Augsburger Allgemeine (Land West)
Der seltsame Fall eines Augsburger Künstlers
Ein Kunstmaler landete vor Gericht, weil er ein Hitler-Porträt mit buntem Schnurrbart verfremdet und ins Fenster gestellt hatte. Das Verfahren wurde zwischenzeitlich eingestellt. Nun muss der Mann wieder auf die Anklagebank
Mit der Kunst ist es ja so: Dass sie nicht jedermann gefällt, Grenzen auslotet, Menschen auch mal vor den Kopf stößt, liegt in der Natur der Sache. Dass sie ein Fall für die Justiz wird, ist eher seltener ein Thema. Was nicht heißt, dass so etwas nicht vorkommen kann. Gegen den Künstler Jonathan Meese beispielsweise wurde mehrfach ermittelt, weil er bei seinen Auftritten den Hitler-Gruß gezeigt hatte. In einem Fall wurde er von einem Amtsgericht freigesprochen, in einem anderen stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein.
Im Fall eines Augsburger Kunstmalers lief es anders. Der Mann wurde im Juni des vergangenen Jahres zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt, also 1200 Euro, wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Er hatte ein verfremdetes Hitler-Porträt gut sichtbar im Fenster seines Schlafzimmers ausgestellt. Der Nazi-Diktator war darin in Grautönen gemalt. Hitlers Schnurrbart allerdings stach deutlich hervor – er war in bunt leuchtenden Regenbogenfarben gehalten. „Verführer“nannte der Maler das Bild. Als Angeklagter vor dem Amtsgericht sagte er damals, er sei von einem Buch inspiriert worden, in dem Hitler als homophil beschrieben worden sei. Deswegen habe er den Regenbogen verwendet, das Logo von Schwulenorganisationen.
Kunst oder nicht? Das war eine der Fragen des Prozesses, in dem auch Nachbarschaftsstreitigkeiten zutage traten. Ein Verwaltungsbeirat der Wohnanlage sah keine Kunst, die Staatsanwältin auch nicht, der Verteidiger schon, Richterin Rita Greser urteilte: Kunst, aber in der Form strafwürdig. Das offene Präsentieren eines HitlerKonterfeis, bei dem nicht die erkennbare Gegnerschaft zum NaziRegime zum Ausdruck komme, sei verboten. Die Präsentation des Bildes in einem Fenster einer Wohngegend sei nicht sozialadäquat, anders als etwa in einer Ausstellung.
Der Anwalt des Kunstmalers, David Herrmann, ging in Berufung, der Fall landete beim Landgericht. Soweit zur Vorgeschichte. Am morgigen Donnerstag sitzt nun der Augsburger Kunstmaler erneut auf der Anklagebank, dieses Mal vor dem Landgericht, ein Berufungsfall. Um das verfremdete Hitler-Porträt geht es freilich nicht mehr. Jenes Verfahren, teilt das Landgericht auf Anfrage mit, sei nach Paragraf 154 der Strafprozessordnung vorläufig eingestellt worden. Der Paragraf kommt oft dann zum Einsatz, wenn die Strafe für eine Tat neben einer anderen zu erwartenden Strafe nicht schwer ins Gewicht fällt. Im Falle eines schweren Gewaltverbrechens beispielsweise machte eine Verurteilung wegen einer eher unbedeutenden Beleidigung den Braten vermutlich auch nicht mehr fett, um es salopp zu formulieren. Auch im Falle des Kunstmalers ist noch ein zweites Verfahren anhängig. Um ein Verbrechen geht es dabei nicht. So wurde er im Oktober 2017 vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt, wegen Sachbeschädigung. Er hatte in der Eigentumsanlage, in der er wohnt, einen Laubengang angemalt. Ein Sonnenuntergang. Darum geht’s nun in der Berufungsinstanz. Die Einstellung sei angesichts der geringen Unterschiede in der jeweiligen Strafhöhe „ungewöhnlich“, sagt Anwalt Herrmann. Was die Sachbeschädigung angehe, habe sein Mandant nicht gewusst, dass seine Malerei an seiner Hauswand verboten sei. Er habe sie auch sofort übermalt und den ursprünglichen Zustand wiederhergestellt, als er darauf hingewiesen worden sei.