Augsburger Allgemeine (Land West)
Union und SPD einigen sich beim Familiennachzug
Beide Parteien verkaufen das Ergebnis als Erfolg auf dem Weg zur Großen Koalition
Berlin CDU, CSU und SPD sind auf dem Weg zur Neuauflage einer Großen Koalition einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Unterhändler der drei Parteien einigten sich am Dienstag nach langen, zähen und zum Teil sehr heftigen Verhandlungen auf eine Neuregelung beim Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz. Bereits am morgigen Donnerstag wollen die bisherigen und wahrscheinlich auch zukünftigen Regierungspartner im Bundestag die Neuregelung beschließen.
Vor zwei Jahren hatten Union und SPD den Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt, Mitte März läuft diese Frist aus. Der Kompromiss sieht vor, dass der Familiennachzug bis 31. Juli ausgesetzt bleibt, danach gilt eine Obergrenze von 1000 Menschen pro Monat. Ist dieses Kontingent ausgeschöpft, kann im Einzelfall eine Härtefallregelung greifen. Die Details sollen bis August ausgearbeitet werden.
SPD-Chef Martin Schulz sprach in einer Botschaft an die Parteimitglieder von einer „guten Einigung“. Mit einer „deutlich weitergehenden Härtefallregelung“, wie vom Parteitag verlangt, habe sich die SPD in den Verhandlungen mit der Union „durchgesetzt“.
Dagegen wiesen Vertreter der Union darauf hin, dass es auch ab dem 1. August bei einer strikten Begrenzung des Nachzugs bleibe. Die Innenexperten von CDU und CSU, Stephan Harbarth und Stephan Mayer, betonten, es werde auch in Zukunft keinen Rechtsanspruch auf Nachzug geben. Man gebe den Kommunen „die nötige Zeit und Planungssicherheit, um die Mammutaufgabe der Integration zu meistern“. Mayer sagte: „Mit dieser Begrenzung der Zuwanderung leisten wir einen Beitrag zum Erhalt des gesellschaftlichen Friedens.“Der geschäftsführende Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach von einem „klugen und ausgewogenen Kompromiss“. Dagegen kritisierten sowohl Vertreter der SPD als auch der Opposition die Regelung.
„Die SPD geht beim Familiennachzug in Vorleistung und bekommt von der Union dafür ungedeckte Schecks“, bemängelte JusoChef Kevin Kühnert, der auch eine Neuauflage der Großen Koalition ablehnt. So sei vollkommen unklar, ob die Härtefallregelung wirklich komme und wie sie aussehen werde. „Die Regelung 1000+, mit der die SPD jetzt wirbt, ist auf Grundlage der veröffentlichten Informationen leider nicht mehr als eine vage Hoffnung.“SPD-Parteivize Ralf Stegner nannte die CSU am Abend in den
ARD-Tagesthemen scheinheilig: Er sei „sehr befremdet, dass eine Partei, die sich christlich nennt, mit einer solchen Inbrunst gegen die Zusammenführung von Familien“kämpfe. Massive Kritik übte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen: „Diese Einigung ist vor allem eine schreckliche Nachricht für die Kinder und Eltern, die seit über zwei Jahren darauf warten, sich endlich wieder in die Arme schließen zu können.“
Warum die GroKo jetzt kommen kann, steht im Kommentar.