silvesterlauf 1975
Silvesterlaufsieger wurde wie im Vorjahr Josef Lechner, der diesmal allerdings für den TSV Meitingen startete. Dorthin hat ihn und den Drittplatzierten Paul Christl ein Trainer und Funktionär namens Josef Ziesenböck gelockt, um dort eine Leichtathletikhochburg für Mittelund Langstreckler aufzubauen.
Unter die Sportler, die in der Hauptklasse starteten, hatten sich erneut zirka 20 Frauen eingeschmuggelt. Darunter befand sich diesmal auch die Olympiateilnehmerin 1972 in München und vierfache Deutsche Meisterin über 800 m und 1500 m, Gerda Ranz-Klöpfer, die anregte, im kommenden Jahr doch eine eigene Frauenklasse auszuschreiben.
10. Silvesterlauf 1975
Diese Anregung wurde umgesetzt, und so wurde Barbara Herbst vom TSV Haar die erste Silvesterlaufsiegerin vor Lieselotte Heinz (Asbach) und Ilse Wagner (Augsburg). Schnellste Gersthoferin war Renate Weiß auf Platz acht. Die Siegerehrungen fanden erstmals nicht mehr im Freien sondern in der Halle statt. Die Sparte Leichtathletik war inzwischen eine eigene Abteilung geworden. So wurde der Lauf auch von dieser organisiert. Neuer Organisationsleiter war der neue Abteilungsleiter Alfons Winklhofer.
Zum Jubiläum gab es etwas ganz Besonderes: Zehn junge Leichtathletinnen zogen mit den Fahnen der Nationen, die bisher teilgenommen hatten, der Bayernfahne und der Fahne mit den Gersthofer Farben bei starkem Schneefall und eisiger Kälte ins Stadion ein. Nachdem Winklhofer in seiner Berufskleidung als Kaminkehrer den Teilnehmern als Glücksbringer die besten Wünsche für das kommende Jahr aussprach, verließen sie unter den Klängen des „Champagner-Galopp“wieder das Stadion.