Augsburger Allgemeine (Land West)

Die letzte Ruhe für Augsburgs Obdachlose

Der Sozialdien­st Katholisch­er Männer will nicht, dass Obdachlose nach ihrem Tod in der Anonymität verschwind­en. Inzwischen hat der Verein ein drittes Grab erworben. Wie die Trauerfeie­rn ablaufen

- VON INA KRESSE

Auf der Beerdigung von Herbert K. vergangene­s Jahr war fast kein Mensch. Nur ein Sozialarbe­iter und ein Pater. Keine Angehörige­n, keine Freunde, keine Kollegen. Der 80-jährige K. war lange Zeit Obdachlose­r in Augsburg. Dennoch bekam der einstige Lkw-Fahrer eine würdevolle Trauerfeie­r mit Begräbnis. Darum kümmerte sich der Sozialdien­st Katholisch­er Männer (SKM), der inzwischen ein drittes Gemeinscha­ftsgrab erworben hat. „Wir wollen die Menschen nicht anonym begraben lassen“, sagt Hans Stecker, der vor den beiden Gemeinscha­ftsgräbern auf dem Westfriedh­of in Pfersee steht.

Gegenüber der Stätten wurde das dritte Gemeinscha­ftsgrab gemietet. Stecker ist Vorstandsm­itglied des Fördervere­ins Wärmestube SKM Augsburg. Er und seine Kollegen finden, dass auch im Tode dem ver- storbenen Menschen seine Würde erhalten bleiben soll. Dafür investiere man gerne Geld, auch wenn es hinten und vorne fehle. „Wer weiß, vielleicht schauen die Verstorben­en von oben herunter und sehen, dass man sich um sie kümmert“, sagt er mit einem leichten Lächeln. Die ersten zwei Gemeinscha­ftsgräber sind mittlerwei­le voll belegt.

17 obdachlose Menschen wurden dort überwiegen­d in Urnen bestattet. Was von ihnen bleibt, sind ihre Namen, Geburts- und Todesdaten, eingeritzt auf einzelnen Laubblätte­rn aus Ton, angefertig­t von einer Arbeitsgru­ppe beim SKM. Man sieht, manche von ihnen starben zu früh. Die Blätter sind auf den Grabsteine­n angebracht. Sie sehen aus wie Laub, das vom Wind umeinander geweht wird. Verschiede­ne Lebensumst­ände hatten die persönlich­en Schicksale der Verstorben­en tatsächlic­h durcheinan­dergebrach­t. Wie etwa das von Herbert K.

Stecker erzählt: „Der Mann war früher Lastwagenf­ahrer, lebte in einem Haus, hatte Familie.“Durch sein Alkoholpro­blem sei die Familie aber zerbrochen. Irgendwann landete K. auf der Straße. Als er im vergangene­n Jahr starb, habe man beim SKM versucht, die Familienan­gehörigen zu erreichen. Irgendwo bei Nürnberg sollen sie leben, sagt Stecker. Mehr Informatio­nen hatte man aber nicht. Das Bemühen blieb erfolglos.

So kamen eben nur ein Sozialarbe­iter des Vereins sowie Pater Simon, der diese Beerdigung­en gestaltet. Der Geistliche, der sich auch als Seelsorger um Obdachlose kümmert, sieht das als einen Akt der Barmherzig­keit. Eine ähnliche Motivation hat Bruno Ardelt. Der Drehorgels­pieler aus Krumbach, der oft auch in Augsburgs Fußgängerz­one musiziert, sorgt bei manchen der Trauerfeie­rn für die Musik. „Ein bisschen was Soziales sollte man machen“, findet der 80-Jährige. Das erste Gemeinscha­ftsgrab erstand der SKM auf dem Westfriedh­of vor 13 Jahren. Damals war Vladimir Khlebnikoc gestorben. „Er war ein in Augsburg bekannter Obdachlose­r. Er verkaufte die Zeitschrif­t Riss“, erzählt Hans Stecker. „Wegen ihm haben wir das erste Grab eingericht­et.“

Die jetzt neu erworbene dritte Begräbniss­tätte hat Platz für acht Urnen und zwei Särge. Von einem Friedberge­r Steinmetzb­etrieb bekomme man laut Stecker einen Grabstein geschenkt. Die Caritas habe zugesagt, sich mit ihrer Gärtnerei um die Bepflanzun­g zu kümmern. Der Fördervere­in sorgt sich um die letzte Ruhe der Menschen, die kein leichtes Leben hatten. Eines aber fehlt noch: „Wir suchen Besucher des Westfriedh­ofs, die sich bereit erklären, die Gräber zu gießen“, berichtet Stecker. Auch wenn die Obdachlose­n oft keine sozialen Kontakte aus ihrem früheren Leben mehr haben, beim SKM kennt man meist ihre persönlich­en Schicksale durch den Kontakt mit den Sozialarbe­itern. Stecker schätzt, dass es derzeit in Augsburg 60 bis 80 Menschen ohne festen Wohnsitz gibt, die unter anderem zu ihnen in die Wärmestube kommen.

Er ist aber überzeugt, dass die Dunkelziff­er wesentlich höher ausfällt. „Das liegt auch an der prekären Wohnungssi­tuation. Unter die Dunkelziff­er fallen auch die, die nicht täglich eine Unterkunft haben.“Eine genaue Zahl sei aber schwer zu fassen. Ein Grundsatz war Stecker schon immer wichtig. Er treibt ihn in seinem Engagement an: „Man muss Menschen achten, auch wenn sie ganz am Boden sind.“

Info Wer Interesse hat, beim Gießen der Gräber zu helfen, kann sich an den SKM unter 0821/45045830 oder per Mail an: info@waermestub­e augs burg.de wenden.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Hans Stecker ist Vorstandsm­itglied des Fördervere­ins Wärmestube SKM Augsburg. Der Sozialverb­and will Menschen nicht anonym begraben lassen. Inzwischen hat der Verein ein drittes Grab für verstorben­e Obdach lose erworben.
Foto: Silvio Wyszengrad Hans Stecker ist Vorstandsm­itglied des Fördervere­ins Wärmestube SKM Augsburg. Der Sozialverb­and will Menschen nicht anonym begraben lassen. Inzwischen hat der Verein ein drittes Grab für verstorben­e Obdach lose erworben.

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