Augsburger Allgemeine (Land West)
Glyphosat: Städte reagieren mit Verzicht und Verbot
Umwelt In Aichach dürfen Pächter kommunaler Grundstücke das Pflanzengift nicht mehr verwenden. Schwabmünchen ist stolz auf einen Bienenstock auf dem Friedhof. Augsburg hat die Kleingärten im Blick. Und was der Umweltreferent vorschlägt
In Aichach dürfen Pächter kommunaler Grundstücke das Pflanzengift nicht mehr verwenden. Schwabmünchen ist stolz auf einen Bienenstock auf dem Friedhof. Augsburg hat die Kleingärten im Blick. Und was der Umweltreferent vorschlägt.
Region Das Pflanzenschutzmittel Glyphosat ist zum Streitpunkt geworden. Für die einen steht es für das Ende von Artenvielfalt und für Gesundheitsschäden; für die anderen ist es eine bewährte und unbedenkliche Chemikalie, die sogar ökologischen Nutzen hat. EU-weit hat Glyphosat nun eine Zulassung für weitere fünf Jahre erhalten. Einige Kommunen verbieten nun aber das Gift auf Flächen, die sie verpachten – auch in der Region.
Aichach hat ein solches Signal schon gesetzt: Auf landwirtschaftlichen Flächen der Stadt darf Glyphosat nicht mehr verwendet werden. „Der Beschluss im Stadtrat fiel mit
15 gegen 13 Stimmen und war damit sehr knapp“, berichtet Bürgermeister Klaus Habermann. Aber die Stadt greife durch. „Wir werden Anfang 2018 die Pächter landwirtschaftlicher Flächen anschreiben und sie in Kenntnis über das Glyphosat-Verbot setzen“, sagt er. Bei Weigerung drohe die Kündigung des Pachtvertrages. Dies sei eine deutliche Ansage, so Habermann.
Schwabmünchen verzichtet seit
2016 auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf eigenen Liegenschaften. „Wir wollen diese Gifte aus unseren natürlichen Kreisläufen verbannen“, so Bürgermeister Lorenz Müller. Seither setzt die Stadt auf umweltschonende Unkrautbekämpfung: Die Mitarbeiter jäten per Hand und mit Stahl-Besen oder nutzen Alternativen wie die Heißwasser-Methode. Dabei wird bis zu
100 Grad heißes Wasser in unkrautüberwucherte Flächen gespritzt. Dieser „Schritt in den Naturschutz“werde besonders am Friedhof getan, berichtet Roland Schiller von der Verwaltung. Wichtig findet er die Kommunikation, denn natürlich wachse mehr Unkraut, wenn Glyphosat wegfällt. Das habe schon für Ärger gesorgt. Doch es gebe auch einen positiven Aspekt: „Dass die Bemühungen von Erfolg gekrönt sind, zeigt ein Bienenstand auf dem Friedhof“, freut Schiller sich. Das sei weit und breit einzigartig.
Friedbergs Bürgermeister Roland Eichmann erklärt, dass die Stadt selbst keine landwirtschaftlichen Flächen betreibe. Im Bauhof finde sich die letzte Rechnung für Glyphosat mit dem Datumsstempel von
2012: „In Friedberg wird das umstrittene Pflanzenschutzmittel auf öffentlichen Flächen nicht eingesetzt.“Auch hier kommt die Heißwassermethode zum Einsatz. Es werde überlegt, das Pflanzengift bei neuen Pachtverträgen stadteigener Flächen zu verbieten. Weil Eichmann jedoch um die Sorgen der Landwirte weiß, hat er bereits einen Gesprächstermin mit dem BauernObmann vereinbart.
Auf dem Land kann die Stimmungslage durchaus anders ausse- hen: Der Eurasburger Bürgermeister Paul Reithmeir beispielsweise sagt: „Ohne Gift kommt man nicht aus.“Doch auch hier steht ein Paradigmenwechsel an. So will Reithmeier in Kürze eine Vorführung zu der Verwendung eines alternativen Heißwasser-Gerätes besuchen.
In der Großstadt Augsburg ist Glyphosat schon seit Jahren (k)ein Thema: Auf allen städtischen Grünanlagen, in den Forsten und im Botanischen Garten ist der Unkrautvernichter tabu. Überhaupt versuche man, möglichst ohne Pflanzenschutzmittel auszukommen, berichtet Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) auf Anfrage. Unkrautzupfen von Hand und die thermische Behandlung sind an der Tagesordnung, auch wenn Arbeits- und Zeitaufwand höher sein. „Giftfrei“erfolge in Augsburg auch die Bekämpfung der sogenannten Neophyten, also jener Einwandererpflanzen wie Riesen-Bärenklau, Sachalin-Knöterich oder Goldrute, die angestammte Arten verdrängen.
Die Stadtspitze wirkt aber auch andere potenzielle GlyphosatVerbraucher ein: In den von der Kommune vergebenen Kleingärten ist das Ziel beschlossen, dass jeglicher Herbizideinsatz verboten wird. Bei den landwirtschaftlichen Flächen wird an einer Vereinheitlichung der Pachtverträge mit den Landwirten gearbeitet. Allerdings werde man darauf achten, dass die Verträge so rechtssicher formuliert werden, dass eine finanzielle Förderung der Bauern weiterhin möglich ist.
Albert Höcherl, Leiter des Fachzentrums Pflanzenbau am Amt für Landwirtschaft Augsburg, hält das Pflanzenschutzmittel für einen „harmlosen Wirkstoff im Vergleich zu anderen“. Im Haus- und Kleingartenbereich brauche man Glyphosat gar nicht. Der Einsatz auf versiegelten Flächen sei sogar verboten. „Aber die Verführung ist natürlich groß, es auf Pflasterfugen in der Garageneinfahrt anzuwenden“, sagt er mit Blick auf die Mittel, die etwa als „Roundup“verkauft werden.
Im Pflanzenschutzgesetz sei verankert, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nur auf landwirtschaftlich, gärtnerisch oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen erlaubt ist. Auf anderen Flächen sei eine Ausnahmegenehmigung notwendig. Und diese könne die Pflanzenschutzbehörde nur in begründeten Ausnahmefällen stellen. Im Wittelsbacher Land gab es zuletzt 2015 drei solcher Genehmigungen in Friedberg, wie aus einer Anfrage der Landtagsabgeordneten Gisela Sengl (Grüne) bei der Staatsregierung hervorging. Die erste galt für den Ortsteil Ottmaring zur Bekämpfung des giftigen Riesenbärenklaus. Die zweite und dritte gab es für die Stadtwerke Friedberg zur Unkrautbekämpfung im Bereich von zwei Kläranlagen.
Walter Schuler, Obmann des Bayerischen Bauernverbandes im Landkreis Augsburg, sagt, er habe es satt, dass Landwirte für den Einsatz des zugelassenen Mittels kritisiert werden. „Wir müssen uns auf die Aussagen der prüfenden Behörden verlassen können“, verlangt der Königsbrunner. „In der Apotheke müssen Menschen sich auch darauf verlassen können, dass Medikamente, die sie nehmen, zugelassen sind.“
Für den Bauern ist die Verwenauf dung des Pestizids nach der Ernte wichtig, da Unkraut sonst maschinell vernichtet werden müsste. Dann müssten nach der Ernte sogenannte Grubber, ein Bodenbearbeitungsgerät, über die Äcker fahren und das übrig gebliebene Unkraut beseitigen. Das koste pro Hektar 50 bis 80 Euro. Der Landwirt verweist auf den Kostendruck in der Branche: „Wir müssen versuchen, mit dem Weltmarkt zu konkurrieren. Die Erfahrung aber zeigt, dass die Bevölkerung nicht bereit ist, mehr für ihre Lebensmittel auszugeben.“
Genau auf diesen Punkt weist denn auch Augsburgs Umweltreferent hin: Er hält den Verzicht auf Glyphosat in der Landwirtschaft für „grundsätzlich machbar“, auch wenn es laut Landwirtschaftsexperten „keine weniger giftige Alternative“gebe. Doch Voraussetzung für einen Bio-Anbau mit mechanischer Unkrautvernichtung sei die Bereitschaft der Kunden, „für Lebensmittel mehr zu bezahlen und dass dieses ,Mehr‘ nicht vom Handel abgeschöpft wird“, so Erben: „Grundsätzlich hat also jeder Einzelne von uns die Möglichkeit, mit seinem persönlichen Konsumverhalten auf die Glyphosatverwendung Einfluss zu nehmen.“
Unkrautzupfen mit der Hand ist angesagt
Bauern wollen nicht dauernd Buhmänner sein