Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Fahrfehler und eine Frage ohne Antwort
In Langweid stirbt im Juni 2017 ein Motorradfahrer. Der Unfall verändert nicht nur das Leben des Verursachers
Langweid Es sind diese zwei Worte, die den Angehörigen Tag und Nacht durch den Kopf gehen: Warum nur? Warum musste am 8. Juni 2017 der 45-jährige Familienvater aus dem Nachbarlandkreis Aichach-Friedberg sterben?
Ein Autofahrer hatte den Motorradfahrer auf der Rehlinger Straße in Langweid beim Abbiegen übersehen. Gestern stand der 21-Jährige vor Gericht. Eine Antwort auf die Frage hatte er nicht.
Der junge Mann aus dem Landkreis Weilheim-Schongau hatte an dem klaren Sommertag seine Tante besucht. Nach einem Spaziergang wollte er wieder nach Hause fahren. „Ich hatte etwas Bauchschmerzen und suchte eine Tankstelle, um eine Pause zu machen und um vielleicht einen Kaffee zu trinken“, sagte er vor Gericht. Deshalb fuhr er von der B 2 ab. Bis zum verhängnisvollen Augenblick waren es nur noch Sekunden.
Der 21-Jährige wollte von der Rehlinger Straße links in die Rudolf-Diesel-Straße. Er ordnete sich deshalb auf dem kurzen Abbiegestreifen ein. Blinkte. Und fuhr los. „Dann hat es geknallt.“Ruhig schilderte der 21-Jährige, wie er die nächsten Minuten wahrgenommen hatte. „Nachdem ich den Schlag gehört hatte, bin ich sitzen geblieben. Ich wusste nicht, was los war“, sagte er. Ein Autofahrer, der mit seiner Partnerin den Unfall direkt mitbekommen hatte, kümmerte sich um den 21-Jährigen, der unter Schock stand. „Er hat gesagt, dass er auf der Suche nach einer Tankstelle war. Später sagte er immer wieder: ,Ich habe ihn getötet.‘“Eine weitere Zeugin, die die Unfallstelle absicherte, erinnerte sich: „Er war aufgebracht und hat geweint.“Das bestätigte ein Polizist. „Er war außer sich vor Entsetzen. Er hatte sofort realisiert, was passiert ist.“Schließlich hatte der damals 20-Jährige den Motorradfahrer am Boden liegen gesehen. Er war nach dem frontalen Zusammenstoß etwa 20 Meter durch die Luft geflogen und dann auf dem Geh- und Radweg gelandet. Ein zufällig vorbeigekommener Sanitäter kümmerte sich mit einem anderen Mann um ihn: Sie nahmen ihm den Helm ab und begannen mit der Reanimation. Der Versuch, den dreifachen Vater am Leben zu halten, scheiterte: Die inneren Verletzungen waren zu schwer.
Ein Gutachten ergab, dass der Wagen des 20-Jährigen eine Geschwindigkeit von 18 bis 26 Stundenkilometer bei der Kollision hatte, das Motorrad von
80 bis 95. Ein anderer Motorradfahrer, der zufällig hinter dem
45-Jährigen unterwegs war, bestätigte: „Wir sind nicht mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren.“Laut dem Gutachten waren weder am Auto noch am Krad Mängel festzustellen. Die Polizei hielt fest: Die Strecke an der Kreuzung von Rehlinger Straße und RudolfDiesel-Straße war übersichtlich an diesem frühen Abend, es gab auch keine tief stehende Sonne, die hätte blenden können. „Mir ist schleierhaft, warum der Autofahrer uns nicht gesehen hat“, sagte der Motorradfahrer, vor dessen Augen sich der tödliche Unfall abgespielt hatte, vor Gericht. Nach seiner Einschätzung hatte der 45-Jährige keinerlei Chance abzubremsen, geschweige denn, den Unfall zu verhindern.
Von „Momentversagen mit fatalen Folgen“sprach Richter Günther Baumann. Was passiert ist, lasse sich nicht nachvollziehen. Jeder nehme sich nach diesem schlimmen Ereignis zwar vor, noch besser aufzupassen. „Aber so etwas ausschließen kann keiner“, sagte Baumann. „Dieses Momentversagen kann jedem passieren.“Der Richter verurteilte den 21-Jährigen, der schon wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bestraft worden war, zu einem Verkehrsunterricht mit Fahrsicherheitstraining und einer Geldstrafe von 2000 Euro. Von einem Fahrverbot sah er ab: Sonst müsste der junge Mann, der noch bei seinen Eltern lebt, seinen Job als Qualitätsprüfer an den Nagel hängen. Aus tiefsten Herzen entschuldigte er sich vor Gericht bei den Angehörigen: „Ich würde alles geben, wenn ich es rückgängig machen könnte. Ich kann auch verstehen, wenn Sie mich abgrundtief hassen. Ich kann nur hoffen, dass Sie mir irgendwann verzeihen können.“