Augsburger Allgemeine (Land West)

Dem Steg folgte die MAN Brücke

Die Nordtangen­te machte eine Autobrücke nötig. Die Eröffnung erfolgte am 7. August 1968. Warum sich dort aktuell zu bestimmten Zeiten der Verkehr staut

- VON FRANZ HÄUSSLER Fotos: Tiefbauamt, Sammlung Häußler

Augsburg Die MAN-Brücke bildet zur Zeit ein Nadelöhr für Autofahrer: Nur je eine Fahrspur steht in jede Richtung zur Verfügung. Der Grund ist eine aufwändige Sanierung. Der 50 Jahre alte Lechüberga­ng wird derzeit für weitere Jahrzehnte fit gemacht. Rund 3,5 Millionen D-Mark hatte der Neubau gekostet, auf rund 3,7 Millionen Euro ist die derzeitige Sanierung veranschla­gt. Die Brücke löste 1968 einen Fußgängern und Radfahrern vorbehalte­nen „Steg“ab. Dessen Vorgeschic­hte begann 1890.

Die damalige Marktgemei­nde Lechhausen verkaufte am 7. Juni

1890 für 100000 Mark 200 Tagwerk Grund beim Griesle auf der Lechhauser Seite des Lechs an die Maschinenf­abrik Augsburg (MAN) zum Bau einer Arbeitersi­edlung. Im Kaufvertra­g verpflicht­ete sich die MAN, „binnen längstens fünf Jahren“einen Steg über den Lech zu bauen. Es dauerte

23 Jahre, ehe die MAN ihre Zusage, „einen Fuss-Steg über den Lechfluss herzustell­en, dem öffentlich­en Verkehr zu überlassen und fortlaufen­d zu unterhalte­n“, einlöste.

Warum so viel Zeit verging, darüber geben Akten und Zeitungsbe­richte Auskunft. Daraus geht unter anderem hervor, dass anfangs die MAN-Arbeiter den Verlust ihres Augsburger Bürgerrech­ts befürchtet­en, wenn sie nach Lechhausen übersiedel­n würden. Aus diesem Grund verschob die MAN den dort 1890 ins Auge gefassten Bau von genossensc­haftlichen Wohnungen. Die MAN sah deshalb auch keinen Anlass zur Errichtung des zugesagten fußläufige­n Steges über den Lech.

Ein Jahrzehnt lang stimmte Lechhausen Verschiebu­ngen des Bautermins zu. Am 1. Januar 1900 wurde Lechhausen zur Stadt aufgestuft und der nunmehrige Stadtmagis­trat lehnte eine weitere Verzögerun­g über den 31. Oktober 1901 hinaus ab. Dem konnte sich die MAN nicht verschließ­en. 1902 reichte sie Pläne bei der Regierung und der Stadt Augsburg ein. Diese knüpften kostspieli­ge Bedingunge­n an die Baugenehmi­gung. Zu deren Erfüllung waren weder die MAN noch die Stadt Lechhausen bereit.

1906 bot der Lechhauser Magistrat der MAN an, sie gegen 40000 Mark aus der Bauverpfli­chtung zu entlassen. Die Kalkulatio­n der Baukosten für den Steg lag jedoch bei nur 28000 Mark. So machte 1907 die MAN Lechhausen das Angebot, einen Vorzugspre­is beim Bau eines eisernen Steges oder einer Fahrbrücke einzuräume­n. Darüber konnte man sich nicht einigen. Dann kam die Eingemeind­ung Lechhausen­s ins Gespräch, und die Brücken-Angelegenh­eit ruhte ein paar Jahre.

1910 erläuterte die MAN dem Augsburger Bürgermeis­ter das Brückenpro­jekt, außerdem zwang die Hochwasser­katastroph­e vom Juni

1910 zur Überarbeit­ung der Pläne. Nun wurde statt eines Steges eine Fahrbrücke favorisier­t. Inzwischen erstand die „Arbeiter-Kolonie“der MAN auf Lechhauser Grund jenseits des Lechs. Deren Bewohner mussten zur Arbeitsstä­tte rund 2,5 Kilometer Umweg über die Lechbrücke in Kauf nehmen. Da ergriff 1912 die MAN die Initiative und fertigte einen Eisensteg. Mitte 1913 war er zur Montage bereit, Fundamente an den Lechufern und im Flussbett wurden betoniert.

Am 1. Januar 1913 war Lechhausen nach Augsburg eingemeind­et worden und es gab massive Querschüss­e. In einer Zeitungsme­ldung vom 27. August 1913 heißt es: „Die Arbeiten sind einzustell­en, nur ein Holzsteg ist zu errichten, da eine eiserne Fahrbrücke errichtet werden soll.“Am 12. Dezember 1913 kam es zur Einigung zwischen der MAN und der Stadt Augsburg: Der bereits fertige Eisensteg darf montiert werden! Anfang 1914 war der 2,40 Meter breite Steg passierbar. 30 Jahre blieb er begehbar.

Ein Sprengkomm­ando machte ihn im April 1944 unpassierb­ar. Über der Lechmitte klaffte eine Lücke in der Eisenkonst­ruktion. Es dauerte ein halbes Jahr, ehe sie wieder geschlosse­n war. Der Steg hielt noch über ein weiteres Jahrzehnt. 1955 wurde ein Neubau beschlosse­n: Massive Stahl-Fertigteil­e sollten eine 5,5 Meter breite Betonplatt­e für zwei Gehwege und ein Radweg tragen. Der über 42 Jahre alte Steg musste während der Bauarbeite­n passierbar bleiben, deshalb wurde die neue Brücke daneben vorgeferti­gt. Am 21. August 1956 wurde der

87 Meter lange, 300 Tonnen schwere Übergang auf die neuen Betonpfeil­er im Lech geschoben. Der massive neue MAN-Steg schien für die Ewigkeit gebaut, hatte aber nur eine Lebenszeit von elf Jahren: Die

1967/68 erbaute Autobrücke ersetzte ihn. Sie ist mit 26,5 Meter Breite und einer Gesamtläng­e von 152,5 Metern eine der größten Brücken in Augsburg. In drei ungleichen Bogen überquert sie den Lech, den Proviantba­ch, ein Localbahng­leis und auf jeder Lechseite eine Straße.

Der Lechüberga­ng entstand in zwei Phasen im Spannbeton-Freivorbau. Es sind zwei Brücken von je

13,25 Meter Breite nebeneinan­der. Darauf wurden die Fahrbahnen sowie die Fuß- und Radwege verlegt. Die Konstrukti­on ist von unten gut sichtbar. Unter den Fahrbahnen verlaufen die Versorgung­sleitungen. 4400 Kubikmeter Beton und über 500 Tonnen Eisen waren für das Brückenbau­werk mit 60 Tonnen Tragkraft nötig. Eine Holzbrücke ersparte während der Bauzeit von

20 Monaten täglich Tausenden weite Umwege.

„Wir haben ein Lechhauser Tabu, das Griesle, verletzen müssen, um die Straße hier bauen zu können“, sprach der damalige Oberbürger­meister Wolfgang Pepper bei der Einweihung am 7. August 1968 ein Problem bei der Linienführ­ung dieser Schnellstr­aße an. Sie machte die neue Autobrücke nötig. Die Hans-Böckler-Straße - diesen Namen erhielt die „Stadtautob­ahn“am 27. November 1968 - beschneide­t das Griesle-Parkgeländ­e erheblich.

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1956: Neben dem filigranen eisernen MAN Steg von 1913 werden die Pfeiler für einen neuen massiven Steg im Lech gebaut.

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