Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Engel für Erdogan
Papst empfängt den türkischen Präsidenten
Rom Seit 59 Jahren war kein türkischer Präsident mehr im Vatikan empfangen worden. Vielleicht hat sich Papst Franziskus auch deshalb gestern ungewöhnlich viel Zeit für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan genommen. 50 Minuten dauerte die historische Audienz. Am Ende überreichte das Kirchenoberhaupt dem Politiker eine Medaille mit einem Friedensengel. „Das ist der Engel des Friedens, der die Teufel des Krieges erwürgt“, sagte der 81-Jährige. „Das Zeichen für eine Welt, die auf Frieden und Gerechtigkeit basiert.“Erdogan, der von seiner Frau Emine begleitet wurde, bedankte sich auf Italienisch. Journalisten, die das Treffen beobachteten, bezeichneten die Atmosphäre als höflich.
Im Mittelpunkt der Gespräche stand die Jerusalem-Krise. Gesprochen wurde aber auch über den Kampf gegen Fremdenhass und Islamophobie und die Lage in Syrien. Laut Vatikan ging es im Speziellen um die Aufnahme zahlreicher Flüchtlinge in der Türkei und die damit verbundenen Herausforderungen. Mit Spannung wurde jetzt erwartet, ob das katholische Kirchenoberhaupt die Menschenrechtslage in der Türkei ansprechen würde, die sich seit dem Putschversuch 2016 und dem in der Folge verhängten und mehrmals verlängerten Ausnahmezustand verschlechtert hat. Es sei „über die Situation des
In der Jerusalem Frage sind sich beide einig
Landes“gesprochen worden, teilte der Vatikan lediglich mit – nannte aber keine Details. Bei seinem Besuch 2014 in Ankara hatte der Pontifex jedenfalls die Glaubens- und Meinungsfreiheit angemahnt.
Erdogan und Franziskus hatten nach Spannungen in der Vergangenheit in der Jerusalem-Krise eine gemeinsame Linie verfolgt. Nachdem US-Präsident Donald Trump angekündigt hatte, dass die USA die für Christen, Muslime und Juden heilige Stadt Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen, telefonierten die beiden auf Initiative des türkischen Staatschefs. Die türkische Nachrichtenagentur berichtet, in dem gestrigen Gespräch sei man sich einig gewesen, dass der Status von Jerusalem nicht geändert werden dürfe. Man wolle den USA die Bedenken übermitteln.
Der Erdogan-Besuch fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Anders als beim Gastspiel von US-Präsident Trump im Mai gab es für Touristen zum Zeitpunkt der Audienz kein Durchkommen in Petersplatz-Nähe. Die Angst vor Terror und gewalttätigen Demonstrationen war groß. Vor seinem Rückflug in die Türkei standen für Erdogan Treffen mit Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella und Regierungschef Paolo Gentiloni an. „Wir müssen unsere bilateralen Beziehungen zu Italien verbessern“, sagte der türkische Präsident. Ex-Ministerpräsident Berlusconi sei „ein lieber Freund und mit ihm war die Zusammenarbeit ausgezeichnet“. Zu diesem Klima müsse zurückgefunden werden.