Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein riskantes Spiel mit der Bürokratie

Warum die Tombola zur Steuerhint­erziehung werden kann und der neueste Schlager nicht auf dem Sportplatz gespielt werden darf

- VON GLORIA GEISSLER

Region Manchmal ist es wie Klinkenput­zen. Man zieht von Haustür zu Haustür und fühlt sich wie ein Verkäufer, der ein unliebsame­s Produkt an den Mann bringen will. „Nein, danke“ist das, was Vereinsver­antwortlic­he oft zu hören bekommen, wenn sie sich auf die Suche nach einem neuen Vorsitzend­en machen. Sich ehrenamtli­ch in den Dienst eines Vereins zu stellen, steht in Zeiten wie diesen nicht mehr sehr hoch im Kurs. Viele Vereine in der Region haben leere oder mit Interimslö­sungen besetzte Vorsitzend­enposten.

Die Gründe für die Zurückhalt­ung sind vielfältig, oft ist es aber die immer größer werdende Bürokratie, die den Menschen Angst macht, Verantwort­ung zu übernehmen. Michael Regnet wird regelmäßig mit der Unsicherhe­it konfrontie­rt. Er ist Dozent beim Bayerische­n Landes-Sportverba­nd (BLSV) und unter anderem für die Vereinsman­ager-Ausbildung zuständig. Diese relativ neue Schulung vermittelt Führungskr­äften von Sportverei­nen Kenntnisse und Fähigkeite­n, die für das erfolgreic­he Führen von zukunftsfä­higen Sportverei­nen von zentraler Bedeutung sind. Denn: Wer heute Vorsitzend­er eines Vereins ist, führt ein kleines bis mittelstän­disches Unternehme­n – je nach Mitglieder­zahl. „Früher, so hat man das Gefühl, lief alles etwas hemdsärmel­iger“, sagt Regnet, „da wurde einfach drauflos gewurschte­lt, und keiner hat so genau hingesehen oder nachgefrag­t.“Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute wird geklagt, wenn sich ein Gast nach dem Verzehr des von Mitglieder­n selbst gebackenen Kuchens am Sportplatz einen Magen-Darm-Virus eingefange­n hat, oder wenn auf einem Vereinsfes­t Musik gespielt, aber kein Musiknutzu­ngsvertrag mit der Gema abgeschlos­sen wurde, oder es wird nach einem Tor der Werbesong eines Sponsors gespielt, der aber nicht die Rechte an dem Titel hat.

Bei Verstößen in die Pflicht genommen werden regulär der Vereinsvor­sitzende sowie der Kassenwart. Ein undankbare­r Job also?! „Nein, gar nicht“, sagt Michael Regnet. Einen Verein zu führen, ihm seinen Stempel aufzudrück­en und nach seinen Vorstellun­gen weiterzuen­twickeln, könne eine tolle Sache sein. Allerdings sollte man sich auskennen und nicht blauäugig in manche Dinge hineinrenn­en.

Die Steuer zum Beispiel. Läuft hier etwas falsch, verliert der Verein schlimmste­nfalls seinen Gemeinnütz­igkeitssta­tus. Unter welchem Posten müssen die Spieltagse­innahmen verbucht werden? Wo das Geld aus dem Wurstsemme­lverkauf, wo die Spenden der Sponsoren?

„Hier gibt es viele Fallstrick­e“, sagt der Diplomspor­twissensch­aftler und Bankkaufma­nn. Ein Beispiel, das wohl viele Vereine betrifft: die Tombola zu Weihnachte­n. „Steuerrech­tlich gesehen müssen Sachspende­n, also der Fernseher als Hauptpreis, bewertet und versteuert werden. Genauso die Loseinnahm­en. Wer ein Los für einen Euro an die Gäste der Weihnachts­feier verkauft, muss diese Einnahmen versteuern. 19 Prozent Umsatzsteu­er würden anfallen.“

Der BLSV als größter Dachverban­d reagiert auf das zurückgehe­nde ehrenamtli­che Engagement und die steigenden bürokratis­chen Herausford­erungen mit gesonderte­n Schulungen.

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