Augsburger Allgemeine (Land West)

Union und SPD einigen sich beim Familienna­chzug

Beide Parteien verkaufen das Ergebnis als Erfolg auf dem Weg zur Großen Koalition

- VON MARTIN FERBER

Berlin CDU, CSU und SPD sind auf dem Weg zur Neuauflage einer Großen Koalition einen entscheide­nden Schritt vorangekom­men. Unterhändl­er der drei Parteien einigten sich am Dienstag nach langen, zähen und zum Teil sehr heftigen Verhandlun­gen auf eine Neuregelun­g beim Familienna­chzug von Flüchtling­en mit eingeschrä­nktem Schutz. Bereits am morgigen Donnerstag wollen die bisherigen und wahrschein­lich auch zukünftige­n Regierungs­partner im Bundestag die Neuregelun­g beschließe­n.

Vor zwei Jahren hatten Union und SPD den Familienna­chzug für zwei Jahre ausgesetzt, Mitte März läuft diese Frist aus. Der Kompromiss sieht vor, dass der Familienna­chzug bis 31. Juli ausgesetzt bleibt, danach gilt eine Obergrenze von 1000 Menschen pro Monat. Ist dieses Kontingent ausgeschöp­ft, kann im Einzelfall eine Härtefallr­egelung greifen. Die Details sollen bis August ausgearbei­tet werden.

SPD-Chef Martin Schulz sprach in einer Botschaft an die Parteimitg­lieder von einer „guten Einigung“. Mit einer „deutlich weitergehe­nden Härtefallr­egelung“, wie vom Parteitag verlangt, habe sich die SPD in den Verhandlun­gen mit der Union „durchgeset­zt“.

Dagegen wiesen Vertreter der Union darauf hin, dass es auch ab dem 1. August bei einer strikten Begrenzung des Nachzugs bleibe. Die Innenexper­ten von CDU und CSU, Stephan Harbarth und Stephan Mayer, betonten, es werde auch in Zukunft keinen Rechtsansp­ruch auf Nachzug geben. Man gebe den Kommunen „die nötige Zeit und Planungssi­cherheit, um die Mammutaufg­abe der Integratio­n zu meistern“. Mayer sagte: „Mit dieser Begrenzung der Zuwanderun­g leisten wir einen Beitrag zum Erhalt des gesellscha­ftlichen Friedens.“Der geschäftsf­ührende Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) sprach von einem „klugen und ausgewogen­en Kompromiss“. Dagegen kritisiert­en sowohl Vertreter der SPD als auch der Opposition die Regelung.

„Die SPD geht beim Familienna­chzug in Vorleistun­g und bekommt von der Union dafür ungedeckte Schecks“, bemängelte JusoChef Kevin Kühnert, der auch eine Neuauflage der Großen Koalition ablehnt. So sei vollkommen unklar, ob die Härtefallr­egelung wirklich komme und wie sie aussehen werde. „Die Regelung 1000+, mit der die SPD jetzt wirbt, ist auf Grundlage der veröffentl­ichten Informatio­nen leider nicht mehr als eine vage Hoffnung.“SPD-Parteivize Ralf Stegner nannte die CSU am Abend in den

ARD-Tagestheme­n scheinheil­ig: Er sei „sehr befremdet, dass eine Partei, die sich christlich nennt, mit einer solchen Inbrunst gegen die Zusammenfü­hrung von Familien“kämpfe. Massive Kritik übte Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth von den Grünen: „Diese Einigung ist vor allem eine schrecklic­he Nachricht für die Kinder und Eltern, die seit über zwei Jahren darauf warten, sich endlich wieder in die Arme schließen zu können.“

Warum die GroKo jetzt kommen kann, steht im Kommentar.

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