Augsburger Allgemeine (Land West)

Zu schade für den Wertstoffh­of?

Warum viele Kühlschrän­ke entsorgt werden und was die Liebhaber von Retro-Design angesproch­en hätte

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Biberbach/Landkreis Augsburg Ob bei Tapeten, Möbeln oder Elektroger­äten: Retro-Optik ist angesagt. Auch für Kühlschrän­ke mit altem Design zahlen Liebhaber heutzutage viel Geld. Darüber waren sich die Initiatore­n des Landkreis-Wettbewerb­s im Klaren, als sie zur Suche nach dem ältesten Kühlschran­k riefen. Um die gute Optik von älteren Exemplaren wie dem Kühlschran­k von Hildegard und Adolf Eser aus dem Biberbache­r Ortsteil Affaltern zu erhalten, hatten sie ursprüngli­ch eine ungewöhnli­che Idee.

„Wir wollten Upcycling-Workshops anbieten“, verrät die Klimaschut­zbeauftrag­te des Landkreise­s, Margit Spöttle. Allerdings fand sich kein Referent, der die richtige Anleitung gegeben hätte, wie sich zum Beispiel aus dem Bosch der Esers ein modisches Regal bauen lässt. Oder eine Bar. Oder aus der Front mit dem auffällige­n Schnappgri­ff eine Art Pinnwand mit Magneten.

Es gibt viele Ideen, wie sich alte Kühlschrän­ke noch sinnvoll nutzen lassen. Aber nicht jedes Gerät, das für die Landkreis-Aktion vorgeschla­gen wurde, war auch tatsächlic­h fürs Upcycling geeignet: „Die Ästhetik hatten nur wenige“, sagt Spöttle. Und: „Auch nicht jeder ältere Kühlschran­k war wirklich gut erhalten.“

Laut Reglement des Wettbewerb­s wandern die Exemplare, für die es eine Tauschpräm­ie gibt, jetzt auf den Wertstoffh­of – bis auf zwei Geräte. Sie bleiben der Nachwelt erhalten. Margit Spöttle erklärt: „Wir hatten im Volkskunde­museum Oberschöne­feld nachgefrag­t. Dort gibt es Interesse.“Klar: Im Museum werden Geschichte und Kultur, Leben und Arbeiten des Alltags in Schwaben abgebildet. Und dazu gehört eben auch der Kühlschran­k. Er hatte vor 60 Jahren den Alltag in vielen Haushalten verändert.

Auch bei den Esers aus Affaltern. Ihr weißer Bosch war nach dem Krieg Fortschrit­t und Luxus zugleich. „Wir hatten damals ja noch keinen Fernseher“, erinnert sich Hildegard Eser. „Aber dafür einen Kühlschran­k.“Während er bereits in den 1930er-Jahren in den USA zur Standardau­sstattung in privaten Haushalten gehörte, kam der praktische Freund aller Frauen, der aufwendige­s Vorkochen und den täglichen Gang zum Einkaufen ersparte, erst in den 1950- und 1960er-Jahren flächendec­kend nach Deutschlan­d. Bei allen Vorzügen hatte der Ausfluss des Wirtschaft­swunders allerdings einen großen Nachteil: Die ersten Kühlschrän­ke fraßen Strom. Sehr viel Strom.

Um den hohen Verbrauch heute kritisch zu hinterfrag­en, wurde der Landkreis-Wettbewerb auf die Beine gestellt. Landrat Martin Sailer sagte bei der Abschlussv­eranstaltu­ng in Stadtberge­n: „Jeder kann zum Klimaschut­z in den eigenen vier Wänden beitragen. Der Wettbewerb hat uns gezeigt, dass viele Landkreisb­ürger bereit sind, ihren Beitrag zu leisten.“Von der Resonanz war das Klimaschut­z-Team des Landratsam­ts überwältig­t. „190 Bewerbunge­n gingen im Aktionszei­traum ein. Dass es dann so viele alte Geräte wurden, hatten wir nicht gedacht“, sagt die Klimaschut­zbeauftrag­te Margit Spöttle.

Das Durchschni­ttsalter der Kühlschrän­ke lag am Ende bei 40 Jahren. So verteilten sich die Geräte auf die vergangene­n Jahrzehnte:

● 1950er Jahre 27 Geräte

● 1960er Jahre 24 Geräte

● 1970er Jahre 24 Geräte

● 1980er Jahre 42 Geräte

● 1990er Jahre 37 Geräte

● 2000 und 2001 sechs Geräte. Insgesamt 30 Bewerbunge­n konnten jedoch nicht berücksich­tigt werden, da die Teilnahmeb­edingungen des Wettbewerb­s nicht erfüllt waren. Ausgelobt war für den Besitzer des ältesten teilnehmen­den Geräts eine Tauschpräm­ie über 400 Euro bei Ersatz durch ein modernes Gerät. Insgesamt waren 5000 Euro im Prämientop­f vorhanden

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Ein Stück Designgesc­hichte: Der Kühlschran­k von Familie Eser aus Biberbach Affaltern ist mehr als ein halbes Jahrhunder­t alt.
Foto: Marcus Merk Ein Stück Designgesc­hichte: Der Kühlschran­k von Familie Eser aus Biberbach Affaltern ist mehr als ein halbes Jahrhunder­t alt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany