Augsburger Allgemeine (Land West)
Zu späterer Stunde wird es für alle bewegend
Das Café Arrabbiata entführt mit einer stilechten Tanzrevue in die goldenen 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts. Die Gäste können sich nicht nur zurücklehnen
Stadtbergen Leidenschaftlich und frech, herrlich anarchistisch und immer ein kleines bisschen frivol - von spannenden Kontrasten war die musikalische Bühnenwelt der goldenen 20er- und 30er-Jahre geprägt und hatte vor allem in Berlin zahllose Revuetheater und Tanztempel aus dem Boden sprießen lassen.
Den mannigfaltigen Charakter jener Ära in ein authentisches Gewand zu kleiden, ist die große Passion des Augsburger Ensembles Café Arrabbiata, das nun im Stadtberger Bürgersaal zu einer turbulenten Tanzgala mit Flair eingeladen hat. Dass die Interpreten damit zweifelsohne auch den Nerv der heutigen Zeitepoche getroffen haben, war an diesem Abend nicht zu übersehen: der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt, zahlreiche Gäste stilecht herausgeputzt mit Federhaarschmuck, goldenen Satinhandschuhen oder nostalgischen Hosenträgern, wie sie seinerzeit auch schon die Comedian Harmonists gerne getragen hatten.
In leicht dekadenter Weise schwebten sogar zwei glitzernde Luftballons in der Form von edlen Champagnerflaschen über den Tischen. Und als die ersten Instrumentenläufe seitens der Band von der Bühne erklangen, wurde von den Besuchern augenblicklich die Tanzfläche in Beschlag genommen. Zwischen flotten Foxtrottrhythmen und temperamentvollen Tangoarrangements bewegten sich die Stücke, die mit Bravour zum Besten gegeben wurden und auf ihre ganz eigene Art und Weise den beschwingten Zeitgeist der 20er-Jahre einzufangen vermochten.
Die Klarinettenläufe von Agnes Reiter lieferten sich dabei immer wieder spannende Duelle mit den wehklagenden Bratschenstrichen, mit denen Kirstin Arndt die schöns- ten Melodien jener Ära bereicherte. Werner Neupert dagegen ließ mit dem Kontrabass gerne mal ein grooviges Solo erklingen und sorgte damit für die etwas rockigeren Elemente. Von nostalgischen Chansons bis zur melancholischen Barmusik erstreckte sich die Bandbreite der dargebotenen Arrangements, die mitunter auch würdevoll ergänzt wurden durch klassische Kompositionen von Dmitri Schostakowitsch und anderen musikalischen Größen aus der Jahrhundertwende.
Auf „bewegende“Weise wurde es zur späteren Stunde dann auch noch richtig interaktiv, als Vertreter der Tanzschule „Swing in Augsburg“die Gäste zu einem humorvollen Kurs des wiederentdeckten Lindy Hop einluden - selbst die Musiker von Café Arrabbiata ließen sich die Chance nicht entgehen, diese flotte Spielart des Swing mit seinen charakteristischen Triple Steps zu erlernen und anschließend fleißig selbst die Tanzbeine zu schwingen.
Freilich durften am Ende auch die Stücke der bekannten Vokalensembles jener unvergessenen Epoche nicht fehlen, denn nostalgisch-verklärende Kompositionen wie „Veronika, der Lenz ist da“und „Ein Freund, ein guter Freund“passen zu Café Arrabbiata wie die Fransen zum knappen Charleston-Kleid.
Insgesamt offenbarte sich dieser bunte Galaabend als Hommage an die berauschenden Tanznächte der Berliner Jugendstilepoche und nicht zuletzt als wunderschöne Zeitreise in eine bewegende Welt voller musikalischer Raffinessen: mal melancholisch-verträumt, mal in nonchalanter Ausgelassenheit, aber immer konsequent mit höchstem Niveau in Szene gesetzt. In diesem Sinne war schließlich auch das Motto der ungewöhnlichen Tanzveranstaltung passend gewählt: „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da!“