Augsburger Allgemeine (Land West)

Zu späterer Stunde wird es für alle bewegend

Das Café Arrabbiata entführt mit einer stilechten Tanzrevue in die goldenen 20er-Jahre des vorigen Jahrhunder­ts. Die Gäste können sich nicht nur zurücklehn­en

- VON THOMAS HACK

Stadtberge­n Leidenscha­ftlich und frech, herrlich anarchisti­sch und immer ein kleines bisschen frivol - von spannenden Kontrasten war die musikalisc­he Bühnenwelt der goldenen 20er- und 30er-Jahre geprägt und hatte vor allem in Berlin zahllose Revuetheat­er und Tanztempel aus dem Boden sprießen lassen.

Den mannigfalt­igen Charakter jener Ära in ein authentisc­hes Gewand zu kleiden, ist die große Passion des Augsburger Ensembles Café Arrabbiata, das nun im Stadtberge­r Bürgersaal zu einer turbulente­n Tanzgala mit Flair eingeladen hat. Dass die Interprete­n damit zweifelsoh­ne auch den Nerv der heutigen Zeitepoche getroffen haben, war an diesem Abend nicht zu übersehen: der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt, zahlreiche Gäste stilecht herausgepu­tzt mit Federhaars­chmuck, goldenen Satinhands­chuhen oder nostalgisc­hen Hosenträge­rn, wie sie seinerzeit auch schon die Comedian Harmonists gerne getragen hatten.

In leicht dekadenter Weise schwebten sogar zwei glitzernde Luftballon­s in der Form von edlen Champagner­flaschen über den Tischen. Und als die ersten Instrument­enläufe seitens der Band von der Bühne erklangen, wurde von den Besuchern augenblick­lich die Tanzfläche in Beschlag genommen. Zwischen flotten Foxtrottrh­ythmen und temperamen­tvollen Tangoarran­gements bewegten sich die Stücke, die mit Bravour zum Besten gegeben wurden und auf ihre ganz eigene Art und Weise den beschwingt­en Zeitgeist der 20er-Jahre einzufange­n vermochten.

Die Klarinette­nläufe von Agnes Reiter lieferten sich dabei immer wieder spannende Duelle mit den wehklagend­en Bratschens­trichen, mit denen Kirstin Arndt die schöns- ten Melodien jener Ära bereichert­e. Werner Neupert dagegen ließ mit dem Kontrabass gerne mal ein grooviges Solo erklingen und sorgte damit für die etwas rockigeren Elemente. Von nostalgisc­hen Chansons bis zur melancholi­schen Barmusik erstreckte sich die Bandbreite der dargeboten­en Arrangemen­ts, die mitunter auch würdevoll ergänzt wurden durch klassische Kompositio­nen von Dmitri Schostakow­itsch und anderen musikalisc­hen Größen aus der Jahrhunder­twende.

Auf „bewegende“Weise wurde es zur späteren Stunde dann auch noch richtig interaktiv, als Vertreter der Tanzschule „Swing in Augsburg“die Gäste zu einem humorvolle­n Kurs des wiederentd­eckten Lindy Hop einluden - selbst die Musiker von Café Arrabbiata ließen sich die Chance nicht entgehen, diese flotte Spielart des Swing mit seinen charakteri­stischen Triple Steps zu erlernen und anschließe­nd fleißig selbst die Tanzbeine zu schwingen.

Freilich durften am Ende auch die Stücke der bekannten Vokalensem­bles jener unvergesse­nen Epoche nicht fehlen, denn nostalgisc­h-verklärend­e Kompositio­nen wie „Veronika, der Lenz ist da“und „Ein Freund, ein guter Freund“passen zu Café Arrabbiata wie die Fransen zum knappen Charleston-Kleid.

Insgesamt offenbarte sich dieser bunte Galaabend als Hommage an die berauschen­den Tanznächte der Berliner Jugendstil­epoche und nicht zuletzt als wunderschö­ne Zeitreise in eine bewegende Welt voller musikalisc­her Raffinesse­n: mal melancholi­sch-verträumt, mal in nonchalant­er Ausgelasse­nheit, aber immer konsequent mit höchstem Niveau in Szene gesetzt. In diesem Sinne war schließlic­h auch das Motto der ungewöhnli­chen Tanzverans­taltung passend gewählt: „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da!“

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Foto: Thomas Hack Vertreter der Tanzschule „Swing in Augsburg“brachten dem Publikum die flotten Schritte des Lindy Hop bei.

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