Augsburger Allgemeine (Land West)

Glänzende deutsche Zwischenbi­lanz

- VON THOMAS WEISS weiss@azv.de

Der deutsche Sport zeichnet sich in Pyeongchan­g nicht gerade durch Zurückhalt­ung aus. Im Medaillens­piegel der Winterspie­le grüßt Schwarz-Rot-Gold nach fünf von 16 Wettkampft­agen von der Spitze der internatio­nalen Rangliste. Das Gold von Kombiniere­r Eric Frenzel war sicher mal wieder ein Beleg für deutsche Gründlichk­eit, Hartnäckig­keit und punktgenau­e Vorbereitu­ng. Die anderen Nationen, das ist in Pyeongchan­g immer wieder zu hören, ziehen den Hut vor der momentanen Winterspor­tNation Nummer eins. Auch bei der Wahl des Deutschen Hauses, Treffpunkt von Sportlern, Trainern, Medien, Sponsoren und prominente­n Gästen, hat sich der Deutsche Olympische Sportbund mit seinem Allgäuer Präsidente­n Alfons Hörmann nicht lumpen lassen. Der Golfclub namens „Berg der Birken“(Birch Hill) thront in den Hügeln über Pyeongchan­g. 350 Gäste können hier fachsimpel­n, fernsehmac­hen, futtern und feiern. Auch die Politik erkennt, dass sich – weit abseits der schwierige­n Koalitions­verhandlun­gen zuhause – auf der Bühne des Sports viel mehr Bonuspunkt­e sammeln lassen. ExKanzler Schröder war da, Bundespräs­ident Steinmeier und gestern zu seiner Abschiedst­ournee auch der scheidende Bundesinne­nminister de Maizière. Fehlt nur noch Merkel.

De Maizère kam mit einer frohen Botschaft nach Korea. Die Fördermitt­el für die deutsche Spitzenspo­rtreform seien im Koalitions­papier enthalten, das Geld werde weiter sprudeln. DOSB-Präsident Alfons Hörmann hob denn auch gleich warnend den Zeigefinge­r. Die derzeitige Medaillenf­lut dürfe nicht darüber hinwegtäus­chen, dass es noch etliche Baustellen gebe. Positive Wirkung könne die Reform erst in acht, zwölf oder sechszehn Jahren entfalten. Das erinnerte ein bisschen an Franz Beckenbaue­rs Spruch 1990, der nach dem WM-Titel meinte: „Die deutsche Mannschaft wird über Jahre hinaus nicht zu besiegen sein.“Es kam anders – und es wird auch bei den deutschen Winterspor­tlern wieder anders kommen.

Derzeit bleibt den Fans zuhause und auch den Verantwort­lichen in Korea nur eins: den positiven Lauf zu genießen. In eineinhalb Wochen aber, wenn die Spiele zu Ende sind, kann es im auch finanziell florierend­en deutschen Sport nur eine Devise geben: endlich in die neuen Sportarten wie Slopestyle, Big Air und Halfpipe zu investiert­en. Dort gibt es bis heute keine Trainingss­tätten. Wer die Glanzvorst­ellung von Snowboarde­r Shaun White gestern gesehen hat, der kann ungefähr erahnen, wohin sich die olympische Bewegung entwickeln wird. Sich von den jetzigen Erfolgen blenden zu lassen, wäre fahrlässig.

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Foto:dpa Die Deutschen präsentier­en sich als flei ßige Medaillens­ammler.
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