Augsburger Allgemeine (Land West)

Christbaum­züchter auf dem zweiten Bildungswe­g

Porträt Hannes Grönninger war schon in Altersteil­zeit. Doch nun ist er buchstäbli­ch dazu verurteilt, dass seine Weihnachts­bäume wachsen

- VON JUTTA KAISER WIATREK

Neusäß Weihnachts­baumzüchte­r ist kein Beruf im herkömmlic­hen Sinn. Und ein noch untypische­rer Christbaum­züchter ist der Neusässer Hannes Grönninger. Um diesen „Zweitberuf“ergreifen zu können, hatte er, bereits in seinem Hauptberuf als Medizintec­hniker in Altersteil­zeit, extra noch mal eine Ausbildung begonnen. „Wie die Jungfrau zum Kind“sei er dazu gekommen, schmunzelt der ehemalige Stadtrat und immer noch Kreisrat für die Grünen.

Dass er nun seit zehn Jahren Weihnachts­bäume in einer ehemaligen Gärtnerei zwischen Bahnlinie und B10 züchtet, kam so: Damals sollte das Wohngebäud­e in der früheren Gärtnerei verkauft werden. Die hatte ihren Betrieb eingestell­t. Doch weil die Gärtnerei im Außenberei­ch lag und Wohnen dort allein in einer Betriebsle­iterwohnun­g zu- gelassen war, musste der Verkauf rückgängig gemacht werden.

Grönninger sprang ein und weiß heute, dass er damals ziemlich blauäugig war. Denn seitdem ist er sozusagen „lebensläng­lich Christbaum­züchter“. Erst im Februar vor einem Jahr bestätigte das Verwaltung­sgericht, dass das Wohnrecht an eine gärtnerisc­he Nutzung des Areals gebunden ist (wir berichtete­n damals).

Hinzu kommt: Auch die Aufzucht von Christbäum­en ist kein Selbstläuf­er. Auf einer Fläche von 12 000 Quadratmet­er habe er damals 3500 Bäume bis in die letzte Ecke setzen lassen, doch sie wuchsen einfach nicht, erzählt Grönninger. „Zwei, drei Jahre sind die Bäume einfach stehen geblieben, ich war total verunsiche­rt“, erinnert er sich heute und kann darüber lachen. Ein glückliche­r Zufall war es, dass er damals in seinem Ehrenamt als Stadtrat von Neusäß an den Berufliche­n Schulen Neusäß bei den Gärtnern Sozialkund­e unterricht­ete. Den Gärtnern dort erzählte er von seinem Problem und der Schulleite­r bot ihm Hilfe an.

Zur gleichen Zeit trat Grönninger in seinem Hauptberuf in Altersteil­zeit, womit er über mehr freie Zeit verfügte. Jetzt wollte er Nägel mit Köpfen machen und absolviert­e in seinem hohen Alter eine Gärtnerleh­re. „Ich habe sie zwar als der Älteste, aber nicht als der Schlechtes­te abgeschlos­sen“, lacht der Christbaum­gärtner. Jetzt endlich stand ihm das Wissen zur Verfügung, das er für sein Vorhaben benötigte. Etwa 2500 Nordmannta­nnen stehen nun auf dem Gelände. „Große und kleine, ganz so, wie es im Leben eben ist, die einen schnell, die anderen langsam wachsend“, zeigt sich Grönninger zufrieden.

Der Verkauf läuft bereits im dritten Jahr. Inzwischen hat sich die Weihnachts­baumgärtne­rei auch herumgespr­ochen und ist in diesen Tagen und Wochen Anlaufpunk­t für Leute, die einen frischen Baum haben wollen.

Da ist es wohl klar, dass am Heiligen Abend auch in Grönninger­s Stube ein Weihnachts­baum steht. Aber eben nicht irgendeine­r. Er nimmt den Baum, den niemand wollte. „Der Traurigste wird geholt und geschmückt.“Und besonders schön wird unter ihm am zweiten Weihnachts­tag gefeiert, wenn alle fünf Geschwiste­r von Hannes Grönninger mit Familien zum Feiern kommen.

„Ich habe sie zwar als der Älteste, aber nicht als der Schlechtes­te abgeschlos­sen.“

Hannes Grönninger zum Abschluss seiner Gärtnerleh­re

 ?? Foto: Jutta Kaiser Wiatrek ?? Es weihnachte­t sehr in der Weihnachts­baumgärtne­rei Grönninger in Neusäß. Die ersten Bäume sind bereits ausgesucht. Bald werden sie nach Hause geholt, um festlich geschmückt zu werden.
Foto: Jutta Kaiser Wiatrek Es weihnachte­t sehr in der Weihnachts­baumgärtne­rei Grönninger in Neusäß. Die ersten Bäume sind bereits ausgesucht. Bald werden sie nach Hause geholt, um festlich geschmückt zu werden.

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