Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Einkaufsme­ile der alten Römer

Auf dem Areal des Seniorenwo­hnheims St. Afra im Domviertel stoßen die Archäologe­n nun auf außergewöh­nliche Überreste der Stadtgesch­ichte. Sie helfen den Forschern, Rätsel um die römische Keimzelle Augsburgs zu lösen

- VON EVA MARIA KNAB

Auch die alten Römer haben schon gerne eingekauft. Das zeigen neue Ausgrabung­en im Augsburger Domviertel. Die Stadtarchä­ologen gruben sich am Kleinen Karmeliten­gässchen mitten ins Zentrum der einstigen Römerstadt vor. Denn in diesem Bereich war einst das römische Forum zu finden, also der zentrale Platz, an dem sich das öffentlich­e Leben konzentrie­rte. Dort stand auch ein lang gestreckte­s Gebäude mit vielen Läden: sozusagen eine römische Einkaufsme­ile.

Heute steht an dieser Stelle das Seniorenwo­hnheim St. Afra. Es wird gerade generalsan­iert. Im Zuge der Bauarbeite­n fanden die archäologi­schen Grabungen statt. Denn die Stadtarchä­ologen wissen schon länger, dass an dieser Stelle wichtige Funde zu erwarten sind. Laut Grabungsle­iter Günther Fleps gilt dieser Bereich bis hinüber zum Stephansga­rten als Keimzelle der alten Römerstadt in Augsburg.

Im ersten Jahrhunder­t nach Christus wurde dort ein Militärlag­er errichtet. An die tausend Soldaten dürften in dem Truppenstü­tzpunkt stationier­t gewesen sein, schätzen die Archäologe­n. Rundherum siedelten sich Händler und Handwerker an. Er herrschte ein geschäftig­es Leben. Im Zuge der Kriegswirr­en, die nach dem Tode Kaiser Neros folgten, wurde das Militärlag­er dann aber aufgelöst. Ab 70 nach Christus entwickelt­e sich aus der Ansiedlung die Römerstadt, die später zur Provinzhau­ptstadt Raetiens aufstieg.

Das römische Alltagsleb­en konzentrie­rte sich vor allem auf dem öffentlich­en Forum, dem Hauptplatz. Die Archäologe­n vermuten, dass er sich unter dem heutigen Stephansga­rten befunden hat. Dort gab es mehrere wichtige Bauten, etwa einen Tempel, ein Archiv und eben eine größere Ladenzeile zum Einkaufen. Auf dem Forum fanden auch Versammlun­gen und Ratssitzun­gen statt. Ein Problem ist nur: Von der großen Römerzeit Augsburgs ist heute oberirdisc­h kein Bau mehr zu finden. „Im Mittelalte­r wurden römische Gebäude als Steinbruch für neue Bauten verwendet“, sagt Fleps.

Die Archäologe­n sind auf Grabungen angewiesen, um weitere Erkenntnis­se zur Stadtgesch­ichte zu gewinnen. Im Kleinen Karmeliten­gässchen stießen sie nun nicht nur auf Fundamente des römischen Geschäftsg­ebäudes, sondern diesmal ausnahmswe­ise auch auf gut erhaltene Reste von Mauern. Fleps spricht von einem Glücksfall. Diese historisch­e Bausubstan­z sei für Augsburg einmalig. Wie die Grabungen zeigen, haben die römischen Baumeister mit großen Tuffsteine­n gearbeitet, die sie über die Flüsse aus dem südbayeris­chen Raum nach Augsburg transporti­eren ließen. Für das wohl mehrstöcki­ge Ladengebäu­de wurde ein massives zweischali­ges Mauerwerk hochgezoge­n, das innen mit Steinbrock­en gefüllt war. Die Grabung sei ein weiteres wichtiges Puzzlestüc­k, um offene Fragen zu beantworte­n, sagt Fleps. Gut sei darüber hinaus, dass die Römerfunde in diesem Fall nicht durch neue Baumaßnahm­en zerstört werden. Mit den Architekte­n sei eine Lösung gefunden worden, um die historiein­st schen Zeugnisse in den Umbau des Seniorenhe­imes zu integriere­n und damit für die Nachwelt zu erhalten. Auch sonst gab es einige interessan­te Funde bei den Grabungen, etwa Putzstücke in bunten Farben. Das wohl schönste Stück fand Grabungsfa­charbeiter Stephan Brehm: eine Goldkette mit blauen Smaragden. Auch sie wird in den Beständen der Archäologe­n sicher verwahrt und von Fachleuten untersucht werden.

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Foto: Silvio Wyszengrad Ein ungewöhnli­cher Fund: Archäologe­n entdeckten im Domviertel (siehe Grafik, „ak tuelle Funde“) ein gut erhaltenes Stück Römermauer.

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