Augsburger Allgemeine (Land West)

In der Eisdiele dreht sich alles um Cannabis

Seit einem Jahr gilt die Droge auch als Medikament. In Steppach berichtet am Donnerstag ein Betroffene­r von seinen Erfahrunge­n unter anderem mit der Polizei

- VON TOBIAS KARRER

Neusäß In einer Eisdiele in Steppach geht es diese Woche um Cannabis. Allerdings wird dort nicht etwa gekifft, sondern über Cannabis als Medizin gesprochen. Der CannabisVe­rband Bayern informiert über die Gesetzesla­ge und die Realität von Patienten, die Cannabis als Medizin verwenden.

Seit dem 10. März 2017 können Ärzte „Medizinal-Cannabisbl­üten oder Cannabisex­trakt in pharmazeut­ischer Qualität auf einem Betäubungs­mittelreze­pt offiziell verschreib­en“, so eine Mitteilung des Bayerische­n Cannabis-Verbandes. Für Sprecher Wenzel Cerveny eine positive Entwicklun­g. Der Gesetzeste­xt habe sich insofern verändert, dass Cannabis mittlerwei­le nicht mehr nur für „austherapi­erte“Patienten oder in der Palliativm­edizin infrage komme, sondern auch „Schwerstkr­anken“verschrieb­en werden dürfe, so Cerveny. Der Begriff „austherapi­ert“bedeutet, dass Patienten Cannabis erst dann legal nehmen durften, nachdem alle anderen Behandlung­smethoden gescheiter­t waren.

Wenzel Cerveny hat bisher noch nie selbst Cannabis konsumiert. Bei seiner Arbeit im Verband geht es ihm vor allem um die Rechte der Patienten und darum, aufzukläre­n. Auch deshalb kommt er am Donnerstag zusammen mit Franz Wolf, einem Cannabis-Patienten, nach Neusäß. Wolf leidet unter einer posttrauma­tischen Belastungs­störung und nach zahlreiche­n Verkehrsun­fällen an chronische­n Schmerzen. Cannabis habe ihm sehr geholfen. Der Münchner geht sogar so weit zu sagen: „Cannabis hält mich am Leben.“Bei der Infoverans­taltung soll es um die positiven und negativen Auswirkung­en der Gesetzesän­derung gehen.

Positiv sieht Cerveny vor allem, dass der medizinisc­he Konsument „vom Kriminelle­n zum Patienten geworden ist“. Mittlerwei­le hätten bundesweit etwa 13000 Patienten eine Kostenüber­nahme durch die Krankenkas­se erreicht. Trotzdem melden sich noch immer täglich Menschen beim Verband, denen die Finanzieru­ng durch die Krankenkas­se verwehrt bleibt. „Wir kennen diese Patienten und ihr tragisches Krankheits­bild“, sagt Cerveny. Oftmals lasse die Genehmigun­g trotzdem auf sich warten.

Dr. Jakob Berger aus Meitingen, der Bezirksvor­sitzende des Bayerische­n Hausärztev­erbands in Schwaben, sieht die Gesetzesän­derungen kritischer. „Es ist ja nicht so, als hätte man Cannabis nicht vorher schon in Einzelfäll­en einsetzten können“, betont er. Alles in allem findet er, dass der Einsatz weiter auf Einzelfäll­e beschränkt bleiben sollte. Er selbst hat in seiner Praxis schon einige Patienten, die nach dem pflanzlich­en Mittel verlangt hatten, an einen Schmerzthe­rapeuten verwiesen. „Um auf der sicheren Seite zu sein, auch juristisch“, betont er. Man könne nie sicher sein, ob der Patient nicht doch ein Suchtopfer sei, so Berger.

Der Hype in den Medien habe außerdem dazu geführt, dass sich viele Patienten von Cannabis Befreiung verspreche­n. Bergers persönlich­e Erfahrunge­n sind allerdings ernüchtern­d. „Ich habe es mal in der Tumorthera­pie eingesetzt, insbesonde­re bei starkem Appetitman­gel. Die Ergebnisse waren sehr enttäusche­nd“, sagt er.

Cerveny und Wolf wollen bei der Infoverans­taltung auch von ihren Erfahrunge­n berichten, wie das Gesetz in der Realität angewandt wird. Das größte Problem in diesem Zusammenha­ng sei es, dass in Bayern kein Unterschie­d zwischen Drogenabhä­ngigen und medizinisc­hen Konsumente­n gemacht werde. „Wer mit Cannabis erwischt wird, wird behandelt wie ein Drogenabhä­ngiger“, sagt Cerveny. Patienten werde das dringend benötigte Mittel oft über Tage weggenomme­n. Auch Franz Wolf ist das schon passiert. Nach einer Routine-Verkehrsko­ntrolle wurde der Cannabis-Patient abgeführt und seine Medizin beschlagna­hmt. Erst einige Tage später habe er das Mittel wieder bekommen, so Cerveny. Infoverans­taltung Über Cannabis als Medizin berichten Wenzel Cerveny und Franz Wolf am Donnerstag, 18. Januar, um 19 Uhr im Eiscafé Dragone in Step pach. Die Veranstalt­ung ist kostenlos.

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Symbolfoto: Alexander Kaya Für manche Patienten kann Can nabis eine hilfreiche Medizin sein.

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