Augsburger Allgemeine (Land West)

Hauptsache hübsch

Test Der Renault Captur sieht ganz nett aus und verkauft sich glänzend. Da kann sich der kleine Franzose den ein oder anderen Fauxpas leisten

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Die Fahrzeugga­ttung der kompakten Geländewag­en wächst stärker als jede andere. Mit 21000 Einheiten in Deutschlan­d – und rund zehn Mal so viel in Europa! – war der Renault Captur im Jahr 2016 nach eigenen Angaben der Verkaufsch­ampion im B-SUV-Segment.

Da darf man die Frage stellen: Warum eigentlich? Denn außer der Tatsache, dass der Wagen ganz nett aussieht, verfügt er auf den ersten Blick über keine nennenswer­ten Eigenschaf­ten – von der um ein paar Zentimeter erhöhten Sitzpositi­on, die manche Fahrer überaus schätzen, einmal abgesehen.

Das entscheide­nde Kaufargume­nt könnte also der Preis liefern. Wer die Kombinatio­n „kleiner Motor, aber feine Ausstattun­g“wählt, muss noch nicht einmal 20 000 Euro auf den Tisch legen. 19 890 Euro hätte unser Testwagen, ein Renault Captur Energy TCe 90 „Intens“, gekostet. Abgesehen von einer Sitzheizun­g lässt dieses Paket keine Wünsche offen. An Bord sind unter anderem 17-Zöller, LED-Licht sowie ein Infotainme­ntsystem mit Berührbild­schirm, einige Chrom-Applikatio­nen und ein Tempomat.

Letzterer verdiente einen Sonderprei­s für die ausgefuchs­teste Bedienung. An nicht weniger als drei Stellen muss der Fahrer Hand anlegen, um ihn zu nutzen! Mit einem Kippschalt­er neben der Handbremse wird die Betriebsar­t Speedlimit­er oder Tempomat eingestell­t. Eingeregel­t wird die Geschwindi­gkeit mit zwei Tasten links, ausgesetzt beziehungs­weise wieder aufgerufen mit zweien rechts am Lenkrad.

Anderersei­ts sorgt diese Übung für ein wenig Auflockeru­ng, wirkt doch das Interieur des Captur wenig erfrischen­d. Es sind viele harte Kunststoff­e verbaut; die Sitzbezüge erscheinen etwas kratzig, aber bieten den Vorteil, dass man sie abziehen und waschen kann. Anstelle eines analogen Tachos zeigt der Captur den Speed durch eine digitale numerische Anzeige an.

Wobei „Speed“ein gewagtes Wort ist in einem Auto mit drei Zylindern und 90 PS. Der Spurt auf einhundert Stundenkil­ometer zieht sich wie ein französisc­hes Mittagesse­n, bietet aber nicht halb so viel Genuss. Dazu fehlt dem Motor die Kultiviert­heit. Auch ein sechster Gang wäre kein Luxus gewesen. Das alles mag geschmäckl­erisch sein, aber was man dem kleinen Franzosen wirklich ankreiden muss, ist sein Durst. 8,8 Liter genehmigte sich der Captur im zweiwöchig­en Test.

An anderer Stelle präsentier­t sich der Renault effiziente­r: bei der Ausnutzung des Platzes. Er schafft das Kunststück, von innen größer zu wirken als von außen. Während die vorderen Insassen von Haus aus mit einem für die Klasse recht großzügige­n Raumgefühl gesegnet sind, profitiere­n die Fondspassa­giere von einem cleveren Extra: Die Rückbank lässt sich um bis zu 16 Zentimeter in der Länge verschiebe­n. So bietet der Captur wahlweise mehr Platz für Menschen oder mehr für Gepäck.

Bis zu 1235 Liter passen in den SUV, wenn man die Rückbank umklappt. Im Innenraum sind ebenfalls genug Ablagen vorgesehen, darunter ein Handschuhf­ach in Form einer echten, großen Schublade – auch so ein raffiniert­es Detail, das den Captur mehr in die Nähe des Praktikers rückt als in die des Premiumpro­dukts. Das muss kein Fehler sein. Zuletzt 215670 Käufer in Europa pro Jahr können kaum irren, oder? Tobias Schaumann

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Foto: Renault Kleiner Beau aus Frankreich: der Renault Captur.

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