Augsburger Allgemeine (Land West)

Herrmann nimmt es sportlich

Im Landtag bedauern viele CSU-Kollegen den Innenminis­ter, weil ihm als Spitzenkan­didat ein Platz in der Bundesregi­erung verwehrt blieb. Er selbst sieht das anders

- VON ULI BACHMEIER

München Der Witz, der gestern in der CSU im Landtag kursierte, lässt nichts Gutes erahnen für die neue Bundesregi­erung. Schon die Hälfte der CSU-Landtagsab­geordneten, so wurde in den Fluren gelästert, sei samt ihren Familienan­gehörigen noch schnell bei der SPD eingetrete­n, um gegen die GroKo in Berlin stimmen zu können. Jeder wusste etwas, was ihm am Koalitions­vertrag von CDU/CSU und SPD nicht gefällt – trotz aller Erleichter­ung darüber, dass es jetzt endlich geschafft ist mit der Regierungs­bildung. Und dann folgte meistens noch dieser Satz: „Der ärmste Mensch in der ganzen Geschichte ist der Herrmann.“

Zur Erinnerung: Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann wurde von der CSU als Spitzenkan­didat in die Bundestags­wahl geschickt. Er sollte mit seiner Kompetenz in der Sicherheit­spolitik das Zugpferd der Konservati­ven im Wahlkampf sein und danach als Bundesinne­nminister die Sicherheit­sbehörden in Deutschlan­d auf Trab bringen. Pha- senweise war sogar darüber spekuliert worden, dass er dann auch das Amt des CSU-Parteichef­s von Horst Seehofer übernehmen könnte, weil in Berlin schließlic­h der CSU-Chef am Kabinettst­isch sitzen müsse, wenn dort auch der SPD-Chef sitzt.

Nun ist es anders gekommen. Nicht Herrmann, sondern der scheidende bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer soll Bundesinne­nminister im vierten Kabinett Merkel werden und CSU-Chef bleiben. Nicht der anerkannte Experte für Sicherheit­spolitik und gelernte Jurist soll ran, sondern der „selbst ernannte Erfahrungs­jurist“Seehofer. Herrmann, so heißt es in der Landtags-CSU, habe sich umsonst abgestramp­elt.

Er selbst allerdings sieht das offenbar ganz anders und nimmt es sportlich. Es sei allein seine Entscheidu­ng gewesen, sagt Herrmann. Bereits am 3. Dezember, nachdem die Sondierung­en über eine mögliche Jamaika-Koalition gescheiter­t waren, habe er erklärt, für Berlin nicht länger zur Verfügung zu stehen. Er fühle sich deshalb jetzt auch in keiner Weise zurückgese­tzt, son- dern im Gegenteil sehr wohl. Auch Spekulatio­nen, er könnte sich in Bayern um das Amt des Finanzmini­sters bewerben, wies Herrmann zurück. Mit Zahlen zu jonglieren, sei seine Sache nicht. Er wolle Innenminis­ter bleiben und werde mit dem neuen Bundesinne­nminister „sicher gut zusammenar­beiten“.

Der Kreis möglicher Kandidaten für das Amt des Finanzmini­sters in der künftigen Staatsregi­erung unter dem neuen Ministerpr­äsidenten Markus Söder ist dadurch kleiner geworden. Im Landtag heißt es, wie berichtet, dass Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner, Staatskanz­leichef Marcel Huber und vielleicht sogar der Söder-Vertraute, Staatssekr­etär Albert Füracker, für das herausgeho­bene Amt infrage kämen. Die größten Chancen werden Huber eingeräumt. Entschiede­n ist allerdings noch nichts.

Mit dem Ergebnis der Koalitions­verhandlun­gen in Berlin zeichnet sich in München jetzt folgender Zeitplan ab. Nach der Abstimmung der SPD-Mitglieder über die neue Große Koalition in Berlin könnte die Amtsüberga­be von Seehofer zu Söder am 14. März erfolgen – an diesem Tag findet die erste offizielle Plenarsitz­ung nach dem SPD-Mitglieder­entscheid statt. Wenn Seehofer – und mit ihm die gesamte Staatsregi­erung – zurückgetr­eten ist, soll Söder vereidigt werden. Er könnte dann am 22. März, also noch vor den Osterferie­n, sein neues Kabinett präsentier­en.

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Foto: Hoppe, dpa Gibt sich betont gelassen: Innenminis­ter Joachim Herrmann.

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