Augsburger Allgemeine (Land West)
Was die türkische Justiz Mesale Tolu vorwirft
● Festnahme Am 30. April 2017 neh men Polizisten Tolu in ihrer Wohnung in Istanbul fest, Anfang Mai kommt sie in Untersuchungshaft – ohne die ju ristische Begründung dafür zu kennen. Ihr Ehemann ist bereits am 5. April inhaftiert worden. Sie wird in das Frau engefängnis in Istanbul gebracht. Ihr Mann Suat Corlu sitzt im Hochsicher heitsgefängnis Silivri, 70 Kilometer westlich von Istanbul, ein.
● Anklage Mitte Juli erhebt die Istan buler Staatsanwaltschaft Anklage ge gen Tolu, die für die kleine linke Nach richtenagentur Etha gearbeitet hat. Erst Monate später wird öffentlich, dass die deutsche Journalistin wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der verbotenen linksextremen Partei MLKP vor Gericht steht. Die Staatsanwaltschaft wirft Mesale Tolu vor, an vier Veranstaltun gen teilgenommen zu haben, bei de nen Propaganda für die MLKP betrieben worden sei. Darüber hinaus soll sie an Gedenkkundgebungen für Kämpfer aus den Reihen einer syrischen Un terorganisation der kurdischen Terror gruppe PKK teilgenommen haben.
● Prozess Am 11. Oktober 2017 be ginnt der Prozess gegen Mesale Tolu, elf Männer und zwei weitere Frauen. Für die 33 Jährige fordert die Anklage 15 Jahre Haft. Tolu weist die Vorwürfe deutlich zurück. Die Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan habe es auf die Pressefreiheit abgesehen, sagt sie und fordert ihre Freilassung und ihren Freispruch. Am 18. Dezember
2017 wird der Prozess fortgesetzt, Tolu wird unter Auflagen freigelassen.
● Pressefreiheit Zum türkischen „Tag der arbeitenden Journalisten“am vergangenen Mittwoch feierte Präsident Recep Tayyip Erdogan sein Land als Vorreiter der Pressefreiheit. „In Sachen Pressefreiheit, neueste Kommunika tionstechnologien, soziale Medien und Internetjournalismus ist die Türkei heute eines der führenden Länder der Welt.“Eine weltoffene Gesellschaft sei nur mit „freien, transparenten und gerechten Medienorganisationen“möglich. Worte, die wie Hohn klingen mit Blick auf die Rangliste der Pres sefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“. In der belegt die Türkei Platz 155 von 180 erfassten Ländern. Unter anderem, weil nach unterschiedlichen Angaben von Nichtregierungsorganisationen zwi schen 39 und 151 Journalisten in tür kischen Gefängnissen sitzen – darunter der deutsch türkische Welt Korres pondent Deniz Yücel. (AZ)