Augsburger Allgemeine (Land West)
Erst das Virus, dann die Flucht: Ist das reell?
Beinahe wäre auch einmal die JVA Gablingen evakuiert worden. Der Hintergrund war ein anderer
Gablingen Die Handlung war etwas konstruiert: Im jüngsten FernsehTatort sucht der durchgeknallte Kommissar Faber im Knast nach einem Häftling, der Mitgefangene mit Tollwut infiziert hat. Die JVA wird daraufhin evakuiert. Genau darauf spekuliert ein mehrfacher Mörder – er nutzt die Situation zur Flucht. Auch in der JVA Gablingen stand schon einmal eine Evakuierung im Raum. Sie ging allerdings nicht auf den Plan eines Schurken zurück.
Ende August 2016 entdeckten Experten bei Bodenuntersuchungen eine 250 Kilogramm schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg in unmittelbarer Nähe des Gablinger Gefängnisses. Sie hatte noch einen intakten Zünder. Deshalb wurde zunächst eine Sperrzone im Radius von 500 Metern um den gefährlichen Sprengkörper eingerichtet. Dann wurde entschieden: Die Bombe wird abtransportiert und in einem nahegelegenen Waldstück entschärft. Da dies relativ gefahrlos möglich war, durften die Gefangenen in der JVA bleiben. Anders war es im vergangenen Jahr in Regensburg: Die Häftlinge mussten wegen einer scharfen Fliegerbombe ausziehen. Busse brachten die 109 Gefangenen in andere Anstalten. Nicht explosiver Sprengstoff, sondern Hochwasser sorgte 2013 für eine Evakuierung, die wohl einzigartig in Bayern war: 59 Gefangene aus Passau wurden damals in andere Justizvollzugsanstalten gebracht; ein Häftling, der ohnehin einen Tag später zur Entlassung anstand, konnte sich über seine vorzeitige Entlassung freuen.
Im jüngsten Tatort hatte sich ein mehrfacher Mörder selbst entlassen: Er nutzte die Evakuierung der JVA Dortmund zur Flucht. Nach dem fiktiven Nervenkitzel fragten sich viele Zuschauer: Gibt es tatsächlich keinen Schutz gegen Tollwut-Viren, die im Film Mittel zum Zweck wurden? Die Antwort ist erschreckend: „Die Erkrankung verläuft ohne rechtzeitige medizinische Hilfe nach Ausbruch der Symptome in nahezu allen Fällen tödlich“, sagt Dr. Claudia Moerner vom Gesundheitsamt am Landratsamt Augsburg. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:
● Kann man sich überhaupt schüt zen? Es gibt eine wirksame aktive Schutzimpfung mit einem Totimpfstoff, teilt Dr. Claudia Moerner mit. Die Tollwutimpfung sei derzeit aber eine reine reisemedizinische Vorsorgeimpfung – eine vorsorgliche Impfung wird bei einfachen Reiseverhältnissen wie Rucksack- oder Trekkingreisen nach Asien oder Afrika empfohlen.
● Gibt es bei uns noch Tollwut? In den meisten westlichen Ländern Europas gibt es keine Tollwut mehr. Der letzte in Bayern positiv getestete Fuchs stammt aus dem Jahr 2001. Die Viren werden hauptsächlich durch Tierbisse übertragen – aber auch über Hautverletzungen oder direkten Kontakt des infektiösen Tierspeichels mit der menschlichen Schleimhaut.
● Wie schnell verläuft eine Erkran kung? Symptome zeigen sich in der Regel erst nach drei bis acht Wochen, selten kürzer als neun Tage, in Einzelfällen bis zu einem oder sogar mehreren Jahren. Und: Ohne rechtzeitige medizinische Hilfe nach Ausbruch der Symptome ist Tollwut in nahezu allen Fällen tödlich.
● Kann auch nachträglich geimpft werden? Wenn der Verdacht besteht und die Person nicht geimpft ist, dann kann eine „postexpositionelle Immunprophylaxe“vom Arzt durchgeführt werden – unverzüglich. Im Notfall kann laut RobertKoch-Institut der Tollwutimpfstoff, wenn nicht direkt in der Praxis oder Rettungsstelle verfügbar, über Notfalldepots bezogen werden. Sollte das Virus nach entsprechender Inkubationszeit bereits ins Zentrale Nervensystem gelangt sein, dann ist eine nachträgliche Immunprophylaxe allerdings unwirksam.