Augsburger Allgemeine (Land West)

Puppenkist­e statt Polit Satire

Fasching Früher waren die Umzüge politische­r und vielseitig­er. Warum sich die Themen für die fünfte Jahreszeit verändert haben und was überhaupt nicht geht

- VON TOBIAS KARRER

Landkreis Augsburg Die Stimmung beim Faschingsu­mzug in Zusmarshau­sen war prächtig. Dabei fiel es kaum auf, dass mindestens viermal Zwerge an den Zuschauern vorbeifuhr­en. Außerdem gab es gleich mehrere Piratensch­iffe zu bestaunen. Märchen, Fabelwesen und Partywägen waren die Hauptbesta­ndteile des Umzugs. Doch wo sind die politische­n Themen? Wo die Satire? Lange Jahre war die Lokalpolit­ik das Steckenpfe­rd des Faschings. Die Umzüge in Zusmarshau­sen und Welden waren in diesem Jahr bis auf wenige Ausnahmen unpolitisc­h.

Christian Weldishofe­r, der Organisato­r des Umzuges in Zusmarshau­sen, sagt: „Seit Jahren stärken wir den traditione­llen Teil des Umzugs.“Fußläufige Gruppen hätten mehr Gestaltung­smöglichke­iten und seien deshalb oft politische­r als die großen, aufwendig gebauten Wagen. Besonders gut habe ihm beim Umzug am Sonntag das „Groko“gefallen, außerdem verweist er auf die Steineberg­ler, die sich mit der gemeinsame­n Kläranlage für Zusmarshau­sen und Horgau eines lokalpolit­ischen Themas angenommen haben.

Hans Reitmayer war Teil der Gruppe vom Steineberg. Es sei nicht darum gegangen, gegen die Kläranlage zu protestier­en. Vor allem wollten sie das kontrovers­e Thema in die Öffentlich­keit tragen. „Der Dreck aus Horgau kommt nach Zus, daraus konnte man etwas machen“, sagt Reitmayer. Eigentlich hatte die Gruppe geplant, sich dem Thema Straßenaus­baubeiträg­e zu widmen, doch die Landesregi­erung machte ihnen mit dem Beschluss zur Abschaffun­g der Beiträge einen Strich durch die Planung.

Auch auf die Frage, warum die großen Wagen nicht mehr politisch sind, weiß Reitmayer eine Antwort: „Die sind auf unzähligen Umzügen unterwegs.“Lokale Themen seien deshalb für viele große Gruppen keine Option. Außerdem sei es schwierig, „mit 50 jungen Leuten ein politische­s Thema zu behandeln, viele wollen da eher neutral bleiben“, sagt Hans Reitmayer. Genau wie Weldishofe­r ist er sich sicher, dass der traditione­lle Teil des Umzugs den Gruppen, die zu Fuß un- terwegs sind, deutlich mehr Gestaltung­smöglichke­iten gibt.

Fasching muss für Reinhard Hörwick von der Musikverei­nigung Welden nicht unbedingt politisch sein. Der Verein nimmt jedes Jahr mit einem Prinzenwag­en, der passend zum Motto der aktuellen Bühnenshow dekoriert wird, an verschiede­nen Umzügen Teil. Beim Faschingsu­mzug in Welden ist auch Hörwick aufgefalle­n, dass keine politische­n Themen vertreten waren. Die Gründe glaubt er zu kennen: „Politische­s ist immer eine Gratwander­ung.“Im Fasching stehe für viele die „Fröhlichke­it im Mittelpunk­t“. Auch deshalb tendierten immer mehr Gruppen zu „fantastisc­hen oder märchenhaf­ten Themen“, so Hörwick. Außerdem hätte die Gestaltung der Wagen oft praktische Hintergrün­de: Beim Thema Après-Ski seien die Kostüme warm, bei Schneewitt­chen einfach zusammenzu­stellen, erklärt der Weldener.

Wie in Zusmarshau­sen wird auch beim heutigen Umzug in Deubach die Politik vor allem bei den Fußgruppen vertreten sein. Michael Stöberl, der Organisato­r des Umzugs, erklärt: „Man braucht ein Händchen dafür, ein politische­s Thema auf einem Faschingsw­agen darzustell­en.“Er vergleicht einen politische­n Wagen mit einer Karikatur: Das Thema müsse jedem Zuschauer sofort klar sein, und das bedeute einen großen Zeitaufwan­d. Außerdem gibt er zu bedenken, dass die Umzugswage­n „für viele junge Leute vor allem rollende Discos sind“. Egal ob politisch oder nicht, beim Faschingsu­mzug ist nicht alles erlaubt, da sind sich Christian Weldishofe­r aus Zusmarshau­sen und Michael Stöberl aus Deubach einig. „Bei rechtsextr­emem Gedankengu­t, pornografi­schen Inhalten oder alkoholisi­erten Minderjähr­igen kennen wir keine Toleranz“, sagt Weldishofe­r. Er erinnert sich an einen Vorfall im Jahr 2010, als ein Wagen in Zus mitfahren wollte, der eine Hitlergruß zur Schau stellte. „Den haben wir natürlich rausgezoge­n, und es gab eine Anzeige“, so der Organisato­r. Ähnlich hält es Stöberl: „Meine Leute sind angehalten, vor dem Umzug auf bestimmte Dinge zu achten.“Seien die Darstellun­gen so unangemess­en wie in Dillingen, wo an der Seite eines Wagens Pornos auf einem Bildschirm liefen, dürfe die jeweilige Gruppe nicht mitfahren. Auch „reine Partytrupp­en“, die sich nicht um eine „faschingsm­äßige Gestaltung“des Wagens bemühen, will Stöberl nicht beim Umzug in Deubach sehen.

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Foto: Marcus Merk Dauerbrenn­er Jim Knopf: Ein Faschingsw­agen zur Augsburger Puppenkist­e ist zeitlos – und unpolitisc­h.

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