Augsburger Allgemeine (Land West)
„Viele beneiden unsere Traditionen“
Bürgermeisterin spricht in Kutzenhausen über Heimat und warnt vor Polemik
Kutzenhausen Dort, wo es nach Marmelade oder frisch Gebackenem duftet, fühlt sich der Mensch zu Hause, findet Silvia Kugelmann. In ihrer Neujahrsansprache appellierte die Kutzenhauser Bürgermeisterin an die Heimatgefühle ihrer Gemeinde. Der Begriff Heimat erfahre eine Renaissance, sagte sie. „Im Zeitalter von Globalisierung, Wirtschaftskrise und Wertewandel entdecken viele, wie wichtig es ist, sich an einem bestimmten Platz zu Hause zu fühlen.“
Diesen persönlichen Schutzraum sehen viele in Gefahr, wenn es um die wachsende Globalisierung geht. Der Angst vor dem Verlust der eigenen Identität begegnet der Mensch nicht selten mit Abschottung. Was folgt, sei auf europäischer Ebene bereits sichtbar: Bewährte Solidargemeinschaften zerfallen und das Vertrauen in die Politik sinkt. Es scheint, als wiege die Angst vor dem Verlust der Heimat schwerer, als die Vorzüge der Gemeinschaft, glaubt Kugelmann. Sie mahnt vor einem drohenden Rechtsruck: „Die Unsicherheit nährt bei vielen den Fanatismus, der sich ungefiltert ausbreiten kann.“
Der Begriff Heimat dürfe deshalb nicht als Alibi benutzt werden, wenn es um die Legitimation von rechter Gesinnung und Gewalt gehe. „Wir brauchen Lösungen, damit das Vertrauen in unser Wertesystem wieder wächst und den polemischen Schreihälsen der Nährbo- den entzogen wird“, so die Bürgermeisterin. Die Menschen müssten „im Herzen Türme und Schiffe bauen, statt Mauern, die sie eingrenzen.“
Mit ihrem Appell betonte Silvia Kugelmann auch die Relevanz der örtlichen Institutionen und Brauchtümer. Ohne die vielen Ehrenamtlichen in den Vereinen, die die Tradition lebendig halten, „wäre die Heimat ärmer“. Diese Traditionen seien Schätze, um die sie viele beneiden würden.
Welche Bedeutung die Heimat für den einzelnen Menschen hat, zeigte im Anschluss eine begleitende Kunstausstellung von Kindern und Jugendlichen. Unter der Leitung von Maria-Theresia Kugelmann-Schmid arbeiteten die jungen Künstler in den vergangenen Herbstferien gemeinsam mit Kunst-, Kultur- und Medienpädagogen der Bildarium-Schule der Phantasie und der Vhs Augsburger Land am Projekt „Sehnsuchtsland Heimat“. Es entstanden aufwendige Collagen, Fotografien und liebevolle „Kunst-Heimat-Boxen“, die das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten.
Das vom Bund geförderte Kunstprojekt soll nicht das Letzte seiner Art gewesen sein, versprach Kugelmann-Schmid. Neue Anträge habe man bereits gestellt. Wie zuvor die Bürgermeisterin setzt auch die Kulturpädagogin auf Toleranz und Offenheit statt zunehmender Abgrenzung. Wer den Blickwinkel ändere, gewinnt an Erfahrung, sagte sie. Die Heimat gehe nie „zu Ende“, wenn man nach vorne geht. „Wichtig ist nur, dass wir auch immer mal wieder zurückschauen.“