Augsburger Allgemeine (Land West)

Alles für ein Glas Nutella

Kunden prügeln sich in Frankreich um reduzierte Riesengläs­er. Jetzt beschäftig­t die Sache sogar die Regierung

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Bei dieser Sparaktion fielen nicht nur die Preise auf ein rekordverd­ächtiges Tief, sondern auch die Manieren der Kunden: Als die französisc­he Supermarkt­kette Intermarch­é vor einigen Tagen mit einem

70-Prozent-Rabatt auf das

950-Gramm-Glas Nutella lockte, kamen die Menschen nicht nur zuhauf. Sie prügelten sich in mehreren Geschäften sogar um den NussNougat-Aufstrich, der statt der üblichen 4,50 Euro nur noch 1,41 Euro kostete. Einige hätten sich wie die Tiere aufeinande­rgestürzt, sagte ein Augenzeuge: „Eine Frau wurde an den Haaren weggezogen, eine ältere Dame bekam einen Karton über den Kopf gezogen.“

Nun hat die Rabatt-Aktion ein zweifaches Nachspiel: Die französisc­he Anti-Betrugsbeh­örde ermittelt, ob das Super-Sonderange­bot legal war. Nutella-Hersteller Ferrero ließ erklären, dass es sich um eine einseitige Entscheidu­ng von Intermarch­é gehandelt habe. Zufällig wird heute im Ministerra­t ein Gesetzespr­ojekt vorgestell­t, das eine Begrenzung von Rabatten in großen Handelsket­ten vorsieht.

Daneben versuchen Kommentato­ren, Erklärunge­n für das rabiate Verhalten zu finden: Ist es Ausdruck von Armut und sozialem Elend? Fanden die Raufereien nicht gerade in Gebieten statt, wo die Arbeitslos­igkeit besonders hoch liegt? „Die ungeheuerl­ichen Bilder können ein Problem der Kaufkraft und Verantwort­ungslosigk­eit derer enthüllen, die verkaufen“, erklärte Justizmini­sterin Nicole Belloubet. Dem Marketing-Professor Benoît Heilbrunn zufolge kommen Industriep­rodukte wie Nutella besonders gut bei sozial schwachen und bildungsfe­rnen Schichten an, denen es schwererfa­lle, sich von der WerbeRheto­rik der Marken zu lösen. Fastfoodke­tten und Hersteller von Tiefkühlko­st machen im Land der Haute Cuisine großen Umsatz. Mit rund einem Kilo Nutella pro Jahr und Person gehören die Franzosen zu den großen Liebhabern des Frühstücks­aufstrichs.

Eine Nutella-Affäre gab es schon 2012, als französisc­he Senatoren ohne Erfolg versuchten, eine höhere Abgabe auf das darin enthaltene Palmöl durchzuset­zen. Die damalige Umweltmini­sterin Ségolène Royal schlug sogar einen Nutella-Boykott vor – und löste eine diplomatis­che Mini-Krise mit Italien aus.

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Foto: M. Brandt, dpa Das 950 Gramm Glas kostete nur 1,41 Euro statt 4,50 Euro.

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