Augsburger Allgemeine (Land West)
Drama um entlaufene Pferde aus Roggden
Die ganze Nacht wurden die Tiere von Helfern und Polizei gesucht. Sogar ein Hubschrauber wurde gebraucht
Landkreis Die Erleichterung war spürbar zu hören. „Ja, wir haben sie wieder. Sie sind hinten im Hänger, wir fahren gerade wieder zurück zum Stall“, sagte Christoph Kunad. Die ganze Nacht hatten er, seine Familie, Freunde und viele Helfer verzweifelt die Pferde gesucht. Gestern Vormittag gab es endlich den entscheidenden Hinweis von mehreren Verkehrsteilnehmern, die zwischen Buttenwiesen und Blindheim unterwegs waren: Die entlaufenen Warmblüter stehen auf einer Wiese bei Gremheim. Den genauen Standort übermittelten die Polizisten der Hubschrauberstaffel München aus der Luft. „Wir sind dann sofort hingefahren, und die Mädchen konnten sie selbst einfangen. Gott sei Dank. Das war eine Geschichte“, sagte Kunad. Eines der vier Pferde, die am Montagabend von einer Koppel aus Roggden ausgebüxt sind, gehört der Tochter seiner Lebensgefährtin. Dieses Tier und ein weiteres waren bis Dienstagvormittag verschwun- den. Ein Pferd einer anderen Besitzerin ist am Vorabend nach einem Zusammenstoß mit einem Auto bei Höchstädt an seinen schweren Verletzungen verendet. Das vierte Pferd konnte zügig kurz nach Ausbruch eingefangen werden.
Wie berichtet, hat die Polizei Dillingen am Montag gegen 17.19 Uhr den Notruf erhalten, dass vier Pferde aus einer Koppel in Roggden entwischt sind. Drei sind auf und davon. „Wahrscheinlich hat ein Pferd einen Pfosten eingedrückt, und so hat sich im Zaun eine Lücke ergeben“, so Gunther Hetz von der Polizeiinspektion Dillingen. Nach Eingang des Notrufs waren nicht nur Besitzer und viele private Helfer, sondern auch zahlreiche Polizisten im Einsatz und auf der Suche nach den Ausreißern – die ganze Nacht. Zur Unterstützung wurde sogar ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera angefordert. Tragischerweise ist es am Montagabend gegen 19.20 Uhr zu einem Unfall gekommen. Ein Tier rannte laut Polizei bei Höchstädt auf die Staatsstraße, die Richtung Wer- tingen führt. In den Unfall waren drei Fahrzeuge verwickelt, vier Menschen wurden dabei leicht verletzt. Das Pferd überlebte den Zusammenstoß nicht. Die Straße musste über Stunden gesperrt werden. Zu weiteren Unfällen kam es laut Gunther Hetz nicht. „Die weiteren zwei Tiere waren die ganze Nacht abgängig. Erst am Dienstag gegen 9.40 Uhr konnten sie eingefangen werden“, erklärte der Polizist gestern. Die Pferde seien vermutlich von Roggden in Richtung Höchstädt gerannt und wurden bei ihrem Weg unter anderem in Steinheim, Blindheim und Gremheim gesichtet. Durch den Hinweis mehrerer Bürger konnten die zwei Warmblüter auf einer Wiese im Naturschutzgebiet nördlich der Donau bei Gremheim gesichtet werden. Nur zu Fuß war die Stelle erreichbar, die die Polizeibeamten im Hubschrauber detailliert übermittelten. Gegen die Besitzerin, deren Tier den Unfall verursacht hat, wird laut Polizei wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt. Die Kosten des Polizeieinsatzes werden ihr nicht auferlegt, da das Einfangen der verbliebenen zwei Pferde mithilfe der Polizei notwendig war, um weitere Gefahren abzuwehren.
„Dass die Tiere nicht stehen geblieben sind, sondern die ganze Nacht umhergerannt sind, ist ganz normal“, wie Christoph Klaus, Abteilungsleiter Pferde und Tierarzt der tierärztlichen Klinik Gessertshausen im Landkreis Augsburg, gestern auf Nachfrage erklärte. „Pferde sind Fluchttiere. Auf jede ungewöhnliche Situation reagieren sie mit Abstand und Flucht. Je ungewöhnlicher die Situation, desto extremer der Fluchtinstinkt“, so Klaus. Dann würden die Tiere schnell und ohne Rücksicht auf ihre Umgebung reagieren. „Wenn sie im Fluchttrieb sind, dann ist auch ein Zaun kein Grund, stehen zu bleiben.“Die Pferde hören nur dann auf, sich weiterzubewegen, wenn sie sich sicher fühlen. Wenn es keine Verletzungen durch Stürze oder Ähnliches gab, „dann erholen sich gesunde Pferde relativ gut davon. Das hat die Natur so vorgesehen“.