Augsburger Allgemeine (Land West)
Kieselsteine aus kolumbianischem Kakao
Peter Müller und sein Team der Chocolaterie Müller fertigen wöchentlich frisch handgeschöpfte Pralinen. Dabei verfolgt der Konditor und Koch in Königsbrunn ein ganz spezielles Rohstoffkonzept / Serie (30)
Königsbrunn Lech-Kies ist jedem im Augsburger Land ein Begriff. Er ist rund, grau und in direkter Umgebung des Flusses zu finden. Aber was haben die Kieselsteine des Lechs mit Essen zu tun? In der Chocolaterie Müller in Königsbrunn wird Lech-Kies der besonderen Art gefertigt. Dieser schmeckt nach Nugat, Frucht, Karamell oder Nuss. Das sind die vier Sorten, in denen der Lech-Kies als besonders regional anmutende Praline in der Chocolaterie Müller hergestellt wird. Besonders aufwendig ist die Fertigung vor allem deswegen, weil nicht nur der Geschmack lecker, sondern auch die Optik passend sein soll.
Extra für die Lech-Kies-Pralinen wurde eine einzigartige, dreiteilige Pralinenform angeschafft, in der drei bis viereinhalb Zentimeter gro- ße, schmackhafte Pralinen gefertigt werden. Wie die süßen Stückchen Schritt für Schritt entstehen, erklärt Peter Müller, der Chef der Chocolaterie.
Um den Glanz der echten Lechkieselsteine zu imitieren, wird die Form zunächst mit einem Wattestäbchen poliert. Anschließend bringt ein zweistufiges Verfahren mit Airbrush-Technik passende Lebensmittelfarbe in die
Form. Zunächst sprüht der Chocolatier die gröbere Struktur des Kieselsteins auf, dann bekommt die Form die typisch grau marmorierte Farbe eines Kieselsteins. Je nach Geschmackskomposition wird die Form mit heller oder dunkler Kuvertüre ausgegossen. In zwei hauchdünnen Schichten zieht der Konditor die Schokolade auf, die später die Füllung umhüllt. Um für eine gleichmäßige Schokoladenhülle zu sorgen, wird die Form regelmäßig abgeklopft.
Dann kommt die Füllung in die Form. Diese muss bereits im Vorfeld vorbereitet werden. In die aufgekochte Sahne werden eine Vanilleschote, Kuvertüre und Karamell gegeben. Nach diesem Vorgang wird die Füllung abgekühlt. Erst wenn die Steinform vorbereitet ist, wird die Füllung langsam erwärmt, bis sie spritzfähig ist und in die Kieselform darf. Die Füllung darf nicht aufgeschlagen werden, und auch beim Einfüllen wird die Form leicht geklopft, damit sich keine Lufteinschlüsse bilden. Nach einer kurzen Phase des Antrocknens kommen die Pralinen in den Kühlschrank und werden auf sechs bis sieben Grad Celsius abgekühlt. Sobald sie sich von der Plexiglasform lösen, sind die Pralinen fertig. Dann kommen sie in die Verkaufstheke. Summa summarum dauert die Fertigung einer Praline etwa zwei Stunden.
Pralinensorten gibt es in der Chocolaterie in ganz verschiedenen Geschmacksrichtungen. 60 verschiedene Sorten zählt der Chef und erklärt: „Eigentlich müssten wir auf 40 Sorten reduzieren, um wirtschaftlich zu bleiben.“Um welche Sorten das Portfolio verringert wird, ist noch nicht klar. Vermutlich wird es eher eine Fokussierung auf die Saison geben. In den Wintermonaten schätzen die Kunden Kreationen mit Nugat, Mandeln, Haselnüssen und Gewürzen. Im Sommer sind frische Produkte, Früchte, Blüten und alkoholische Pralinen mit Prosecco oder Weißwein gefragt.
Wie die Chocolaterie an ihre Schokolade kommt, ist dabei eine kleine Besonderheit. Müller verfolgt ein spezielles Rohstoffkonzept. Ihn interessiert nicht nur die Qualität des Produkts, sondern auch das, was derjenige bekommt, der es produziert. Im Fall des gelernten Konditors und Kochs sorgen mehrere Hundert Bauern aus Kolumbien dafür, dass Müller Pralinen fertigen kann. Der Festpreis, den die Bauern dafür bekommen, ist etwa viermal höher als der Preis im FairtradeHandel und auch höher als das, was die Bauern für den Handel mit Hanf bekämen. Die Bauern, die für die Chocolaterie Müller Kakao anbauen, sind aus einer Gruppe von Direkterzeugern. Aus vier Plantagen in Kolumbien kommen die Kakaobohnen zusammen und werden zu feinstem Edelkakao verarbeitet. In Deutschland wird die Kakao-Rohmaße mit bayerischer Milch und Rohrzucker aus Paraguay aufbereitet und conchiert.
Den Rohrzucker bezieht Müller aus Paraguay. Für Sternefair-Milch bezahlt er 56 Cent pro Liter. Ab März wird der Kaffee ebenfalls direkt zu einem Festpreis aus Kolumbien geliefert. Das Prinzip, das simpel klingt, bedingt jede Menge Überzeugungsarbeit – vor allem bei der Suche nach Bauern, die sich auf eine Kooperation einlassen. „Anfangs waren sie uns gegenüber sehr skeptisch“, erinnert sich Müller. Jetzt haben sie Vertrauen gefasst und wissen: Sie bekommen von Müller und anderen Kooperationspartner eine faire und vor allem zuverlässige Entlohnung für ihre Arbeit. Für die Kinder dieser Bauern gilt Schulpflicht. Daneben dürfen sie bei der Kakao-Ernte helfen.
Für die Bauern ist die Form der Kooperation auch ein Grund, in ihrem Heimatland zu bleiben. Steht die Kooperation, wird ein Verantwortlicher, der idealerweise beide Kulturen oder zumindest Sprachen kennt, eingesetzt, um sich um die reibungslose Logistik zu kümmern. Für den Weg von Kolumbien bis in die Chocolaterie ist der Kakao zwei bis drei Wochen unterwegs.
Neben den süßen Leckereien wie Pralinen und Schokolade aus dem Hause Müller bietet die Chocolaterie eine Frühstückskarte, Mittagstisch, zwei verschiedene BrunchAngebote zum Wochenende sowie Catering und Eventorganisation.