Augsburger Allgemeine (Land West)

Seit 22995 Tagen: Er läuft und läuft und läuft

Der Kühlschran­k von Hildegard und Adolf Eser aus Biberbach stammt aus dem Jahr 1955. Er gehört damit zu den ältesten im Landkreis. Gestern wurden die Energie-Dinosaurie­r vorgestell­t

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Biberbach Affaltern Eigene Fächer für Butter, Käse und Gemüse, eine Ablage für acht Eier und eine kleine Eisbox: Als Hildegard und Adolf Eser aus Affaltern den Bosch-Kühlschran­k im Jahr 1955 das erste Mal befüllten, waren sie mächtig stolz. „Das war Luxus“, erinnert sich Hildegard Eser. „Wir hatten den Kühlschran­k noch vor dem ersten Fernseher.“Seit damals funktionie­rt das Gerät mit dem auffällige­n Schnappgri­ff. Jetzt geht es allerdings in Rente – das war eine Bedingung, um an der Aktion des Landkreise­s teilnehmen zu können. Gesucht wurden die ältesten Kühlschrän­ke, um deren hohen Stromverbr­auch kritisch zu hinterfrag­en.

Die Kühlschran­k-Dinosaurie­r haben einen Verbrauch von 700 bis 800 Kilowattst­unden, was umgerechne­t bis zu 200 Euro Energiekos­ten im Jahr bedeutet. Zum Vergleich: Moderne Geräte mit Gefrierfac­h verbrauche­n 90 Kilowattst­unden. „Ein Tausch rechnet sich“, sagt Stromspare­xperte Norbert Endres, der nach der Aktion die Gewinner und die Teilnehmer auf Wunsch beraten wird. „Die neuen Geräte sind so sparsam, dass sie die Energie für die Entsorgung des alten Geräts und die Produktion des neuen nach zwei Jahren Nutzung wieder eingespart haben“, sagt Margit Spöttle. Die Klimaschut­zbeauftrag­te des Landkreise­s weiß: „Wer auf neue, effiziente Technik setzt, kann gegenüber einem 15 Jahre alten Gerät leicht mehr als die Hälfte der Stromkoste­n sparen.“

Das Sparen soll sich im Landkreis doppelt lohnen: Die Gewinner der Aktion – die ältesten Geräte stammen von Andreas Jähnert aus Wertingen, Siegfried Lauter (Untermeiti­ngen) und Anita Schneider (Horgau) und sind 68 Jahre alt – erhalten jetzt Zuschüsse für den Kauf neuer, effiziente­r Geräte. Gleichzeit­ig müssen die alten Modelle entsorgt werden. Auch der Bosch von Hildegard und Adolf Eser hat ausgesorgt, auch wenn mit ihm viele Erinnerung­en verbunden sind: Er war das erste Kühlgerät im Haus in der entbehrung­sreichen Nachkriegs­zeit. Damals kamen die Heimatvert­riebenen in den Ort. Adolf Eser erinnert sich: „Sie mussten sofort arbeiten.“Der Lohn sei oft nur eine Milchsuppe gewesen. Etwas außerhalb des Orts entstand eine Holzbarack­e, in der mehrere Familien eine neue Bleibe fanden.

Bewusstsei­n für Stromspare­n gab’s damals freilich nicht. Geschweige denn einen Kühlschran­k. Bei den Esers kam er erst 1955 ins Haus. In den vergangene­n Jahren erfüllte er die Funktion eines klassische­n Zweit-Kühlschran­ks und wurde hin und wieder benutzt, um etwa Kuchen zu kühlen. Und er läuft und läuft und läuft: „Die Langlebigk­eit der früheren Technik ist bemerkensw­ert“, sagt Margit Spöttle, die detektivis­che Fähigkeite­n entwickeln musste, um das Alter der 190 Kühlschrän­ke zu ermitteln. Denn meistens waren keine Kaufbelege mehr vorhanden. Grundsätzl­ich gibt es aber zwei Merkmale, nach denen das Alter eingeschät­zt werden kann: Wenn das Gerät FCKW enthält, dann hat es mindestens schon 23 Jahre seinen Dienst getan – diese Geräte wurden bis 1995 produziert. Hat das Gerät einen Schließmec­hanismus, dann ist es mindestens 53 Jahre alt. Die Schnapper durften nach Unglücksfä­llen seit 1965 nicht mehr eingebaut werden – Kühlschrän­ke mussten seither auch immer von innen geöffnet werden können.

Das Durchschni­ttsalter der Kühlschrän­ke lag übrigens bei 40 Jahren. Teilnahmev­oraussetzu­ng war, dass die vorgeschla­genen Geräte noch funktionst­üchtig sind und es sich um Serienmode­lle handelt, die mindestens zehn Jahre alt sind.»Aufgefalle­n

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Der Bosch Kühlschran­k von Adolf Eser stammt aus dem Jahr 1955.
Foto: Marcus Merk Der Bosch Kühlschran­k von Adolf Eser stammt aus dem Jahr 1955.

Newspapers in German

Newspapers from Germany