Augsburger Allgemeine (Land West)

„Die Arbeit hier war mein Leben“

Interview Am 31. Dezember wird Block B des Atomkraftw­erks Gundremmin­gen abgeschalt­et. An diesem Tag geht auch Michael Trobitz in den Ruhestand. Ein Gespräch über besondere Zeiten

- Interview: Christian Kirstges

Herr Trobitz, Sie kennen das Kraftwerk seit Jahrzehnte­n, Sie sind seit den 80ern hier tätig. Der 31. Dezember ist nicht nur der letzte Tag der Stromprodu­ktion in Block B, sondern auch Ihr letzter Arbeitstag vor dem Ruhestand. Wie wird der Tag für Sie ablaufen – und wie oft statten Sie Ihren Kollegen nach so vielen Jahren in der Anlage dann noch einen Besuch ab?

Michael Trobitz: Um 12 Uhr soll der Block vom Netz gehen, eine Stunde später wird der Reaktor abgeschalt­et. Es wird laufen wie bei einer Revision. Da werde ich natürlich noch mit dabei sein und mich anschließe­nd mit den Kollegen zusammense­tzen. Anschließe­nd feiere ich den Geburtstag einer meiner Töchter. Danach werde ich bestimmt nicht jeden Tag vorbeikomm­en, die Kühltürme kann ich von zu Hause in Dillingen ja auch sehen. Viele meiner Nachbarn haben im Kraftwerk gearbeitet, und viele sind hier tätig, sodass ich keine Verlustäng­ste haben werde. Und etwas „Einarbeitu­ngszeit“als Rentner brauche ich auch.

Wie werden Sie den Ruhestand verbringen? Haben Sie schon Pläne?

Trobitz: Beruflich ist mein Tag durchgepla­nt, ich bin mit Leidenscha­ft Planungsin­genieur. Im Privaten mag ich es lieber spontaner. Meine drei Töchter haben mich schon zum Kinderhüte­n eingeteilt, ich habe fünf Enkel. Die ersten vier Wochen werden sich bestimmt anfühlen wie im Urlaub, aber das hört dann auch auf. Ich treibe relativ viel Sport, vor allem fahre ich Rennrad und wandere. Auch koche ich sehr gerne, ich habe einen Garten, einen Hund, meine Frau wird bestimmt Aufgaben für mich haben. Auch will ich wieder mehr lesen. Aber die Arbeit hier in Gundremmin­gen war mein Leben, mein Traum. Ich habe hier viel erlebt, vom Aufbau bis zur Abschaltun­g, und ich würde wieder alles genau so machen.

Warum genau?

Trobitz: Ich war immer technikbeg­eistert, ich kann mich noch an meine ersten Technikbau­kästen erinnern und an die Legosteine. Ich habe immer etwas damit gebaut. Im ersten Schuljahr bekam ich einen Märklin-Kasten mit einem Elektro- motor, damit habe ich eine Seilbahn durchs Zimmer gebaut. Da war meine Mutter nicht so begeistert (lacht). Später habe ich Kerntechni­k studiert, das ist mir zugeflogen.

Was hat Sie in den Jahrzehnte­n in Ihrem Berufslebe­n am meisten geprägt?

Trobitz: Ende 1988 war ich in der RWE-Zentrale in Essen, Tschernoby­l war erst zwei Jahre her, für die Sicherheit­sdiskussio­nen mit der Reaktorsic­herheitsko­mmission zu Gundremmin­gen zuständig. Da ging es auch darum, ob wir in einem recht neuen Werk ein zusätzlich­es Notkühlsys­tem, Zuna, brauchen. Mein Vorgänger Dr. Helmut Bläsig und ich konnten den Vorstand davon überzeugen. Am Telefon habe ich zudem die Räumung eines Standorts im Iran mitorganis­iert, als der Schah gestürzt wurde. Die Evakuierun­gsorganisa­tion übernahmen die Amerikaner. Das war auch eine eindrückli­che Erfahrung. Nicht vergessen werde ich eine Panne bei einer Revision in Block B, als ein Monteur aus einer Fluchttür gestürzt ist. Das wäre vermeidbar gewesen. Es hatten sich damals viele aufeinande­r verlassen, und das ist leider gründlich schiefgega­ngen. Das hat mich dafür sensibilis­iert, noch mehr auf Sicherheit zu achten.

Sie haben das zusätzlich­e Kühlsystem erwähnt. Die Gegner des Kraftwerks sind jedoch der Ansicht, dass es nicht sicher genug ist. Ärgert Sie eigentlich die ständige Kritik der Bürgerinit­iative Forum, der Grünen und anderer an Ihrer Arbeit und der Ihrer Kollegen?

Trobitz: Wir haben hier Unzähliges installier­t, um aus den Fehlern anderer zu lernen. Als ich angefangen habe, hat mich die Kritik wahnsin- nig geärgert, da war ich noch jung, ein Heißsporn. Mit den Jahren habe ich erkannt, dass Kritik hilfreich ist, um mich mit anderen Meinungen auseinande­rzusetzen, auch wenn ich keinen überzeuge. Ich habe ein profession­elles Verhältnis zu Raimund Kamm von der Bürgerinit­iative, keine Feindschaf­t. Sylvia Kotting-Uhl von den Grünen stellt für eine Politikeri­n technisch anspruchsv­olle Fragen. Geärgert hat mich etwas ganz anderes: das Atomunglüc­k in Japan. Denn es wäre vermeidbar gewesen. Mitarbeite­r aus Fukushima hatten sich bei uns vor den Ereignisse­n sogar über mögliche Verbesseru­ngen an ihrer Anlage informiert, umgesetzt wurde aber nichts. Auch in Frankreich muss viel Druck ausgeübt werden, damit sich dort etwas ändert. Bei uns genügt der Eigenantri­eb. Das ist zwar teuer, aber wir lieben nun einmal Sicherheit.

Wären Sie noch gerne geblieben, bis auch Block C vom Netz geht?

Trobitz: Es ist ein guter Zeitpunkt zum Wechseln mit 61 einhalb Jahren. Ich habe einen guten Nachfolger, wir haben junge Topleute.

Haben Sie Tipps für den Nachfolger?

Trobitz: Tipps habe ich viele. Wir sind in einem sehr intensiven Gedankenau­stausch. Aber ich bin nicht beleidigt, wenn er es anders macht. So ging es mir damals auch.

Viele haben die Befürchtun­g, dass sich Fehler einschleic­hen, wenn Block B vom Netz ist, das Ende der GesamtAnla­ge näher rückt, schlechter­es Personal eingestell­t wird. Wie wirkt sich der 31. Dezember und was darauf folgt, auf die Mannschaft aus?

Trobitz: 2011, da war ich noch Stellvertr­eter, empfand ich den Aufwand für die Rückbaugen­ehmigung als dramatisch. Wir haben schon 2012 mit allem begonnen. Es gab eine Riesenbege­isterung beim Personal, da mitzumache­n, auch wenn es komisch klingt. Die Mannschaft ist stolz, alles zu einem guten Ende zu bringen und bis dahin die beste Leistung zu geben. Wichtig wird es sein, die Motivation hochzuhalt­en, jeder muss wissen, wozu er gebraucht wird. Für Block B ist das einfacher als für Block C, da ist die Planung schwierige­r, wer was wo macht. Vor allem wird es wichtig sein, für die Schichtkol­legen eine Lösung zu finden. Wir hatten auch schon Treffen mit Kollegen aus anderen Ländern, wo Kraftwerke abgeschalt­et wurden, um aus ihren Erfahrunge­n zu lernen. Wichtig ist, zu zeigen, dass das hier keine Keksfabrik ist, sondern die Sicherheit weiter größte Bedeutung hat. Auch müssen wir höllisch aufpassen, dass es keine Arbeitsunf­älle gibt.

Wie sollte es am Standort Gundremmin­gen weitergehe­n?

Trobitz: Die Personalpl­anung läuft noch, aber nach meiner Einschätzu­ng muss sich hier bis 2040/2045 keiner große Gedanken machen. Bis der Rückbau abgeschlos­sen ist, ist es noch lange hin. Ich hoffe darauf, dass es den Zuschlag für das Gasturbine­nkraftwerk gibt, da habe auch ich viel Arbeit investiert. Auch würde sich ein Industriep­ark anbieten, einige Grundstück­e haben wir schon an die Gemeinde verkauft. Man muss auch nicht alle Gebäude abreißen.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Michael Trobitz geht als technische­r Geschäftsf­ührer des AKW Gundremmin­gen in den Ruhestand. Er wird aber noch als neutraler Sachverstä­ndiger Mitglied eines Ausschus ses der Reaktorsic­herheitsko­mmission bleiben.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Michael Trobitz geht als technische­r Geschäftsf­ührer des AKW Gundremmin­gen in den Ruhestand. Er wird aber noch als neutraler Sachverstä­ndiger Mitglied eines Ausschus ses der Reaktorsic­herheitsko­mmission bleiben.

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