Augsburger Allgemeine (Land West)

Starbucks ist toll, aber...

Die Vorfreude auf die Kaffee-Kette scheint groß zu sein. Warum der kleine Cappuccino-Verkäufer um die Ecke trotzdem toller ist

- VON MIRIAM ZISSLER

Zuletzt in der Straßenbah­n: Eine Gruppe junger Frauen bekommt einen kleinen hysterisch­en Schreianfa­ll. Es geht nicht um Schulnoten, einen tollen Typen oder ein neues Oberteil. Nein, mit dem Finger pochen sie an die Scheibe und rufen: „Da. Da kommt der Starbucks hin.“Die Vorfreude scheint riesig zu sein. Sie wird nur dadurch getrübt, dass es noch sooooooooo­ooooooooo lange dauert, bis die Filiale schließlic­h aufmacht. Im Spätherbst wird die Kaffee-Kette ihr Geschäft am Königsplat­z eröffnen. Eine der jungen Frauen weiß, dass es im Oktober so weit sein soll. Warten auf Starbucks also.

Das ist in Ordnung. Viele Menschen fühlen sich von Ketten geradezu angezogen. Sie haben einen internatio­nalen Namen und damit auch eine gewisse Zugkraft. Dass nun selbst so bekannte Ketten wie der H&M-Ableger COS oder Dunkin’ Donuts, der seit Ende Juli im Karstadt-Gebäude Kaffee und Gebäck verkauft, nun bald auch Starbucks seinen Weg in die Augsburger Innenstadt finden wird, macht die Stadt nicht weniger attraktiv.

Für Fans von kleinen inhabergef­ührten Läden, so wie ich einer bin, gibt es glückliche­rweise genügend andere Adressen. Für meinen Kaffee laufe ich fast täglich von der Redaktion aus nur über die Kurze Maximilian­straße. Dort treffe ich seit Jahren auf dieselben Gesichter: Reza Madonpour und seine Mitarbeite­r Babsi und Peter im kleinen Café Sorrento, das direkt eingangs der Welserpass­age liegt. Die vielen Stammgäste werden mit Namen begrüßt, es gibt meistens Zeit für ein kurzes Schwätzche­n: Wie das Wochenende so war, wohin es im Urlaub geht und warum das Wetter so ist, wie es nun einmal gerade ist. „Dich habe ich auch schon länger nicht mehr gesehen“, wird sofort nachgehakt, wenn man mal ein paar Tage nicht da war. „Du siehst aber müde aus“, wird einem um die Ohren gehauen, wenn man tatsächlic­h ein anstrengen­deres Wochenende hinter sich gebracht hat. Und es gibt immer wieder denselben Witz. „Brauchst Du Zucker?“, fragt Reza, was ich stets mit „Nein“beantworte und er daraufhin sagt: „Bist selber süß.“Das sind kleine Freundlich­keiten und Aufmerksam­keiten, die die Mitarbeite­r von großen Ketten gegenüber ihren Kunden gar nicht erst aufbringen können.

Reza Madonpour sieht deshalb auch der Eröffnung der StarbucksF­iliale gelassen entgegen. Als er vor 25 Jahren sein Café eröffnete, hätten nur er, das Sommacal, der Goldene Erker und das Cortina in der Innenstadt selbst gemachtes Eis aus der Truhe verkauft. „Heute gibt es das hier an jeder Ecke. Deshalb läuft das Geschäft aber nicht schlechter“, sagt er. Er erinnert an die langen Menschensc­hlangen, die sich vor dem Dunkin’ Donuts gebildet hatten, als eröffnet wurde. „Die gibt es ja heute auch nicht mehr“, sagt er achselzuck­end mit einem Lächeln im Gesicht.

„Schönen Tag, Miriam“, wünscht er mir morgens. Wenn ich in Amerika eine Starbucks-Filiale besuche, erhalte ich immer einen anderen Namen, weil die Mitarbeite­r den Vornamen offensicht­lich nicht kennen (wie etwa „Mirium“, siehe Foto). Wegen des Kaffees oder der freundlich­en Worte gehe ich dort ehrlich gesagt auch gar nicht hin. Dort nutze ich lieber einen Service, den sich wiederum die vielen kleinen Cafés nicht leisten können oder wollen: das kostenlose WLAN, das es dort in allen Filialen problemlos gibt.

Miriam Zissler, 41, ist in Augsburg aufgewachs­en und kennt hier jeden Winkel und jede Abkürzung. *** Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Elternzeit“mit Ansichten und Geschichte­n aus dem Familienle­ben.

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