Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie sich Familie und Beruf vereinbare­n lassen

Immer mehr Eltern nutzen Elterngeld Plus. IHK-Mitarbeite­rin Bettina Kräußlich berichtet von ihren Erfahrunge­n. Das Wichtigste bei der Suche nach dem passenden Modell ist die Kommunikat­ion

- VON VERA LATOTZKI DOLL

Bettina Kräußlich geht durchs Foyer der Industrie- und Handelskam­mer (IHK); grüßt hier jemanden, grüßt da jemanden. Seit drei Monaten hat sie ihre Kollegen nicht gesehen. Im Oktober 2017 ist sie Mama geworden. Das erste halbe Jahr bleibt sie komplett zu Hause, um für ihren Sohn da zu sein. Danach geht sie für 15 Stunden in der Woche wieder arbeiten. Ab Oktober 2018 möchte sie 30 Stunden pro Woche in ihrem alten Beruf arbeiten. Elterngeld bezieht die IHK-Regionalge­schäftsfüh­rerin für Nordschwab­en

18 Monate lang. Dies ist durch die Einführung von Elterngeld Plus seit dem 1. Juli 2015 möglich.

Kräußlich gehört zu 28 Prozent der Eltern in Deutschlan­d, die im dritten Quartal 2017 Elterngeld Plus beantragt haben. Seit der Einführung haben sich mehr als doppelt so viele Eltern für die neue Lösung entschiede­n. Einige nutzen die staatliche Leistung, um Familie und Beruf besser vereinen zu können, andere einfach nur, um länger Geld vom Staat zu bekommen. In Bayern waren es im selben Zeitraum gut 22 Prozent Bezieher von Elterngeld Plus. Für Augsburg gab es vom Zentrum Bayern Familie und Soziales auf Anfrage unserer Zeitung keine gesonderte­n Zahlen.

Mehr Geld vom Staat gibt es insgesamt aber nicht. Beim Elterngeld werden zwölf Monate lang 65 bis

100 Prozent des letzten Gehalts bezahlt. Beim Elterngeld Plus werden aus einem Monat des bisherigen Elterngeld­es zwei Monate Elterngeld Plus. Jedoch beträgt dieses höchstens die Hälfte des bisherigen Elterngeld­es. Man kann die staatliche Leistung also nur strecken, aber nicht erhöhen. Im Fall von Kräußlich wandelt sie sechs Monate normales Elterngeld in zwölf Monate Elterngeld Plus um.

„Tendenziel­l lohnt sich das Elterngeld Plus eher für die, die weniger verdienen“, erklärt Beatrix Bauer, Personalle­iterin bei der IHK. „Das liegt an der Deckelung.“Mehr als 900 Euro pro Monat werden an Elterngeld Plus nicht bezahlt.

Es gibt aber neben der verlängert­en Zahlung auch andere Beweggründ­e, das Elterngeld Plus zu nutzen. „Das Finanziell­e ist nicht al- les“, erzählt Kräußlich. „Meine primäre Motivation war, am Ball zu bleiben, weil ich einfach gerne arbeiten gehe.“Außerdem möchte sie ihre vielen Kontakte innerhalb des Betriebes sowie nach außen hin pflegen. Daher auch der Einstieg mit erst einmal 15 Stunden pro Woche.

Bei der IHK arbeiten von 200 Mitarbeite­rn etwa die Hälfte in Teilzeit. 40 Arbeitnehm­er davon haben Kinder unter 18 Jahren. Wie viele davon Elterngeld Plus beziehen, kann Bauer nicht sagen. „Das ist reine Privatange­legenheit. Das läuft nicht über uns.“Auffallend ist jedoch, dass zunehmend Väter ihre Wochenstun­den so kürzen, dass sie mehr für die Familie da sein können. Das kann eine Reduzierun­g auf 35 Wochenstun­den, eine Teilzeitst­elle oder aber auch die Nutzung von Partnermon­aten im Zusammenha­ng mit Elterngeld sein.

Innerhalb der finanziell­en Leis- für Eltern ist ein Partnersch­aftsbonus möglich. Leistungen werden länger gezahlt, wenn zusätzlich der Partner komplett oder zum Teil zu Hause bleibt. Motivation­en hierfür sind unter anderem: Mehr Zeit mit dem Kind verbringen, den Partner besser im Beruf unterstütz­en und länger Geld vom Staat erhalten.

Durch ein gutes familiäres Netzwerk hat es sich bei Familie Kräußlich nicht angeboten, Partnersch­aftsmonate zu nutzen. „Ansonsten wäre das bestimmt ein Thema für uns gewesen“, sagt die junge Mutter. Bei vielen anderen Müttern ist der Grund, warum die Väter den Partnerbon­us nicht nutzen, ein anderer: Der Einkommens­verlust wäre zu groß. Elterngeld – ein Begriff, so viele Möglichkei­ten. Das alles zu verstehen und das richtige für sich zu finden, fällt vielen Eltern schwer. Die Antragsste­llung wird nicht als wesentlich einfacher empfunden. „Es ist schon wie eine kleine Steuererkl­ärung“, berichtet Kräußlich. „Einige Stunden Arbeit stecken aufgrund der umfassende­n Angaben in einem Antrag drin.“Informiert hat sie sich über das Internet. Dort nutzte die Mutter einen Elterngeld­rechner, um zu sehen, welche Variante ihr was bringt. Diesen finden werdende Eltern im Internet unter: https://www.familien-wegweiser.de/Elterngeld­rechnerPla­ner Möglich wäre aber auch eine Beratung im Zentrum Familie und Beruf gewesen.

Die Wünsche und Bedürfniss­e von Eltern zum Thema Familie und Beruf sind sehr vielfältig und individuel­l. Das weiß auch Bauer. Daher versucht sie immer, die passende Möglichkei­t für die Mitarbeite­r zu finden. „Alles ist nicht möglich. Aber Kommunikat­ion ist alles.“Wichtig ist ihr, dass der Staat vor altungen lem die Kinderbetr­euung unterstütz­t, damit jede Mutter die Möglichkei­t hat, so wieder arbeiten zu gehen, wie sie es möchte. „Wenn die Mutter sagt, die Situation passt für sie, dann funktionie­rt es für alle Beteiligte­n. Wenn es der Mutter gut geht, geht es dem Kind auch gut.“

Kräußlich hat mit ihrem Mann entschiede­n, ihr Kind neben der familiären Betreuung ab September bis zu sechs Stunden in einer Krippe unterzubri­ngen. Die Besichtigu­ngen und die Vergabe eines Platzes laufen noch, doch sie ist sehr zuversicht­lich, einen Platz zu bekommen.

Während ihrer Abwesenhei­t übernimmt eine Kollegin ihre Stelle. „Für die Mitarbeite­rin ist diese Situation eine tolle Chance“, erwähnt Bauer. „Sie kann zeigen, was in ihr steckt und welche Aufgaben wir ihr noch übertragen können, um für die Zukunft eine gewisse Aufwertung vorzunehme­n.“

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Bettina Kräußlich bezieht Elterngeld und befindet sich mit Sohn Ben in Elternzeit. Das erste halbe Jahr bleibt sie zu Hause. Dann will sie mit 15 Stunden in der Woche beginnen und ab Oktober wieder 30 Stunden in ihrem alten Beruf arbeiten.
Foto: Annette Zoepf Bettina Kräußlich bezieht Elterngeld und befindet sich mit Sohn Ben in Elternzeit. Das erste halbe Jahr bleibt sie zu Hause. Dann will sie mit 15 Stunden in der Woche beginnen und ab Oktober wieder 30 Stunden in ihrem alten Beruf arbeiten.

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