Augsburger Allgemeine (Land West)
Weihnachten hinter Gittern
Soziales Häftlinge gehören zu den Vergessenen der Gesellschaft. In Gablingen bekommen sie trotzdem Geschenke
Gablingen
Mit geöffneter Heckklappe steht der Mercedes-Kombi von Lions-Club-Mitglied Hans-Peter Bernhard auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Gablingen. Er und zwei Beamte sind gerade damit beschäftigt, Plastikkisten voller Geschenktüten auf einen Rollwagen zu laden. Insgesamt 175 Tüten haben die Mitglieder des Lions Club dieses Jahr für die Häftlinge gepackt. Aus einigen Tüten lugt die Zipfelmütze der Schokoweihnachtsmänner.
Bernhards Auto wurde nach allen Regeln der Haftanstalt kontrolliert. Ein Beamter habe ihn den ganzen Weg begleitet, erzählt er. Außerdem sei der Unterboden des Mercedes beim Ein- und Ausfahren durch die Schleuse mit einem Spiegel kontrolliert worden.
In den 175 Tüten, die der Lions Club gestern ins Gefängnis gebracht hat, sind jeweils zwei Päckchen Tabak, Zigarettenpapiere, zwei Mandarinen, ein Schokonikolaus und ein Päckchen Kaffee. „Ich habe gehört: Kaffee ist das absolute Highlight“, sagt Lions-Präsident Manfred Schwärzer. Die Weihnachtsgeschenke sind für ein Viertel der Häftlinge – die, die mittellos sind und keine Verbindung mehr zur Familie haben. Diese Menschen bleiben auch über die Feiertage alleine und würden ohne die Geschenke der Fremden leer ausgehen.
Kathrin Pöhlmann, eine der Sozialarbeiterinnen in der JVA, betont: „Inhaftierte sind die Gruppe, die vergessen und oft auch verdrängt wird.“Auch deshalb sind die Tüten „vor allem für Menschen, die sonst nichts haben, etwas ganz Besonderes“. Ähnlich sieht es Jürgen Kohler von den Lions: „Auch diese Menschen darf man nicht vergessen.“
Schon im vergangenen Jahr hat der Lions Club Geschenke in das Gablinger Gefängnis gebracht. Über die Bescherung hätten sich die Gefangenen wirklich gefreut, betont die leitende Rektorin der JVA, Zoraida Maldonado de Landauer. „Wir sind dankbar, dass wir den Gefangenen auf diese Weise etwas bieten können.“Auch der Lions Club hat positive Rückmeldungen von den Häftlingen bekommen. „Es kam eine selbst gebastelte Karte, auf der viele Häftlinge unterschrieben hatten“, sagt Hans-Peter Bernhard. Außerdem habe er einen persönlichen Brief von einem Häftling erhalten. Für die Gefängnischefin ist es besonders wichtig, dass die Geschenke von außen kommen: „Wenn wir ihnen etwas schenken, dann glauben die meisten, wir würden das nur tun, weil wir müssen.“
Alles in allem kommt auch im Gefängnis in diesen Tagen ein bisschen Weihnachtsstimmung auf. In jeder Einheit und auf einigen Dächern stehen Weihnachtsbäume. Es gibt zum Beispiel weihnachtliche Bastelaktionen und Gottesdienste. Außerdem blieben die Zellen an Heiligabend länger offen, damit die Gefangenen zusammen feiern können, erklärt Maldonado de Landauer. Väter können heuer außerdem Geschichten für ihre Kinder einsprechen. Die Seelsorger verschicken die Aufnahmen dann an die Familien. Das ist eine der wenigen Möglichkeiten, die Häftlinge haben, um ihren Angehörigen ein Geschenk zu machen.
Von den ausländischen Gefangenen interessierten sich viele nicht für Weihnachten, sagt die JVA-Leiterin. Die Geschenktüten bekommen sie trotzdem. „Wir machen keinen Unterschied“, betont Bernhard. Sozialarbeiterin Pöhlmann wird die Geschenke mit einem Kollegen am Weihnachtsabend verteilen. „Ich wünsche den Häftlingen dann frohe Weihnachten und unterhalte mich etwas“, sagt sie.