Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie sich die Spreu vom Weizen trennt
Unser Essen Markus Schuster ist Geschäftsführer der Schuster Mühle in Großaitingen – ein Betrieb, der seit 1931 in Familienbesitz ist. Er verarbeitet traditionelle Körner wie Weizen, Dinkel und Roggen – allerdings auf moderne Weise / Serie (25)
Großaitingen Weihnachtszeit, Plätzchenzeit. Und der Bedarf an Mehl, das fast in jedem Rezept zu finden ist, wächst. Vom Einkauf bis zum fertigen Plätzchenteig ist es nur ein Katzensprung. Welche spannende Reise das Korn allerdings auf dem Weg zum Mehl zurücklegt, das kann Markus Schuster, Geschäftsführer der Schuster Mühle in Großaitingen, eindrucksvoll zeigen.
Allein 300 Meter legt das Korn während der Produktion hier zurück – ohne Anlieferung und Lagerung. Was das Korn während seiner rasanten Reise durch zahlreiche Maschinen und über verschlungene Produktionsrohre erlebt, erklärt der Müllermeister beim Rundgang durch das Herzstück seines Betriebs: seine Mühle. Seit 1931 ist die Schuster Mühle in Familienbesitz.
60 Tonnen Körner kommen täglich bei der Schuster Mühle an. 80 Prozent Weizen und je zehn Prozent Dinkel und Roggen werden direkt von Bauern aus dem Augsburger Land sowie den Landkrei- Landsberg, Dachau und Aichach-Friedberg angekarrt. In den Wintermonaten erfolgt die Anlieferung ganz gezielt und erst, nachdem der Bauer eine Auskunft darüber bekommen hat, was er für das Getreide an Geld bekommt, und wann er es liefern darf. „So ist es möglich, größere Chargen zu bilden“, erklärt Müllermeister Markus Schuster.
Zur Haupterntezeit, also in den Sommermonaten, zeigt sich hingegen ein ganz anderes Bild. „Unzählige Landwirte bringen dann mehrere Hundert Tonnen am Tag“, vergleicht der 46-Jährige. Sommer wie Winter wird die Qualität mit Blick auf die Eiweißzahl und die Fallzahl geprüft. Das bestimmt auch den Preis.
Die erste Station der Getreidekörner ist nach der Prüfung die Grobreinigung, die das Entstauben und Sieben umfasst. Dann werden Weizen, Dinkel und Roggen in den Silo gebracht. Zwei bis vier Wochen ruhen sie dort. Das ist wichtig für die Eiweißbestandteile. Ein Weizenkorn hat einen Eiweißanteil von 13 Prozent, ein Roggenkorn hat knapp neun Prozent Eiweiß, und Dinkelkorn hat 17 Prozent Eiweiß.
Läuft dann der Produktionslauf an, passiert das, was sprichwörtlich nur allzu oft verwendet wird: Nun wird die Spreu vom Weizen getrennt. Mithilfe von Bürsten werden die kleinen Bärtchen auf dem Korn weggescheuert. Im Farbaussen leser wird geprüft, ob sich unter den Körnern schwarz gefärbtes Mutterkorn befindet. „Das ist giftig und wird ausgeschossen“, erklärt Schuster.
Um die Schale des Getreides besser verarbeiten zu können, wird der Feuchtigkeitsgehalt auf etwa 15 Prozent angehoben. Zum Vergleich: Ein Weizenkorn hat normalerweise 13 Prozent Wasser, ein Roggenkorn knapp 14 Prozent und ein Dinkelkorn elf Prozent. Etwa zehn Stunden bleibt das Korn im Abstehsilo. Dann startet der eigentliche Mahlprozess, bei dem das zugegebene Wasser wieder verdampft.
Drei Tonnen Körner werden in der Schuster Mühle in einer Stunde vermahlen. Während außerhalb der Mühle kaum einer die großen Maschinen vermuten würde, sorgen sie im Inneren für mächtig Getöse. Insgesamt sieben Maschinen, die sich im ersten Obergeschoss befinden, spielen hier immer dasselbe Programm ab: Sie mahlen und mahlen. Nur das Mehl, das die Maschine aufnimmt und das, was am Ende der Maschine herauskommt, das variiert in Farbe und Konsistenz. Schrot, Grieß und Mehl kommen nach ein bis 14 Wiederholungen heraus und werden über ein ausgeklügeltes Rohrsystem, das auf dem Rohrboden im zweiten Obergeschoss verwirrend verzweigt aussieht, auf die nächste Produktionsebene gebracht.
Im dritten Obergeschoss befinden sich die sogenannten Sichter, die rein äußerlich an einen Flugsimulator erinnern und doch eine ganz andere Funktion im Prozess haben. Hier wird das Mehl durch die rotierenden Bewegungen der Maschine gesiebt. Erst am Ende dieses Prozesses – und unterhalb des vermeintlichen Flugsimulators – werden Mehle in verschiedenen Typen sowie Schrot und Grieß weiterreisen.
Aus einem Weizenkorn erhält der Müller 75 Prozent Mehl, zwölf bis 13 Prozent Kleie, fünf bis sieben Prozent Grießkleie sowie drei bis vier Prozent dunkles Mehl. Diese Werte gelten für das traditionelle Mehl, Type 550, das in Backbetrieben und Haushalten gleichermaßen verwendet wird, um feinporig-lockere Teige zu erhalten.
Das Mehl Type 550 ist der Nachfolger des klassischen Type 405. Type 812 eignet sich für helle Mischbrote, Type 1050 für herzhafte Backwaren und Type 1600 für dunklere Mischbrote.
Schrot bezeichnet die grob zerkleinerten Bestandteile des vollen Korns. Grieß sind die rundlichen Teilstücke des Korn, die zur Knödelherstellung und für Babybreie genutzt werden, und Dunst ist das Zwischenprodukt aus Mehl und Grieß, das zum Gelingen von Spätzleteig beiträgt.
Roggenmehl gibt es in den Ausführungen Type 815, Type 997, Type 1150, Type 1370, Type 1740 und Type 1800 sowie Vollkornmehl und Vollkornschrot. Dinkelmehl gibt es in den Ausführungen Type 630, Type 812, Type 1050 sowie Vollkornmehl, Vollkornschrot, Grieß und Dunst.
Im Schuster’schen Hofladen werden vor allem die Klassiker nachgefragt. An die Verarbeitung von alten Körnersorten wie beispielsweise Emmer und Kamut hat sich der Müllermeister derzeit noch nicht herangewagt. „Noch ist die Nische hierfür zu klein“, erklärt der 46-Jährige.
Im Schuster’schen Hofladen sind vor allem die klassischen Sorten gefragt