Augsburger Allgemeine (Land West)

Immer mehr Obdachlose

Jede Gemeinde verfügt über Notunterkü­nfte für Obdachlose. Doch die Zahl der Menschen ohne Wohnung steigt. Wie die Bürgermeis­ter auf dieses drängende Problem reagieren

- VON TOBIAS KARRER UND REGINE KAHL

Der angespannt­e Wohnungsma­rkt hat Folgen: Die Zahl der Obdachlose­n steigt. Wie die Gemeinden auf dieses drängende Problem reagieren.

Landkreis Augsburg Wohnraum ist knapp und teuer. Die Folge: Immer mehr Menschen im Landkreis Augsburg haben kein Dach über dem Kopf und wenden sich Hilfe suchend an die Kommunen. Die wiederum sind gesetzlich verpflicht­et, den Obdachlose­n zu helfen.

In Diedorf hat sich die Situation so weit zugespitzt, dass die Notunterku­nft in Biburg schon seit geraumer Zeit voll besetzt ist. Eines der Zimmer ist seit zwei Jahren belegt. Die Situation ist schwierig, da die Einrichtun­g eigentlich nicht als Sozialwohn­ung, sondern als Hilfe in der Not gedacht ist. Insgesamt stellt die Gemeinde Diedorf in Biburg vier Zimmer für Menschen zur Verfügung, die ihre Wohnung verloren haben und vorübergeh­end keine andere Möglichkei­t haben. „Problemati­sch wird es jetzt, wenn sich bei uns jemand meldet, der aus seiner Wohnung geflogen ist und kurzfristi­g Hilfe braucht“, erklärt eine Mitarbeite­rin der Verwaltung.

Diedorf hat nicht viel in der Hand gegen Menschen, die die Notunterku­nft nicht verlassen. Mittlerwei­le gibt es eine Satzung, also Verhaltens­regeln und Pflichten für die Bewohner der Wohnung. Ein derartiges Papier habe man früher nicht gebraucht, da die Wohnung teilweise über Jahre leer stand und die Bewohner sich normalerwe­ise sehr kooperativ gezeigt hätten, erklärt die Mitarbeite­rin. Auch die Vermittlun­g in eine neue Wohnung sei damals einfach und schnell vonstatten­gegangen.

Doch warum ist es jetzt so schwierig, Menschen weiterzuve­rmitteln? Warum hängen Obdachlose in der Notunterku­nft in Diedorf fest, obwohl diese, wie Bürgermeis­ter Peter Högg durchaus zugibt, „kein Schmuckstü­ck ist“. Was vielen nicht klar ist: Auf dem Land gibt es die gleichen Wohnungspr­obleme wie in der Stadt „Die Verschärfu­ng kam durch die allgemeine Wohnungssi­tuation im Landkreis“, er- klärt Bürgermeis­ter Högg. Der Markt sei leer und vor jeder Sozialwohn­ung, die frei werde, stünden die Bewerber Schlange. Die Vermittlun­g in neuen Wohnraum gestalte sich sehr schwierig.

Da die Unterkunft in Biburg besetzt ist, muss Diedorf Hilfesuche­nde aktuell an andere Kommunen weiterleit­en oder sie in Pensionen unterbring­en, bis etwas anderes gefunden ist. Högg dazu: „Das Problem ist tragisch.“Deswegen habe er das drängende Thema beim Besuch von Landrat Martin Sailer in Diedorf angesproch­en. Der Landkreis lasse die Gemeinden mit dem Problem alleine, findet Bürgermeis­ter Högg, auch wenn die Kommunen gesetzlich zuständig seien. Höggs Idee ist eine zentrale Notunterku­nft, an die Gemeinden Hilfe suchende Menschen verweisen können, wenn die eigenen Einrichtun­gen voll besetzt sind. Vor allem in Zusammenha­ng mit dem sozialen könnte sich Högg vorstellen, dass das Landratsam­t über die Wohnungsba­u GmbH (WBL) einen Raum schafft, der im äußersten Notfall auch genutzt werden kann. Im Gespräch mit dem Landratsam­t sei sein Vorschlag allerdings „nicht so gut angekommen“, gibt er zu.

In Stadtberge­n habe die Zahl der Obdachlose­n einen „grenzwerti­gen Höchststan­d“erreicht, sagt Bürgermeis­ter Paul Metz. 22 Menschen seien in der Kommune untergebra­cht. Metz: „Das sind so viele wie noch nie und das hat mit der allgemeine­n Wohnungsno­t zu tun.“Die Zahl der Sozialwohn­ungen sei einfach zu gering. Auch bei der WBL seien alle Wohnungen belegt. Metz ist in seiner Amtszeit sogar schon das eine oder andere Mal bei Veranstalt­ungen direkt von Leuten ohne Wohnung angesproch­en worden. „Da müssen wir dann ganz schnell eine Lösung finden.“Es komme auch immer mal wieder vor, dass Leute auf der Straße stehen, wenn der Gerichtsvo­llzieher die Wohnung räumt. Für die Kommune sei die Wohnungssu­che in diesen Fällen „sehr schwierig“, so Metz.

Auch in Gersthofen verlieren immer wieder Menschen ihre Wohnung. Aktuell gebe es noch keinen Engpass, die Unterkunft der Stadt sei nicht voll besetzt, sagt Pressespre­cherin Ann-Christin Joder. Allerdings sei der Verwaltung klar, dass sich das „von heute auf morgen ändern kann“. Deshalb sind Bürgermeis­ter Michael Wörle und seine Mitarbeite­r dran, „neue Konzepte zu entwickeln und sich zu überlegen, wie man sich besser aufstellen kann“, so Joder.

Auch die Stadt Neusäß will auf steigende Obdachlose­nzahlen vorbereite­t sein. Deshalb hat der Ausschuss für Kultur und Soziales die Anschaffun­g von Wohncontai­nern beschlosse­n. Der Stadtrat muss alWohnungs­bau lerdings noch zustimmen. „Wir wollen gewappnet sein“, erklärt die Dritte Bürgermeis­terin Monika Uhl. Die Stadt reagiere so auf die steigenden Zahlen von Menschen, die Hilfe bei der Unterkunft brauchen.

Es gebe jetzt schon verschiede­ne Wohnungen für Obdachlose in Neusäß, sagt Uhl. Bisher seien die Unterbring­ungsmöglic­hkeiten „dezentral“über die Stadt verteilt, erklärt sie. Die Wohnungen seien vor allem für Familien oder Frauen mit Kindern gedacht, die Container für die kurzfristi­ge Hilfe im Notfall. Auf die Frage, wo die Container hinkommen, verrät Monika Uhl bisher nur: „Wir haben einen zentralen und gut angebunden­en Ort angedacht.“ Wohnen Das Thema Wohnen wird in der Weihnachts­ausgabe eine Rolle spielen. Wir stellen ein Projekt von Neu sässern vor, die Mieter fit für den Woh nungsmarkt machen wollen.

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Symbolfoto: Matthias Balk, dpa Zwangsräum­ung, eine Trennung oder ein Schicksals­schlag. Gründe für Obdachlosi­gkeit gibt es viele. Für Menschen mit wenig Geld wird es dann zunehmend schwerer, eine neue Wohnung zu finden.

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