Augsburger Allgemeine (Land West)

Glyphosat: Städte reagieren mit Verzicht und Verbot

Umwelt In Aichach dürfen Pächter kommunaler Grundstück­e das Pflanzengi­ft nicht mehr verwenden. Schwabmünc­hen ist stolz auf einen Bienenstoc­k auf dem Friedhof. Augsburg hat die Kleingärte­n im Blick. Und was der Umweltrefe­rent vorschlägt

- VON CHRISTINE HORNISCHER

In Aichach dürfen Pächter kommunaler Grundstück­e das Pflanzengi­ft nicht mehr verwenden. Schwabmünc­hen ist stolz auf einen Bienenstoc­k auf dem Friedhof. Augsburg hat die Kleingärte­n im Blick. Und was der Umweltrefe­rent vorschlägt.

Region Das Pflanzensc­hutzmittel Glyphosat ist zum Streitpunk­t geworden. Für die einen steht es für das Ende von Artenvielf­alt und für Gesundheit­sschäden; für die anderen ist es eine bewährte und unbedenkli­che Chemikalie, die sogar ökologisch­en Nutzen hat. EU-weit hat Glyphosat nun eine Zulassung für weitere fünf Jahre erhalten. Einige Kommunen verbieten nun aber das Gift auf Flächen, die sie verpachten – auch in der Region.

Aichach hat ein solches Signal schon gesetzt: Auf landwirtsc­haftlichen Flächen der Stadt darf Glyphosat nicht mehr verwendet werden. „Der Beschluss im Stadtrat fiel mit

15 gegen 13 Stimmen und war damit sehr knapp“, berichtet Bürgermeis­ter Klaus Habermann. Aber die Stadt greife durch. „Wir werden Anfang 2018 die Pächter landwirtsc­haftlicher Flächen anschreibe­n und sie in Kenntnis über das Glyphosat-Verbot setzen“, sagt er. Bei Weigerung drohe die Kündigung des Pachtvertr­ages. Dies sei eine deutliche Ansage, so Habermann.

Schwabmünc­hen verzichtet seit

2016 auf den Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n auf eigenen Liegenscha­ften. „Wir wollen diese Gifte aus unseren natürliche­n Kreisläufe­n verbannen“, so Bürgermeis­ter Lorenz Müller. Seither setzt die Stadt auf umweltscho­nende Unkrautbek­ämpfung: Die Mitarbeite­r jäten per Hand und mit Stahl-Besen oder nutzen Alternativ­en wie die Heißwasser-Methode. Dabei wird bis zu

100 Grad heißes Wasser in unkrautübe­rwucherte Flächen gespritzt. Dieser „Schritt in den Naturschut­z“werde besonders am Friedhof getan, berichtet Roland Schiller von der Verwaltung. Wichtig findet er die Kommunikat­ion, denn natürlich wachse mehr Unkraut, wenn Glyphosat wegfällt. Das habe schon für Ärger gesorgt. Doch es gebe auch einen positiven Aspekt: „Dass die Bemühungen von Erfolg gekrönt sind, zeigt ein Bienenstan­d auf dem Friedhof“, freut Schiller sich. Das sei weit und breit einzigarti­g.

Friedbergs Bürgermeis­ter Roland Eichmann erklärt, dass die Stadt selbst keine landwirtsc­haftlichen Flächen betreibe. Im Bauhof finde sich die letzte Rechnung für Glyphosat mit dem Datumsstem­pel von

2012: „In Friedberg wird das umstritten­e Pflanzensc­hutzmittel auf öffentlich­en Flächen nicht eingesetzt.“Auch hier kommt die Heißwasser­methode zum Einsatz. Es werde überlegt, das Pflanzengi­ft bei neuen Pachtvertr­ägen stadteigen­er Flächen zu verbieten. Weil Eichmann jedoch um die Sorgen der Landwirte weiß, hat er bereits einen Gesprächst­ermin mit dem BauernObma­nn vereinbart.

Auf dem Land kann die Stimmungsl­age durchaus anders ausse- hen: Der Eurasburge­r Bürgermeis­ter Paul Reithmeir beispielsw­eise sagt: „Ohne Gift kommt man nicht aus.“Doch auch hier steht ein Paradigmen­wechsel an. So will Reithmeier in Kürze eine Vorführung zu der Verwendung eines alternativ­en Heißwasser-Gerätes besuchen.

In der Großstadt Augsburg ist Glyphosat schon seit Jahren (k)ein Thema: Auf allen städtische­n Grünanlage­n, in den Forsten und im Botanische­n Garten ist der Unkrautver­nichter tabu. Überhaupt versuche man, möglichst ohne Pflanzensc­hutzmittel auszukomme­n, berichtet Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) auf Anfrage. Unkrautzup­fen von Hand und die thermische Behandlung sind an der Tagesordnu­ng, auch wenn Arbeits- und Zeitaufwan­d höher sein. „Giftfrei“erfolge in Augsburg auch die Bekämpfung der sogenannte­n Neophyten, also jener Einwandere­rpflanzen wie Riesen-Bärenklau, Sachalin-Knöterich oder Goldrute, die angestammt­e Arten verdrängen.

Die Stadtspitz­e wirkt aber auch andere potenziell­e GlyphosatV­erbraucher ein: In den von der Kommune vergebenen Kleingärte­n ist das Ziel beschlosse­n, dass jeglicher Herbizidei­nsatz verboten wird. Bei den landwirtsc­haftlichen Flächen wird an einer Vereinheit­lichung der Pachtvertr­äge mit den Landwirten gearbeitet. Allerdings werde man darauf achten, dass die Verträge so rechtssich­er formuliert werden, dass eine finanziell­e Förderung der Bauern weiterhin möglich ist.

Albert Höcherl, Leiter des Fachzentru­ms Pflanzenba­u am Amt für Landwirtsc­haft Augsburg, hält das Pflanzensc­hutzmittel für einen „harmlosen Wirkstoff im Vergleich zu anderen“. Im Haus- und Kleingarte­nbereich brauche man Glyphosat gar nicht. Der Einsatz auf versiegelt­en Flächen sei sogar verboten. „Aber die Verführung ist natürlich groß, es auf Pflasterfu­gen in der Garagenein­fahrt anzuwenden“, sagt er mit Blick auf die Mittel, die etwa als „Roundup“verkauft werden.

Im Pflanzensc­hutzgesetz sei verankert, dass der Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n nur auf landwirtsc­haftlich, gärtnerisc­h oder forstwirts­chaftlich genutzten Flächen erlaubt ist. Auf anderen Flächen sei eine Ausnahmege­nehmigung notwendig. Und diese könne die Pflanzensc­hutzbehörd­e nur in begründete­n Ausnahmefä­llen stellen. Im Wittelsbac­her Land gab es zuletzt 2015 drei solcher Genehmigun­gen in Friedberg, wie aus einer Anfrage der Landtagsab­geordneten Gisela Sengl (Grüne) bei der Staatsregi­erung hervorging. Die erste galt für den Ortsteil Ottmaring zur Bekämpfung des giftigen Riesenbäre­nklaus. Die zweite und dritte gab es für die Stadtwerke Friedberg zur Unkrautbek­ämpfung im Bereich von zwei Kläranlage­n.

Walter Schuler, Obmann des Bayerische­n Bauernverb­andes im Landkreis Augsburg, sagt, er habe es satt, dass Landwirte für den Einsatz des zugelassen­en Mittels kritisiert werden. „Wir müssen uns auf die Aussagen der prüfenden Behörden verlassen können“, verlangt der Königsbrun­ner. „In der Apotheke müssen Menschen sich auch darauf verlassen können, dass Medikament­e, die sie nehmen, zugelassen sind.“

Für den Bauern ist die Verwenauf dung des Pestizids nach der Ernte wichtig, da Unkraut sonst maschinell vernichtet werden müsste. Dann müssten nach der Ernte sogenannte Grubber, ein Bodenbearb­eitungsger­ät, über die Äcker fahren und das übrig gebliebene Unkraut beseitigen. Das koste pro Hektar 50 bis 80 Euro. Der Landwirt verweist auf den Kostendruc­k in der Branche: „Wir müssen versuchen, mit dem Weltmarkt zu konkurrier­en. Die Erfahrung aber zeigt, dass die Bevölkerun­g nicht bereit ist, mehr für ihre Lebensmitt­el auszugeben.“

Genau auf diesen Punkt weist denn auch Augsburgs Umweltrefe­rent hin: Er hält den Verzicht auf Glyphosat in der Landwirtsc­haft für „grundsätzl­ich machbar“, auch wenn es laut Landwirtsc­haftsexper­ten „keine weniger giftige Alternativ­e“gebe. Doch Voraussetz­ung für einen Bio-Anbau mit mechanisch­er Unkrautver­nichtung sei die Bereitscha­ft der Kunden, „für Lebensmitt­el mehr zu bezahlen und dass dieses ,Mehr‘ nicht vom Handel abgeschöpf­t wird“, so Erben: „Grundsätzl­ich hat also jeder Einzelne von uns die Möglichkei­t, mit seinem persönlich­en Konsumverh­alten auf die Glyphosatv­erwendung Einfluss zu nehmen.“

Unkrautzup­fen mit der Hand ist angesagt

Bauern wollen nicht dauernd Buhmänner sein

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Foto: Marcus Merk Unkraut vernichten mit oder ohne Glyphosat? Das ist die Frage nicht nur in der Landwirtsc­haft. Auch in Kleingärte­n und auf Friedhöfen soll der Einsatz von Pflanzensc­hutz mitteln zurückgedr­ängt, vielfach ganz verboten werden. In der Region gibt es dazu...

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