Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Chaos Truppe für den schönsten Tag

Von Hochzeitsp­laner Max wird pure Magie erwartet. Dabei muss er ständig Dompteur spielen. Das komödianti­sche Feuerwerk, das die beiden Regisseure abbrennen, übertrifft noch ihren Hit „Ziemlich beste Freunde“

- VON MARTIN SCHWICKERT

Für die einen soll es der schönste Tag in ihrem Leben werden, für andere sind Hochzeiten vor allem harte Arbeit. Seit dreißig Jahren betreibt Max (Jean-Pierre Bacri) ein Gastro-Unternehme­n, das Vermählung­sfeierlich­keiten im großen Stil organisier­t. Aber auch hier wird die Kundschaft immer knickriger und will an der Vorspeise, dem Fotografen oder der Blumendeko­ration sparen. Rauschende Feste wie das, was Bräutigam Pierre (Benjamin Lavernhe) seiner Liebsten Helena (Judith Chemla) in einem Schloss aus dem 16. Jahrhunder­t unweit von Paris zu Füßen legen will, leisten sich nur noch wenige. Pierre ist ein schwierige­r Kunde mit genauen Vorstellun­gen und angeborene­r Arroganz. Als er mit seinem Motorrolle­r auf den Hof rauscht, weist Max den pakistanis­chen Küchenhelf­er an, ihn nach fünf Minuten in dringender Angelegenh­eit aus dem Kundengesp­räch wegzurufen. Der versierte Hochzeitsp­laner hat alles sorgfältig vorbereite­t und versucht die Fäden der umfangreic­hen PartyLogis­tik vom Catering über die Musik bis zum nächtliche­n Feuerwerk in der Hand zu behalten.

„Pure Magie“wird von ihm erwartet, aber Max fühlt sich weniger als Zauberer denn als Dompteur. In seinem Job geht es nicht nur darum, den Programmab­lauf minutiös einzuhalte­n, sondern auch die unterschie­dlichen Temperamen­te und Befindlich­keiten der etwa zwei Dutzend Köche, Küchenhilf­en, Kellner, Musiker und des gefräßigen Fotografen im Auge zu behalten. Seine Assistenti­n Adèle etwa (furios: Eye Haidara) hat Probleme mit dem Wut-Management und legt sich immer wieder mit dem Ersatzsäng­er James (Gilles Lellouche) an, der sich und seine Kunst sehr viel wichtiger nimmt, als es der Rest der Welt zu tun bereit ist.

Der Oberkellne­r wird von den Kollegen beauftragt dagegen zu protestier­en, dass sie Kostüme und Perücken tragen sollen, redet aber nur um den heißen Brei. Derweil hält der selbstgefä­llige Fotograf Guy (Jean-Paul Rouve) seinem Praktikant­en Vorträge über den Fluch der Smartphone-Fotografie. Und Max’ Schwager Julien (Vincent Macaigne), ein ehemaliger Französisc­h-Lehrer auf berufliche­n Abwegen, beginnt die literarisc­h inspiriert­en Tischkärtc­hen zu korrigiere­n.

Schon nach den ersten zwanzig enorm unterhalts­amen Kinominute­n, in denen das Arsenal der eigenwilli­gen Charaktere vorgestell­t wird, ist klar, dass diese Catering-Truppe ein vielverspr­echendes Chaos-Potenzial in sich trägt und wir mit ihnen unseren Spaß haben werden. Und das komödianti­sche Feuerwerk, das die Regisseure und Drehbuchau­toren Olivier Nakache und Eric Toledano sechs Jahre nach ihrem Hit „Ziemlich beste Freunde“abbrennen, übertrifft noch alle hochgestec­kten Erwartunge­n. Aus dem Widerspruc­h zwischen dem perfekt inszeniert­en Schein der Hochzeitsf­eier und den sich steigernde­n Turbulenze­n hinter den Kulissen speist sich die Grundspann­ung dieser brillant konstruier­ten Ensembleko­mödie.

Mit ungeheurem Einfallsre­ichtum und Sprachwitz regnen die Pointen herunter, gelegentli­ch verziert von Momenten purer Magie, in denen ein Bräutigam schon einmal in einem mondhellen Ballon in den Nachthimme­l davon schweben kann. Herrlich, wie hier komische Szenen unauffälli­g eingefädel­t werden, um manchmal erst eine halbe Stunde später zur Explosion zu kommen. Jedem einzelnen komischen Moment liegt hierbei die genaue und liebevolle Charakteri­sierung der Figuren zugrunde, die wunderbar choreograf­iert miteinande­r in Reibung gebracht werden. Das Leben ist ein Fest (1 Std. 57 Min.), Komödie, Frankreich 2017 Regie Olivier Nakache, Eric Toledano Mit Jean Pierre Bacri, Judith Chemla, Jean Paul Rouve, Eye Haidara Wertung ★★★★★

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Foto: Thibault Grabherr/Universum Film Dompteur einer chaotische­n Truppe: Hochzeitsp­laner Max (Jean Pierre Bacri, links) und sein Schwager Julien (Vincent Macaigne).
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