Augsburger Allgemeine (Land West)
Was die Wagen weniger wagen
Politik ist tabu, lautet eine der goldenen Regeln fürs unverbindliche Gespräch. Die Lebenserfahrung lehrt: Viel eher lässt sich beim Gegenüber mit einer leisen Klage über den Dauerregen gut Wetter machen. Wer also auf politische Themen zur Unterhaltung seiner Mitmenschen setzt, steht mit einem Bein schon mittendrin im Fettnäpfchen, und manchmal folgt das zweite ziemlich zügig. Auch routinierten Kalauer-Produzenten sind schon böse Schnitzer unterlaufen, weshalb es nun bei den Faschingsumzügen den Narren nicht zu verdenken ist, wenn sie auf ihren Wagen weniger wagen – zumindest politisch gesehen.
Als Zuschauer darf man den Rückzug der politischen Themen – zumal der mit Lokalkolorit – aufrichtig bedauern, aus Sicht der Wagenbauer sprechen viele praktische Gründe dafür. Nicht zuletzt dieser: Mit den aufwendig gebauten Fahrzeugen wollen sie bei möglichst vielen Umzügen dabei sein – und da zieht der Jim Knopf als Galionsfigur eben besser als der eigene Bürgermeister, dessen Wirkungskreis örtlich beschränkt ist. Die Politik und ihre Protagonisten, so wird oft gesagt, haben heutzutage an Bedeutung für die Menschen verloren – genau das spiegelt sich in den Umzügen wider.