Augsburger Allgemeine (Land West)

Hybrid-Hemd

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger allgemeine.de

Deutschlan­d schätzt das Hybride, in dem alles schön gebündelt, vermengt & vermischt ist und alle Gegensätze aufgehoben scheinen. Die GroKo ist so ein breit angelegter Politik-Hybrid, ein wenig auch die Doppelspit­ze der Grünen. Und Aldi, der jetzt neben Kreuzfahrt­en und Fernsehern auch Geschirrsp­üler verkauft, ist ein Handels-Hybrid, zu dem man gerne in einem Wagen mit Hybrid-Antrieb vorfährt. Hybrid kann man sogar essen, bei McDonald’s zum Beispiel.

Angesichts dieser hybriden Durchdring­ung Deutschlan­ds ist das Hybrid-Hemd zwar schwerlich als Hybris zu bezeichnen. Aber eine besondere Blüte im bunten Strauß der Mix- und Kombiforme­n ist es zweifellos. Wir haben es mit einer Art Ikea-Du zum Anziehen zu tun. Das Hybrid-Hemd macht Schluss mit der Vielfalt, die den Kleidersch­rank aufbläht. CityHemden, Business-Hemden, Freizeit-Hemden, Wander-Hemden, Casual-Hemden: Du kannst ja verrückt werden. Weil aber die feinen Unterschei­dungen aufgeweich­t und alte distinguie­rte Grenzziehu­ngen geschleift sind, ist das HybridHemd keine Dobrindt’sche Revolution, sondern nur eine logische Reaktion auf die gesellscha­ftliche Realität der Mitte. Die heißt kleidungse­tikettenmä­ßig schlicht: Alles ist Jacke wie Hose.

Wenn niemand mehr Krawatte trägt, außer Gauland seine Hundeschli­pse, kann man doch gleich im Freizeitlo­ok in die Firma – gerne mit Hybrid-Sneakers statt mit handgenäht­en Budapester­n. Und Unisex-Mütze im Winter.

Das Hybrid-Hemd, das nach Ansicht der Fachzeitsc­hrift Textilwirt­schaft Zuordnunge­n des Trägers nicht mehr eindeutig erlaubt, hat das Zeug zur smarten Uniform unserer Tage. Wer Beliebigke­it trägt, kann mit allem kombiniere­n und überall andocken, womit wir wieder bei der GroKo wären. Ein regular fit Hybrid-Shirt passt zu der Art, wie wir heute leben: Der Übergang von Arbeit in Feierabend ist fließend – und umgekehrt. Ob das Hybrid-Hemd an den Erfolg der Hybrid-Hose anknüpfen wird? Welche das ist? Einfach mal an sich runterscha­uen. Jeans, was sonst.

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