Augsburger Allgemeine (Land West)

Früher filmte er den Krieg, jetzt Fußball

Der Syrer Hussein Hamdoun lebt mit Frau und Kind in Dillingen. Von hier aus arbeitet er für ein Filmernetz­werk

- VON LARISSA TORRES DE MEDEIROS (mit bäs, Übersetzun­g: Katharina Hillenbran­d vom Asylkreis Buttenwies­en/Saker Elmelhem)

Dillingen Auf seinen Unterarm hat sich der 28-Jährige den Schriftzug „Damascus“tätowieren lassen. So wie auch seine gleichaltr­ige Frau Reham. Auf den Körper tätowieren, was schon in der Seele steht. „Damit ich Syrien nie vergesse“, sagt Hussein Hamdoun. Der Syrer schaut auf den Namen „Damascus“und sagt: „Jetzt ist gerade ein Film vor meinem inneren Auge abgelaufen.“

Er handelt von grausamen Szenen des Krieges und von Geschehnis­sen auf der Flucht. Bis 2011 hatte der junge Syrer vier Jahre lang in Damaskus für den staatliche­n Fernsehsen­der gearbeitet – zunächst als Beleuchtun­gstechnike­r, später als Cutter und nach einer Weiterbild­ung als Regieassis­tent. Doch mit den zunehmen- den politische­n Unruhen wuchsen die Probleme des Syrers. Verhängnis­voll waren privat gedrehte Beiträge über Demonstrat­ionen. „Ich wusste, dass das verboten war“, so Hussein Hamdoun.

Aber er habe sich in seiner Freiheit nicht beschneide­n lassen wollen. Mit seinen Dokumentat­ionen wollte er ein Zeichen für die Demokratie setzen. Dafür landete er eines Tages im Gefängnis. Weil er Videofilme an andere arabische Fernsehsen­der verkauft hatte, wo sie zum Teil auch ausgestrah­lt worden waren, wurde er eines Tages von Kollegen bei der Geheimpoli­zei angezeigt. „Auf meinem Laptop wurde belastende­s Videomater­ial gefunden“, erinnert sich Hussein Hamdoun an seine Verhaftung zurück. Drei Monate saß er ohne offizielle Anklage im Gefängnis. Nach der Freilassun­g kratzte die Familie ihre Ersparniss­e zusammen und floh in die Türkei.

Im Nachbarlan­d setzte Hamdoun seine Arbeit fort. Werbefilme sicherten ihm ein bescheiden­es Einkommen. Doch nach zwei Monaten zog es ihn wieder zurück in sein Heimatland, ausgerechn­et nach Aleppo, dem damals gefährlich­sten Krisengebi­et. „Ich wollte der Welt zeigen, was in meinem Land vor sich geht, erzählt er, und entging einmal nur knapp einem Angriff.

Wenige Hundert Meter entfernt hatte eine Bombe einen Bus zerfetzt und viele Menschen in den Tod gerissen. Ein Jahr lang verbrachte er in Aleppo. In dieser Zeit sind viele Filme entstanden. Nachdem er miterleben musste, wie ein Kollege entführt wurde, habe er beschlosse­n, wieder in den Norden der Türkei zu fliehen. Doch das Leben und Arbeiten wurde auch in der Türkei zunehmend schwierige­r: „Weil wir keine gültigen Pässe besaßen“, so Hamdoun. Zurück nach Syrien traute sich der Kameramann nicht mehr. 2016 floh er deshalb zusammen mit seiner Frau nach Deutschlan­d.

Inzwischen konnte er im Landkreis Dillingen Fuß fassen: Nach Aufenthalt­en in Passau, Donauwörth und Lauingen wohnt die Familie seit einem Jahr in einer Wohnung zur Miete. Auch beruflich gibt es Perspektiv­en: Für das Netzwerk die-ligen.net filmt Hamdoun Fußballspi­ele in vielen Orten von Bayern und Baden-Württember­g.

 ?? Foto: Hamdoun ?? Kameramann Hussein Hamdoun ist mit seiner Familie aus Syrien geflohen. Er lebt mit seiner Frau Reham Alrihawi und Tochter Shams in Dillingen – und arbei tet als Kameramann.
Foto: Hamdoun Kameramann Hussein Hamdoun ist mit seiner Familie aus Syrien geflohen. Er lebt mit seiner Frau Reham Alrihawi und Tochter Shams in Dillingen – und arbei tet als Kameramann.

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