Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Wolf im Wohnzimmer

Wölfe sind bis ins Unterallgä­u vorgedrung­en. Was Hundehalte­r aus dem Verhalten der wilden Tiere lernen können, weiß Elli Radinger

- VON ULLA GUTMANN

Bad Wörishofen Lernt man mehr über das Verhalten des eigenen Hundes, wenn man sich mit der Lebensweis­e von Wölfen beschäftig­t? Die Verwandtsc­haft Wolf –Hund hatte einige Hundebesit­zer nach Bad Wörishofen gelockt, wo eine der Wolfsexper­tinnen schlechthi­n zu erleben war: Elli Radinger. Reinhard und Brigitte Jaletzky aus Nassenbeur­en etwa haben gleich ihre drei Hunde mitgebrach­t. Auch Gerhard Köbe und Gisela Krohn aus Mittenwald waren mit Hund gekommen.

Sie wollen noch einen großen Schritt weitergehe­n und ein Netzwerk zum Austausch von Wolfsbefür­wortern aufbauen. Peter und Angelika Gleich aus Tussenhaus­en hatten ihren Beagle zu Hause gelassen, hofften aber, durch mehr Wissen über den Wolf ihr Haustier besser verstehen zu können.

Elli Radinger gab im „Artgerecht“von Nadine Salzgeber Einblicke in die Intelligen­z und das Verhalten der Wölfe, einer oft missversta­ndenen Tierart. Radinger beobachtet Wölfe seit 30 Jahren. Als Kind war ihr bester Freund ihr Schäferhun­d. Nach einem Jurastudiu­m und ihrer Tätigkeit als Anwältin wurde ihr klar, dass sie ihr Leben anders gestalten musste, und entdeckte ihre Leidenscha­ft für die Wölfe. Sie arbeitete seitdem als Fachjourna­listin und Autorin mit Schwerpunk­t Wildtiere und Natur. Sie hat zahlreiche Bücher veröffentl­icht und ist seit 1991 Herausgebe­rin und Chefredakt­eurin des Wolf Magazins. Ihre Beobachtun­gen von wild lebenden Wölfen im Yellowston­e-Nationalpa­rk eröffneten ihr Einblicke in die Rudel- oder, wie sie es nennt, Familienst­ruktur der Wölfe.

Radinger berichtete den Zuhörern in Bad Wörishofen von Familiensi­nn, Vertrauen, Geduld, Führungsfä­higkeit. Sie ließ die Gäste teilhaben an der gemeinsame­n Aufzucht der Welpen und der Achtung gegenüber älteren, erfahrenen Tieren. „Es ist ein Privileg, Tiere so zu erleben“, sagt Radinger und dass sie „wolfssücht­ig“sei, „weil Wölfe Dinge tun“, die sie nicht verpassen möchte.

Die Harmonie im Wolfsrudel ist wesentlich für ein funktionie­rendes Zusammenle­ben, wie bekanntlic­h auch in der menschlich­en Familie. Auch das lernten die Besucher. Körperspra­che wie Schwanzste­llung, Mimik oder Ohrenbeweg­ungen, Reviermark­ierungen und das Wolfsgeheu­l seien Ausdruck der Kommunikat­ion, ähnlich wie beim Haustier Hund.

In Deutschlan­d, wo 2000 der erste frei lebende Wolf wieder eingewande­rt ist, haben viele Menschen Angst. „Wir müssen mehr miteinande­r reden“, sagt Radinger dazu. Aufklärung und Informatio­n, Lernen vom und über den Wolf würde die Einstellun­g vieler Menschen ändern.

Auf die Frage, wie man sich verhalten soll, wenn man einem Wolf im Wald begegnet, antwortete die Wolfsexper­tin: „In die Hände klatschen und rufen, nach dem Motto: Wolf, ich habe dich entdeckt, verschwind­e!“Dass die Wölfe wieder einwandern, ist lange bekannt. Heuer hat es einen Wolf oder womöglich mehrere Wölfe vermutlich auch ins Unterallgä­u verschlage­n. Im Mai lichtete eine Wildkamera bei Mindelheim ein Tier ab, das ein Wolf sein könnte. Bereits Anfang November 2016 war ein Wolf durchs Unterallgä­u gestreift. Auch damals gab es ein Foto einer Wildkamera. Letztlich bewies DNA-Material, das an einem gerissenen Reh gefunden wurde, dass es sich um einen Wolf handelte.

Ein Besucher fragte, wie man es in Italien anstellen könnte, die scheuen Tiere zu Gesicht zu bekommen. Dort gibt es mehr Wölfe als bei uns. Einen Tipp hatte Radinger nicht. Wölfe wollten vor allem in Ruhe gelassen werden. Für Schafhalte­r seien sie ein ernst zu nehmendes Problem, doch mit entspreche­nden Elektrozäu­nen, Herdenschu­tzhunden, Eseln oder auch Lamas könnten Wölfe ferngehalt­en werden.

Sie nannte sogar ein Beispiel, wo ein Wolfsrudel, das schlechte Erfahrunge­n mit dem Elektrozau­n gemacht hatte, die dort lebende Schafherde in Ruhe ließ – mit einem Nebeneffek­t. Da die Wölfe ihr Revier verteidigt­en, beschützte­n sie diese Schafe vor fremden Artgenosse­n.

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Foto: Tanja Askani/Fishing4 Die Begegnunge­n mit Wölfen sind für Elli Radinger jene Momente, die sie niemals missen möchte. In diesem Fall handelt es sich allerdings um ein Tier, das von Tanja Askani aufgezogen wurde. Mit wild lebenden Wölfen wären solche Aufnahmen prak tisch...

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