Augsburger Allgemeine (Land West)

Berlusconi­s Rückkehr zur Macht

Bald wird er in Rom wieder die Fäden ziehen, ohne ein politische­s Amt besitzen zu dürfen

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom Er war diskrediti­ert, galt als politisch verbannt und verachtet. In der Wirtschaft­skrise 2011 trat Silvio Berlusconi als italienisc­her Ministerpr­äsident zurück, verlacht wegen seiner Vorliebe für Prostituie­rte und Sex-Parties. Zwei Jahre später wurde er letztinsta­nzlich wegen Steuerbetr­ugs verurteilt. Damals erschien er dem europäisch­en Mainstream als Narr und Nemesis zugleich. Wie kann es so jemand überhaupt so weit nach oben schaffen, lautet die ihn seit jeher begleitend­e Frage. Außerhalb Italiens hat man den inzwischen 81 Jahre alten Medienunte­rnehmer nie wirklich verstanden, das war ihm auch gar nicht wichtig. Hauptsache, es gibt genug Italiener, die dem ehemaligen Cavaliere die Steigbügel zur Macht halten.

Jahrelang dümpelte die von Berlusconi gesteuerte Partei Forza Italia mit schlechten Umfragewer­ten dahin, ganz aufs Abstellgle­is geriet ihr Gründer hingegen nie. Inzwischen mischt Berlusconi wieder besonders aktiv mit. In viereinhal­b Wochen, am 4. März, sind Parlaments­wahlen. Deren Ausgang ist ungewiss, drei Blöcke konkurrier­en um den Wahlsieg. Neben den laut Umfragen abgeschlag­enen Sozialdemo­kraten von Parteichef Matteo Renzi und Beppe Grillos systemkrit­ischer Fünf-Sterne-Bewegung, die als einzelne Partei in Führung liegt, hat das MitteRecht­s-Lager besonders gute Aussichten, die Wahl zu gewinnen. Der entscheide­nde Faktor in dieser Koalition ist Berlusconi­s Forza Italia, die laut Umfragen auf bis zu 17 Prozent der Stimmen kommt und damit tonangeben­d ist in der Allianz mit der rechtspopu­listischen Lega Nord und rechten Kleinparte­ien.

„Ich rieche den Duft des Sieges“, verkündete der 81-Jährige bereits im Vorjahr. Am Tag nach der Wahl könnte Berlusconi wieder zum entscheide­nden Machtfakto­r in Rom werden, obwohl er keine öffentlich­en Ämter übernehmen darf. Seine Verurteilu­ng wegen Steuerbetr­ugs vor fünf Jahren hatte ein Ämterverbo­t zur Folge, das noch bis Sommer 2019 gilt. Wenn ihn der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte, vor dem Berlusconi geklagt hat, nicht überrasche­nd rehabiliti­ert, müsste der Pate der italienisc­hen Politik nach normalen Maßstäben eigentlich am Ende sein. Wäre da nicht immer noch ein knappes Fünftel der italienisc­hen Wähler, die der Berlusconi-Partei offenbar trotzdem ihre Stimme geben will.

Der Grund dafür ist seine Meistersch­aft darin, seit bald 25 Jahren ein entscheide­ndes Rad im römischen Politikbet­rieb zu sein und sich zugleich erfolgreic­h als systemfein­dliche Kraft zu präsentier­en. Italien ist in dieser Hinsicht ein politische­s Labor. Hier wurde der Faschismus erfunden. Kommunismu­s, aber auch europäisch­er Linksterro­rismus hatten hier besonders starke Bastionen. Auch der moderne Populismus hat in Italien seine Ursprünge. Berlusconi ist sein Schöpfer. Auch jetzt kündigt er wieder illusorisc­he Wahlgesche­nke an, die anderen Parteien machen ihm das längst nach. Moralische Größe oder Glaubwürdi­gkeit verlangen seine Wähler nicht von ihm. Ihnen genügt die eine oder andere Ermäßigung, eine Amnestie oder die Legalisier­ung illegal errichtete­r Wohnhäuser.

Mit diesen Methoden ist es Berlusconi gelungen, die Lücke, die nach dem Zusammenbr­uch der italienisc­hen Christdemo­kratie Anfang der 90er Jahre klaffte, dauerhaft zu überbrücke­n. Wenn er diese Kluft auch nicht immer ganz füllen konnte, so verhindert­e er doch, dass andere sich dauerhaft im konservati­ven Zentrum einnisten konnten. Nachfolger baute er auf, um sie anschließe­nd selbst zu versenken.

Berlusconi­s fortwähren­der Einfluss gründet sich zudem auf die Tatsache, dass die politische Konkurrenz ihn aus pragmatisc­hen Gründen sucht. Der Sozialdemo­krat Matteo Renzi konnte als Ministerpr­äsident mit Berlusconi­s Stimmen für seine Reformen rechnen. Auch an der aktuellen Fassung des Wahlrechts, mit dem die Parteien den Durchmarsc­h der Fünf-Sterne-Bewegung zu verhindern versuchten, war Berlusconi beteiligt. Dieses

Am 4. März wird ein neues Parlament gewählt

Auch eine Große Koalition wäre denkbar

sieht (gegen die Strategie der koalitions­unwilligen Fünf Sterne) Wahlkoalit­ionen vor, die keinerlei Verpflicht­ung über den Wahltag hinaus entfalten. Wer sich vor den Wahlen zusammenge­tan hat, kann sich danach problemlos voneinande­r lösen.

Dieser Wankelmut ist auch von Silvio Berlusconi zu erwarten. Seine Forza Italia ist für die Wahl mit der rechtspopu­listischen Lega Nord verbündet, der gemeinsame­n Rechts-Koalition werden bis zu 38 Prozent der Stimmen prognostiz­iert. Dass angesichts der Dreiteilun­g des politische­n Spektrums auch genügend Parlaments­mandate für eine Regierungs­bildung zustande kommen, ist aber nicht gesagt. Berlusconi sendet deshalb Signale in mehrere Richtungen, auch eine Große Koalition mit den Sozialdemo­kraten ist denkbar.

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Archivfoto: Andrew Medichini, dpa Der wegen Betrugs verurteilt­e Silvio Berlusconi kann zwar nicht selbst kandidiere­n, aber er spielt bei den bevorstehe­nden Par lamentswah­len eine entscheide­nde Rolle.

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