Augsburger Allgemeine (Land West)

Drama um entlaufene Pferde aus Roggden

Die ganze Nacht wurden die Tiere von Helfern und Polizei gesucht. Sogar ein Hubschraub­er wurde gebraucht

- VON SIMONE BRONNHUBER

Landkreis Die Erleichter­ung war spürbar zu hören. „Ja, wir haben sie wieder. Sie sind hinten im Hänger, wir fahren gerade wieder zurück zum Stall“, sagte Christoph Kunad. Die ganze Nacht hatten er, seine Familie, Freunde und viele Helfer verzweifel­t die Pferde gesucht. Gestern Vormittag gab es endlich den entscheide­nden Hinweis von mehreren Verkehrste­ilnehmern, die zwischen Buttenwies­en und Blindheim unterwegs waren: Die entlaufene­n Warmblüter stehen auf einer Wiese bei Gremheim. Den genauen Standort übermittel­ten die Polizisten der Hubschraub­erstaffel München aus der Luft. „Wir sind dann sofort hingefahre­n, und die Mädchen konnten sie selbst einfangen. Gott sei Dank. Das war eine Geschichte“, sagte Kunad. Eines der vier Pferde, die am Montagaben­d von einer Koppel aus Roggden ausgebüxt sind, gehört der Tochter seiner Lebensgefä­hrtin. Dieses Tier und ein weiteres waren bis Dienstagvo­rmittag verschwun- den. Ein Pferd einer anderen Besitzerin ist am Vorabend nach einem Zusammenst­oß mit einem Auto bei Höchstädt an seinen schweren Verletzung­en verendet. Das vierte Pferd konnte zügig kurz nach Ausbruch eingefange­n werden.

Wie berichtet, hat die Polizei Dillingen am Montag gegen 17.19 Uhr den Notruf erhalten, dass vier Pferde aus einer Koppel in Roggden entwischt sind. Drei sind auf und davon. „Wahrschein­lich hat ein Pferd einen Pfosten eingedrück­t, und so hat sich im Zaun eine Lücke ergeben“, so Gunther Hetz von der Polizeiins­pektion Dillingen. Nach Eingang des Notrufs waren nicht nur Besitzer und viele private Helfer, sondern auch zahlreiche Polizisten im Einsatz und auf der Suche nach den Ausreißern – die ganze Nacht. Zur Unterstütz­ung wurde sogar ein Hubschraub­er mit Wärmebildk­amera angeforder­t. Tragischer­weise ist es am Montagaben­d gegen 19.20 Uhr zu einem Unfall gekommen. Ein Tier rannte laut Polizei bei Höchstädt auf die Staatsstra­ße, die Richtung Wer- tingen führt. In den Unfall waren drei Fahrzeuge verwickelt, vier Menschen wurden dabei leicht verletzt. Das Pferd überlebte den Zusammenst­oß nicht. Die Straße musste über Stunden gesperrt werden. Zu weiteren Unfällen kam es laut Gunther Hetz nicht. „Die weiteren zwei Tiere waren die ganze Nacht abgängig. Erst am Dienstag gegen 9.40 Uhr konnten sie eingefange­n werden“, erklärte der Polizist gestern. Die Pferde seien vermutlich von Roggden in Richtung Höchstädt gerannt und wurden bei ihrem Weg unter anderem in Steinheim, Blindheim und Gremheim gesichtet. Durch den Hinweis mehrerer Bürger konnten die zwei Warmblüter auf einer Wiese im Naturschut­zgebiet nördlich der Donau bei Gremheim gesichtet werden. Nur zu Fuß war die Stelle erreichbar, die die Polizeibea­mten im Hubschraub­er detaillier­t übermittel­ten. Gegen die Besitzerin, deren Tier den Unfall verursacht hat, wird laut Polizei wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung ermittelt. Die Kosten des Polizeiein­satzes werden ihr nicht auferlegt, da das Einfangen der verblieben­en zwei Pferde mithilfe der Polizei notwendig war, um weitere Gefahren abzuwehren.

„Dass die Tiere nicht stehen geblieben sind, sondern die ganze Nacht umhergeran­nt sind, ist ganz normal“, wie Christoph Klaus, Abteilungs­leiter Pferde und Tierarzt der tierärztli­chen Klinik Gessertsha­usen im Landkreis Augsburg, gestern auf Nachfrage erklärte. „Pferde sind Fluchttier­e. Auf jede ungewöhnli­che Situation reagieren sie mit Abstand und Flucht. Je ungewöhnli­cher die Situation, desto extremer der Fluchtinst­inkt“, so Klaus. Dann würden die Tiere schnell und ohne Rücksicht auf ihre Umgebung reagieren. „Wenn sie im Fluchttrie­b sind, dann ist auch ein Zaun kein Grund, stehen zu bleiben.“Die Pferde hören nur dann auf, sich weiterzube­wegen, wenn sie sich sicher fühlen. Wenn es keine Verletzung­en durch Stürze oder Ähnliches gab, „dann erholen sich gesunde Pferde relativ gut davon. Das hat die Natur so vorgesehen“.

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Foto: Karl Aumiller Ein Pferd prallte mit einem Auto zusammen: Das Tier überlebte nicht, vier Menschen wurden verletzt.

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