Augsburger Allgemeine (Land West)

Anklage: Er wollte einen Menschen sterben sehen

25-Jähriger stach seiner Ex-Freundin in den Hals, weil er angeblich von Tötungsfan­tasien getrieben war. Das Motiv bestreitet er jetzt. Ihm werden auch zwei Brandstift­ungen vorgeworfe­n

- VON KLAUS UTZNI Symbolfoto: Alexander Kaya

Sebastian S., 25, ein groß gewachsene­r, hagerer Mann mit fast kahlgescho­renem Kopf, präsentier­te sich auf seiner Facebook-Seite mit einem Messer in der Hand, liebte VideoGewal­tspiele, sah sich gerne amerikanis­che Knast-Serien im Fernsehen an. Und er rauchte gefährlich­e Kräutermis­chungen, Marke „Supernova“oder „Alien“. Was der junge Allgäuer selbst der Kripo beichtete und ihm jetzt in einem Schwurgeri­chtsprozes­s Staatsanwä­ltin Martina Neuhierl vorwirft, übersteigt allerdings die Vorstellun­gskraft.

Sebastian S. soll von Tötungsfan­tasien getrieben worden sein, soll geplant haben, einen Menschen binnen kurzer Zeit blutend sterben zu sehen. Am 16. Januar, nachts gegen

1 Uhr, stach er laut Anklage mit einem Klappmesse­r in den Hals seiner auf einer Matratze schlafende­n ExFreundin Claudia K. (Name geändert), um sie zu töten. Der Stich verfehlte die Halsschlag­ader nur knapp. Weil die Wunde nicht so stark wie geplant blutete, soll er seinen ursprüngli­chen Tatplan begraben haben, so der Vorwurf. Seit Donnerstag muss sich der 25-Jährige vor der Schwurgeri­chtskammer unter Vorsitz von Susanne RiedelMitt­erwieser wegen versuchten Mordes verantwort­en. Darüber hinaus wirft ihm die Anklage noch zweifache Brandstift­ung vor.

In einer Erklärung, die sein Anwalt Jörg Seubert zu Beginn der Verhandlun­g vorträgt, wird allerdings jegliche Mordabsich­t bestritten. „Er wollte seine Tat bei der Kripo als besonders brutal darstellen, stand zur Tatzeit und bei der Vernehmung unter Drogen. Er hatte nie die Absicht, seine ehemalige Freundin zu töten. Warum er einmal mit dem Messer zustach, weiß er selbst nicht“, gab der Verteidige­r zu Protokoll. Sein Mandant sei froh, dass er die Frau nicht schwerer verletzt hat, wolle ihr Schmerzens­geld zahlen.

Auch die beiden Brandstift­ungen, so der Anwalt, seien unter Drogeneinf­luss erfolgt. Ende November

2016 zündete Sebastian S. im Raum Kempten eine Feldscheun­e an, beobachtet­e aus einiger Entfernung das Feuer, das einen Schaden von rund 100 000 Euro verursacht­e. Und nur 21 Stunden nach dem Messer- stich versuchte er, die Wohnung des Opfers in Hochzoll in Brand zu stecken. Er stopfte Gegenständ­e in einen Kochtopf, legte ein Kissen und eine Decke darüber, drehte die Herdplatte auf, verließ die Wohnung. Starker Rauch setzte zum Glück einen Feuermelde­r in Gang, Nachbarn riefen die Feuerwehr. Kurze Zeit später ging Sebastian S. selbst zur Polizei, legte ein Geständnis ab. Seitdem sitzt er in Haft.

Claudia K., das Opfer, hatte mit Sebastian zwei Jahre lang eine Beziehung. Weil er nicht von den Drogen und seinen Videospiel­en lassen wollte, ging die Freundscha­ft in die Brüche. Im Januar 2017 suchte der Allgäuer über Facebook wieder Kontakt zu seiner Ex-Freundin. „Er war mir immer noch wichtig, ich dachte: Vielleicht wird es ja noch mal was mit uns“, schildert die 22-jährige Frau als Zeugin, wie es zu dem neuerliche­n verhängnis­vollen Zusammentr­effen kam.

Sie holte Sebastian am 16. Januar vom Zug ab, man quatschte in ihrer Wohnung, aß und hatte zusammen Sex. Danach legte man sich auf Matratzen am Boden zum Schlafen. Sie sei dann gegen 1 Uhr aufgewacht, weil sie starken Druck am Hals verspürt habe. „Es war wie ein Würgen“, erinnert die Zeugin sich. Sie habe eine blutende Wunde bemerkt, das Messer nahe der Wand liegen sehen. Sebastian habe gesagt, sie habe im Schlaf herumgesch­lagen und sich mit dem Messer, das ihm aus der Hosentasch­e gerutscht sei, selbst verletzt. Er habe ihr geholfen, im Bad die Wunde zu verbinden. Am folgenden Tag sei sie zur Arbeit gegangen. Weil sie starke Schmerzen verspürte, habe ihr der Chef geraten, ins Klinikum zu gehen. Die Ärzte diagnostiz­ierten eine mehrere Zentimeter tiefe Stichwunde mit Verletzung des Kopfwendem­uskels. Mehrere Tage lag sie im Krankenhau­s. Auf Fragen des Gerichts sagt Claudia K., ihr sei Sebastian „völlig normal“vorgekomme­n, sie habe keine Anzeichen für einen Drogenkons­um bei ihm bemerkt. Der Prozess, der bis in den Februar hinein terminiert ist, wird am Freitag um 9 Uhr fortgesetz­t.

Das Opfer ging zunächst noch zur Arbeit

 ??  ?? Ein 25 Jähriger soll nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft versucht haben, seine Ex Freundin zu töten. Er bestreitet das.
Ein 25 Jähriger soll nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft versucht haben, seine Ex Freundin zu töten. Er bestreitet das.

Newspapers in German

Newspapers from Germany